Politik

Franz Josef Strauß beim Politischen Aschermittwoch 1966 im niederbayerischen Vilshofen. (Foto: dpa/Klaus-Dieter Heirler)

05.03.2019

Linke Bauern im Goldenen Ochsen

Am 5. März 1919 fand in Vilshofen der erste Politische Aschermittwoch statt – er war ein Kind der Revolution

Hundert Jahre Politischer Aschermittwoch – viele haben da vermutlich sofort Franz Josef Strauß vor Augen. Denn geht nicht alles in Bayern auf ihn zurück, den großen Staatslenker? Wie könnte also ausgerechnet der Politische Aschermittwoch nicht von Strauß erschaffen worden sein?

Es war aber freilich doch ein bisschen anders. Franz Strauß, wie er in der ersten Hälfte seines Lebens hieß, war im März 1919, als in Vilshofen der erste Politische Aschermittwoch stattfand, drei Jahre alt. Erfunden wurde das Spektakel von einer Spezies, deren Existenz man eigentlich nicht für möglich hält: von linken niederbayerischen Bauern. Es war der Bayerische Bauernbund, der für den 5. März 1919 zu einer „Großen Volksversammlung“ im Vilshofener „Goldenen Ochsen“ einlud. Der Bauernbund war keine larmoyante landwirtschaftliche Berufsvereinigung, sondern eine muntere politische Partei, die bei der Landtagswahl 1919 in Niederbayern auf gut 30 Prozent gekommen war. Sie war antimonarchistisch, republikanisch, antiklerikal und links.

Über den revolutionären Ministerpräsidenten Kurt Eisner, der am 8. November 1918 den Freistaat ausrief, heißt es immer, er habe nur in der Großstadt Anhänger gehabt. Das stimmt aber nur sehr bedingt; der Bayerische Bauernbund – der freilich nicht die Mehrheit der Landwirte repräsentierte – stand von Anfang an hinter ihm.

Fernduell: Franz Josef Strauß gegen Fidel Castro

Dass der erste Politische Aschermittwoch vier Monate nach Ausrufung der Republik stattfand, ist alles andere als zufällig. Die von Eisner ausgerufene „neue Zeit“ war sehr konkret und sehr real: Achtstundentag, Trennung von Kirche und Staat, Frauenwahlrecht. Das wollte man sich eine gute Woche nach Eisners Ermordung (21. Februar 1919) nicht nehmen lassen. So hieß es auf dem Plakat zu der „Großen Volksversammlung“ am 5. März in Vilshofen: „Männer und Frauen sind zu zahlreichem Besuche eingeladen.“ Im Übrigen wurde in Aussicht gestellt, was jahrhundertelang streng verboten war: „Freie Aussprache“.

Das klingt noch nach in dem „Verein für deutliche Aussprache“, dessen Vorsitz FJS für sich reklamierte. Von 1953 bis zu seinem Tod 1988 fehlte der große Vorsitzende nur ein einziges Mal als Hauptredner beim Politischen Aschermittwoch. Dabei stand Strauß im Fernduell mit Fidel Castro: Wer hält die längere Rede? Doch in der Disziplin zwang der Máximo Líder seinen bayerischen Kollegen locker in die Knie: Castro kam gut und gern auf sieben Stunden, während Strauß es in Passau immerhin auf „bis zu vier Stunden“ brachte. In Sachen Herrschaftsdauer hat allerdings bis heute die CSU die Nase vorn: Sie regiert seit 1957 ununterbrochen, während Castro und seine Nachfolger „erst“ seit 1959 am Ruder sind.

Wenn heute andere Parteien, linksverdächtige gar, am Aschermittwoch eine Versammlung abhalten, gelten sie als Nachmacher. Dabei verhält es sich mit dem Politischen Aschermittwoch genauso wie mit dem Freistaat: Die CSU hat sich eine Erfindung der Linken erfolgreich unter den Nagel gerissen. Die „Partei, die das schöne Bayern erfunden hat“ (Herbert Riehl-Heyse), zehrt von der Aura des Subversiven, Rebellischen. Getreu ihrer Maxime: opponieren und gleichzeitig regieren.
(Florian Sendtner)

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