Politik

Milchbauern bei der heutigen Kundgebung in Neustadt an der Aisch vor dem Wahlkreisbüro von Bundesagrarminister Schmidt (CSU). (Foto: dpa)

17.05.2016

Milchbauern protestieren vor CSU-Wahlkreisbüro

Ein Milchpreis von nur noch knapp 20 Cent pro Liter treibt Milchbauern auf die Barrikaden: Im fränkischen Neustadt/Aisch wollen sie mit einer Dauerkundgebung vor dem Wahlkreisbüro von Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) auf ihre Nöte aufmerksam machen

Im Streit um sinkende Milchpreise haben deutsche Milchviehhalter am Dienstag den Druck auf Politik und Molkereien erhöht. Vor allem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wollen sie "auf die Pelle zu rücken". Dazu starteten sie am Dienstag eine Dauerkundgebung vor dessen Wahlkreisbüro im fränkischen Neustadt/Aisch. Der Verband wirft Schmidt eine "Verweigerungshaltung" bei dringend notwendigen "Marktanpassungsmaßnahmen" vor.

An einer Auftaktkundgebung nahmen nach Polizeiangaben rund 300 Milchviehalter teil. Etliche Bauern rückten dabei mit ihren Traktoren an. Auf Transparenten hieß es unter anderem "Milchpreis nach Maß - nicht maßlos" und "Mengen müssen runter".

Nach Angaben des regionalen BDM-Teamleiters Peter Meyer wollen bis 30. Mai, einem Tag vor dem "Tag der Milch", zwischen drei und fünf Milchbauern vor dem Wahlkreisbüro für eine Lösung in der Milchpreisfrage demonstrieren. Beteiligen daran würden sich wechselnde Abordnungen aus ganz Deutschland. Die Nächte verbringen die Protestierenden in einem vor dem Büro aufgestellten Wohnwagen.

Tagsüber wollten sie mit einer Milchkuh durch Neustadt/Aisch ziehen, um Bürgern klar zu machen: "Schaut her, Euer Abgeordneter kommt seiner Pflicht nicht nach, Schaden von den Bauern abzuwenden", betonte BDM-Sprecher Hans Foldenauer. So widersetze sich Schmidt standhaft der Landwirte-Forderung nach Ausgleichsmittel, mit denen Landwirte dazu veranlasst werden könnten, die Milchanlieferung zu reduzieren. Stattdessen setze Schmidt auf Bankbürgschaften.

Der Milchpreis ist nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung inzwischen auf 18 bis 19 Cent je Liter gesunken. Im März hatten in Deutschland große Molkereien noch um die 24 Cent je Liter gezahlt. Wegen eines Überangebots sind aktuell die Milchpreise in ganz Europa im Keller. Um kostendeckend wirtschaften zu können, bräuchten die rund 75 000 Milchbauern in Deutschland einen Erzeugerpreis von etwa 40 Cent pro Liter.

„Wer unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe erhalten will, muss die Milchbauern in dieser fatalen Situation finanziell unterstützen – sonst droht Ihnen das Aus", meinte Leopold Herz, agrarpolitischer Sprecher der Freien Wähler. Dazu benötige es zum Beispiel eine Reduktion der Milchmenge durch zeitlich befristete Lieferverzichte gegen Entschädigung. "Landwirtschaftsminister Christian Schmidt treibt die Landwirte offenbar jedoch lieber in die Schuldenfalle anstatt vernünftige Lösungen vorzuschlagen."

Kritik am Vorschlag des Bundeslandwirtschaftsministers übte auch SPD-Agarpolitiker Horst Arnold. Die Situation der bayerischen Milchbauern sei "alarmierend": "Seit Monaten reichen die Milchpreise nicht mehr aus, um die Kosten zu decken, zahlreichen Betrieben droht so der Ruin", warnte er und solidarisierte sich mit den Protesten des BDM. Die vom Bundesagrarminister vorgeschlagenen Steuererleichterungen für Milchbetriebe seien "eine Luftnummer", ärgert sich der SPD-Politiker: "Wer keinen Gewinn mehr macht, zahlt doch ohnehin keine Steuern. Das ist grober Unfug, wenn Herr Schmidt so etwas vorschlägt. Die SPD fordere stattdessen eine funktionierende Steuerung der Milchmengen auf dem europäischen Markt. "Nur so lassen sich auskömmliche Preise erzielen."

Wie heute bekannt wurde, wird in Bayern heuer auch weniger Getreide angebaut als im Vorjahr. Für die Ernte 2016 haben die Landwirte nach einer ersten Schätzung eine Fläche von rund einer Million Hektar mit Getreide (ohne Körnermais) bestellt. Wie das Bayerische Landesamt für Statistik am Dienstag mitteilte, bedeutet das gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um rund drei Prozent. Am stärksten verringerte sich der Anbau von Winterweizen. Auch die Aussaat von Sommergerste, die häufig zum Bierbrauen verwendet wird, sank. Der Anbau von Winterraps oder Zuckerrüben hingegen legte zu.

