Wahlkampf in der Pandemie: Da läuft vieles anders. Größere Veranstaltungen sind nicht möglich. Alle Parteien fahren deshalb zweigleisig, setzen auf einen Mix aus online und analog. Langfristig planbar ist nichts. Ein Überblick.
„Noch nie waren so viel Spontanität und Kreativität im Wahlkampf gefragt“, heißt es bei den bayerischen Grünen. Stets müsse man die aktuellen Entwicklungen im Blick haben, sagt Grünen-Sprecherin Barbara Schuster. Auch Abstimmung mit den lokalen Behörden ist wichtig. Denn die Vorschriften sind oft unterschiedlich. So war das Tragen einer FFP2-Maske in München bis vor Kurzem sogar an Wahlkampfständen im Freien Pflicht. Anfang August erst hob das Gesundheitsreferat diese Vorschrift auf. Ebenso das Verbot, Flyer auf der Straße zu verteilen – ein großes Hemmnis für Wahlkämpfende wie den Grünen Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek. Denn statt wie gewohnt aktiv auf die Leute zuzugehen, musste er an den Infoständen darauf hoffen, dass die Menschen zu ihm kamen. Der klassische Haustürwahlkampf findet aber auch statt – „natürlich kontaktfrei mit Maske und zwei Metern Abstand“, so Janecek.
Statt größerer Events stehen bei den Grünen wie bei allen anderen Parteien pandemiebedingt nur kleinere Veranstaltungen auf dem Programm. Biergartengespräche etwa, die als Hybrid-Formate auch online zu verfolgen sind.
Draußen Wahlkampf machen – das sieht bei Dorothee Bär, Digitalstaatsministerin im Kanzleramt und CSU-Vizevorsitzende, so aus: Sie bietet Radtouren und Wanderungen an, geht außerdem von Tür zu Tür für Zaungespräche. Das, sagt Bär, „sind die seltenen Gelegenheiten, um mit den Menschen direkten Kontakt zu bekommen“. Klassische Werbemittel wie Plakate und Broschüren seien dennoch wichtig, „um möglichst alle Menschen zu erreichen“.
Die Leute wollen reden
Freiluftwahlkampf ist auch bei den Freien Wählern zentral. Laut Parteisprecher Christoph Hollender ist das ganze Spektrum geboten: vom Haustürwahlkampf über Radtouren und traditionelle Veranstaltungen. Auf letztere setzt vor allem Parteichef Hubert Aiwanger, der gerade durch Deutschland tourt, um für seine Partei zu werben – in Umfragen rangiert sie bei 3 Prozent, man hofft natürlich auf mehr. Hilfreich sei derzeit ausgerechnet die CSU. Deren Parteichef Söder und Generalsekretär Blume, frotzeln die FW mit Blick auf den Impfstreit um Aiwanger, „sind aktuell die besten PR-Leute, die wir je hatten“. Neben Präsenz vor Ort setzen die FW stark auf soziale Medien. Ergänzend zu Youtube habe sich Tiktok als „spannend“ erwiesen, sagt Parteisprecher Hollender. Ein Medium, das vor allem junge Leute lieben – wegen lustiger Musikvideos. Politische Inhalte sind dort noch selten – und superkurz.
Die FDP hat indes registriert, dass das Interesse an digitalen Wahlkampfangeboten nachlässt. So professionell und gut gemacht die auch sein mögen. Daniel Föst, FDP-Landeschef, verweist auf die informative liberale Wahlkampf-App, erlebt aber, „dass sich die Menschen auch nach persönlichem Austausch sehnen“. Weshalb man unter Einhaltung aller Corona-Vorschriften auch Veranstaltungen vor Ort anbiete. So war unlängst FDP-Parteichef Christian Lindner in Bayern, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Mit den Leuten reden: Das ist auch der SPD wichtig. Der Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch, Spitzenkandidat der SPD in Bayern, sagt: „Man merkt bei den Leuten eine wahnsinnige Lust auf direkte Begegnungen.“ An Infoständen oder an der Haustür. Berührungsängste zeigten die so gut wie nie, erklärt Grötsch, der – „als Zeichen des Respekts“ – bei Gesprächen grundsätzlich eine FFP2-Maske trägt.
Haustürwahlkampf mit FFP2-Maske
Auch bei der SPD sind Online-Formate eingeplant. Um gewappnet zu sein, falls mit steigenden Infektionszahlen vieles nur noch virtuell möglich ist. „Corona hat einen Quantensprung in Sachen Wahlkampfdigitalisierung mit sich gebracht“, erklärt Helga Kindler, Pressesprecherin der Bayern-SPD.
Das persönliche Gespräch: Das ist und bleibt auch in der Pandemie das Wichtigste, heißt es bei der Linken. Die Nürnberger Bundestagskandidatin Kathrin Flach Gomez, Sprecherin der Linken in Bayern, betont: „Ich setze trotz Corona gezielt auf persönliche Ansprache, weil damit die größte Bindung zu den Menschen hergestellt werden kann.“ Der Haustürwahlkampf sei dabei das wichtigste Instrument. Er sei die einzige Methode, die nachweisbar zu einer höheren Mobilisierung der Linken-Wähler*innen führe.
Auch inhaltlich spielt Corona eine große Rolle. Die Pandemie betrifft eben alle Lebensbereiche. Die FW nennen Corona sogar als Hauptthema im Gespräch mit den Menschen. Der Grüne Janecek erlebt, dass viele Leute „eine Spaltung der Gesellschaft“ befürchten – auch wegen der Impfdebatte. Und bei den Linken steht die soziale Komponente der Corona-Krise im Mittelpunkt: die Spaltung zwischen Arm und Reich und die Vereinsamung der Menschen. „Wir stoßen hier auf großen Gesprächsbedarf“, erfährt Flach Gomez. Ebenso die FDP, die „unterschiedlichste Sorgen und auch Wut über die Corona-Politik“ zu hören kriegt.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)
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