Politik

Der Frauenanteil im neu gewählten Bundestag ist so niedrig wie seit knapp 20 Jahren nicht. (SZ Photo)

06.10.2017

Männerbastion Bundestag

Die CSU schickt gerade einmal acht weibliche Abgeordnete nach Berlin

Den CSU-Frauen langt’s jetzt. Der maue Anteil weiblicher Abgeordneter im neugewählten Bundestag führt einmal mehr vor Augen, dass die bisherigen Maßnahmen zur Frauenförderung nicht reichen. Tatsächlich sind von den insgesamt 709 Parlamentariern nur 218 weiblich. Damit ist der neue Bundestag so männlich wie seit knapp 20 Jahren nicht.

Besonders schlecht schaut es bei der Union und den Parlamentsneulingen AfD und FDP aus. Nicht einmal 11 Prozent der AfD-Abgeordneten sind weiblich. Bei der FDP sind es 23 Prozent. Aber besonders blamabel: Der Anteil der Frauen bei der CSU sank von 25 Prozent auf 17,4 Prozent. Ein Grund: Aufgrund des schlechten CSU-Wahlergebnisses kam die Liste nicht zum Zug – das Ticket, auf dem CSU-Frauen traditionell höhere Chancen haben. Von 46 bayerischen Direktmandaten gingen nur acht an Frauen.

Barbara Lanzinger, Vize der Frauenunion (FU) in Bayern, hatte diesmal keine Lust mehr, auf der Liste anzutreten. Sie wollte auch einmal „Abgeordnete erster Klasse“ sein, direkt von den Bürgern gewählt. Da sie die Kampfkandidatur gegen den amtierenden Abgeordneten Alois Karl aber verlor, scheidet die 62-jährige Ambergerin nun aus dem Bundestag aus. Auch mit Blick auf die „vielen tollen Frauen in der CSU“ fordert sie vehement ein Umdenken in der Partei: „Wir müssen uns endlich überlegen, wie auch Frauen Chancen auf ein Direktmandat bekommen!“

Dabei wäre die Antwort eigentlich einfach: SPD, Grüne und Linke haben eine Quote – und siehe da: Sie kommen im neuen Bundestag auf einen Frauenanteil von 42, 58 beziehungsweise 54 Prozent. Zwar gilt auch in der CSU seit 2010 eine 40-Prozent-Frauenquote. Aber eben nur für Parteiämter auf Landes- und Bezirksebene. Eine solche Quote wünschen sich viele CSU-Frauen aber auch für die männlich geprägten Delegiertenversammlungen. „Wer für eine Direktkandidatur in Frage kommt, das darf nicht von wenigen Altvorderen ausgemauschelt werden“, betont Gudrun Brendel-Fischer, CSU-Vize im Landtag.

Von Barbara Lanzinger kommt ein weiterer Vorschlag: Bei der Landesversammlung der Frauenunion an diesem Freitag und Samstag beantragt ihr FU-Bezirksverband Oberpfalz, dass künftig nicht mehr Delegierte, sondern alle Mitglieder der jeweiligen Wahl- und Stimmkreise über Kandidaten entscheiden. Dies hält auch Barbara Roth vom FU-Kreisverband München-Mitte für dringend geboten. In der Landeshauptstadt gingen alle vier Direktmandate an CSU-Männer. „Hans fördert eben Hänschen“, sagt Roth, die für die FU-Versammlung ebenfalls einen Antrag in der Tasche hat – mit Unterstützung des FU-Bezirksverbands München. Der Landesvorstand der Frauen-Union Bayern wird darin aufgefordert, das Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten zu unterstützen.

Und das gleicht einer kleinen Revolution. Denn das Bündnis, dem unter anderem Landesfrauenrat, Katholischer Frauenbund und Juristinnenbund angehören, hat Klage beim bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Das Ziel: Eine gesetzliche Verpflichtung der Parteien, genauso viele Männer wie Frauen aufzustellen. Vorbild ist Frankreich.

CSU-Frauenunion, SPD, Grüne und FW vereint gegen Machos

Silke Laskowski, Professorin für Öffentliches Recht an der Uni Kassel, vertritt das Bündnis vor Gericht. Sie ist überzeugt: Das Wahlrecht diskriminiert Frauen, die 51 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen, aber nicht entsprechend mit ihren Interessen in den Parlamenten vertreten sind – nicht nur im Bundestag, wo jetzt 30,7 Prozent der Abgeordneten Frauen sind. Im Landtag haben sie sogar nur 28,3 Prozent der Sitze. Auf kommunaler Ebene sieht es noch düsterer aus: Nur 8,7 Prozent der Bürgermeister sind weiblich.

Landtags-Grüne und Freie Wähler unterstützen die Klage, ebenso die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Simone Strohmayr. In ihrer Fraktion prüft man noch juristische Möglichkeiten für ein eigenes Paritätsgesetz. Das Problem: Im Grundgesetz steht nicht nur die Gleichberechtigung, sondern auch die Parteienfreiheit. Ein Grund, warum sich die Landtags-CSU sicher ist, dass die Klage für ein Paritätsgesetz keinen Erfolg haben kann. Und die FU? Dort könnte der Frust über die Machos in der Partei Türen öffnen: „Ich unterstütze alles, was ein Baustein auf dem Weg zum Erfolg sein könnte“, sagt Lanzinger. „Wenn es rechtlich denn geht.“

Dass ein Parlament die Gesellschaft spiegelgetreu abbilden muss, glaubt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, indes nicht. „Auch Maurer und Verkäuferinnen sind dort unterrepräsentiert“, sagt sie. Dass sich Männer Pöstchen gerne gegenseitig zuschustern, geht aber auch ihr gegen den Strich. Parteiinterne Quoten hält sie deshalb für sinnvoll. „Denn eines ist klar“, sagt Münch: „Setzen wir nur auf den gesellschaftlichen Wandel, dauert es viel zu lange.“ (Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. Walter Krüger am 09.10.2017
    Von der Bayerischen Staatszeitung hätte ich (allein ihrem Namen nach) eigentlich erwartet, dass man sich ohne Wenn und Aber für Demokratie und Rechtsstaat einsetzt. In Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes sind die für unsere Demokratie wichtigsten Wahlgrundsätze festgelegt. Demnach werden die Abgeordneten des Bundestags in allgemeiner, freier, unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Dass die Zusammensetzung eines Parlaments angeblich ein Spiegel der "Gesellschaft" sein soll, steht an keiner Stelle unserer Verfassung. Wer ein Quoten-Parlament fordert, sollte sich von freien, gleichen und allgemeinen Wahlen verabschieden und dann bitte auch so konsequent sein, eine Verfassungsänderung zu fordern, wenn diese nach Art. 79 Abs. 3 GG überhaupt zulässig wäre. Frau Lanzinger und Frau Brendel-Fischer sind in der CSU, nach meiner Beobachtung bislang nicht durch besonderen Ideenreichtum oder besonderes "Vordenkertum" augefallen. Wenn die Genannten allerdings an der irrigen Meinung, Frauen seien die besseren Menschen, festhalten wollen, werden sie spätestens bei der nächsten Wahl erfahren, dass die Wähler ihre Entscheidung nicht nach Geschlecht, sondern nach Sympathie, Kompetenz und Glaubwürdigkeit treffen (wie die meisten Delegierten übrigens auch).
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