Fragen und Antworten zur Milchbauernkrise:

Was wollen die deutschen Bauern?
Finanzielle Hilfen sind natürlich willkommen und auch in Zukunft gefragt, zudem verlangen sie eine Neuregelung der Beziehungen von Milcherzeugern, Molkereien und dem Handel. Die Geister scheiden sich aber am Thema Milchquote. Während der Deutsche Bauernverband (DBV) ihr nicht nachtrauert, verlangt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), finanzielle Zuschüsse an eine Verringerung der Produktion zu koppeln. Die jahrelang praktizierte EU-Milchquotenregelung war im vergangenen Jahr ausgelaufen. Zuletzt konnten die Bauern so viel melken wie sie wollten.

Was hat Brüssel bisher für die Branche getan?
Im September 2015 einigten sich die EU-Agrarminister auf ein Notprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro. Damit sollten Finanzhilfen und Stützungsprogramme finanziert werden. Auf Deutschland entfielen etwa 69 Millionen Euro. Im März hatte die EU zudem den Weg für freiwillige, zeitlich begrenzte Mengenreduzierungen in den EU-Staaten für Milchprodukte freigemacht. Produzenten können sich nun absprechen, ohne kartellrechtlich in Schwierigkeiten zu geraten. Der BDM kritisiert allerdings, dass diese freiwillige Mengendrosselung nur einen Flickenteppich ergebe.

Was tut die Bundesregierung?
Eine neue Milchquote kommt für Agrarminister Christian Schmidt (CSU) nicht in Frage. Sein Credo: "Die Milchkrise muss im Markt gelöst werden." Für die Reduzierung der Milchmenge setzt er auf Freiwilligkeit. Schon jetzt greift der Bund Bauern in Not finanziell unter die Arme.

Und was macht die EU-Kommission?
Durch das russische Importembargo für EU-Agrarprodukte in Folge des Ukraine-Konflikts gingen für die heimische Branche wichtige Abnehmer verloren. Die Brüsseler Behörde verstärkt seitdem ihre Bemühungen, für die europäischen Agrarprodukte andere Märkte zu erschließen. EU-Agrarkommissar Phil Hogan reist immer wieder zu Gesprächen, zuletzt war er etwa in Mexiko und Kolumbien.

Worüber wird in Brüssel nun noch gestritten?
Einige Kritiker halten die bisherigen Maßnahmen für nicht ausreichend, anderen gehen sie in die falsche Richtung. Mit der einseitigen Ausrichtung auf den Export werde Bauern, Verbrauchern, Umwelt und den Zielländern gleichermaßen geschadet, sagt etwa der grüne Europaparlamentarier Martin Häusling. Die Orientierung auf den Weltmarkt fördere die Produktion von Massenware und schade auch der Entwicklung einheimischer Märkte mit existenzsichernden Einkommen für Erzeuger in Drittländern.
Manche EU-Staaten fordern für den heimischen Markt stärkere Mengenregulierungen und Ausgleichszahlungen auf EU-Ebene. Besonders kritische Töne schlägt Paris an. Französische Bauern protestieren immer wieder besonders heftig gegen die niedrigen Preise.

Wie soll es weitergehen?
Für stärkere Regulierungen gibt es auf EU-Ebene derzeit keine Mehrheit. Deutschland und etliche andere Länder, vor allem in Mittel- und Nordeuropa, sehen darin vielmehr Rückschritte. Eine Reihe von Ländern hat außerdem noch nicht die vollen Beträge aus dem September-Hilfspaket abgerufen, heißt es in Brüssel. Bis zum Sommer ist nicht mit weiteren Entscheidungen zu rechnen. Erst soll beurteilt werden, wie die im März verabschiedeten Maßnahmen wirken. Ende Juni ist ein weiteres Treffen der EU-Landwirtschaftsminister geplant. Und wie sieht es konkret in Deutschland aus?
CDU und CSU planen ein Hilfspaket von "100 Millionen Euro plus X". Details stehen noch nicht fest, im Gespräch sind aber Zuschüsse zur Unfallversicherung, Bürgschaften, damit Banken den Landwirten weiter Geld leihen, und Freibeträge zum Abbau von Schulden. Am 30. Mai lädt Minister Schmidt zum "Milchgipfel" - dort will er Erzeuger, Molkereien und den Handel an einen Tisch bringen. Kritik daran kommt vom BDM: Die Landwirte hätten "keine Zeit mehr für eine weitere Gesprächsrunde". (BSZ, Teresa Dapp, Alkimos Sartoros, dpa)

INFO: Jeder zweite Milchbauer kommt aus Bayern
Fast die Hälfte der deutschen Milchbauern sind in Bayern zuhause. Auf 30 000 Höfen im Freistaat stehen 1,2 Millionen Kühe. Sie haben im vergangenen Jahr 7,6 Millionen Tonnen Milch gegeben. Laut Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft kamen zwei Drittel der bayerischen Milch aus Oberbayern und Schwaben. Weitaus der größte Teil der bayerischen Milch wurde zu Joghurt und Milchdrinks verarbeitet. Bayerischer Käse ist auch im Ausland gefragt, vor allem in Italien, Österreich und Frankreich.

Weltweit gibt es der Welternährungs-Organisation FAO zufolge etwa 150 Millionen Milchviehhalter. Größte Produzenten sind Indien, die USA und China. Die Volksrepublik ist laut FAO aber auch das Land mit dem höchsten Milch-Defizit, gefolgt von Italien und Russland. Die Länder mit dem höchsten Milch-Überschuss sind laut FAO Neuseeland, die USA und Deutschland.

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