Politik

Die Großmütter beim sozialen Startup Myoma.de bessern mit Stricken ihre Rente auf. (Screenshot: BSZ)

05.01.2017

Mit Omas Wolle zum Social Startup

Soziales Unternehmertum schielt nicht allein auf Rendite – und wird dennoch von der Politik oft übersehen

Sozial orientierte Unternehmer zielen nicht auf eine Rendite für die Gesellschafter ab, sondern auf eine gesellschaftliche Rendite. „Die Pflicht am Menschentum“ nennt es Katharina Zech. Als ihr Großvater an Leukämie starb, sagte sie dem Blutkrebs den Kampf an. Kurz darauf gründete sie AIAS und organisierte in München die weltweit größte Stammzellenspendeaktion an einer Hochschule. Dank ihres Einsatzes haben bereits 37 Patienten einen Spender gefunden – unter anderem der US-Boxweltmeister Robert Guerrero. Für ihr Engagement bekam sie vom bayerischen Gesundheitsministerium 2013 den Staatspreis „Weißer Engel“. Heute ist AIAS in 14 Städten in Deutschland aktiv und wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Startsocial-Preis ausgezeichnet.

Laut Europäischer Kommission steht hinter einer von vier Unternehmensgründungen in Europa ein Sozialunternehmen – in Deutschland sind mit 70 000 nur rund zehn Prozent der Startups Sozialunternehmen. Obwohl sie für Gesellschaft und Wirtschaft immer wichtiger werden, droht Deutschland die Entwicklung zu verschlafen. In der Studie „The best places to be a Social Entrepreneur“ wurden die Förderprogramme in den 45 wirtschaftlich stärksten Länder verglichen. Insgesamt liegt die Bundesrepublik zwar, was die politische Unterstützung der Sozialunternehmer betrifft, auf Platz 15, beim Punkt „Government policy supports Social Entrepreneurs“ aber auf Platz 34 – zwischen Griechenland und Mexiko. „Dieses Ergebnis ist mehr als unbefriedigend“, schimpft Markus Sauerhammer vom Bundesverband Deutsche Startups im Gespräch mit der Staatszeitung.

Im Bund hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zwar seit 2016 die Öffentlichkeitsarbeit für Social Entrepreneurship verstärkt. Der Minister selbst hat die Schirmherrschaft für das Programm „Ankommer. Perspektive Deutschland“ übernommen, das Social Startups auszeichnet. Innovative Produkte und Dienstleistungen von Sozialunternehmen können seit letztem Jahr verstärkt bei Ausschreibungen berücksichtigt werden. Daneben nahmen Staatssekretäre an mehreren Veranstaltungen zum Thema Social Entrepreneurship teil, um es bekannter zu machen und die Vernetzung mit Investoren zu fördern.

Ein spezielles Förderprogramm für Sozialunternehmen gibt es nicht

Des Weiteren können soziale Unternehmer neben speziellen Leitfäden die klassischen Förder- und Beratungsprogramme wie „Förderung von unternehmerischem Know-how“, „Exist“, „Mein Mikrokredit“ oder den sogenannten Mikromezzanifonds in Anspruch nehmen. Letzterer hat bisher 43 Sozialunternehmen mit 1,9 Millionen Euro gefördert. „Diese Programme passen aufgrund der besonderen Stellung von Sozialunternehmern aber oft nur bedingt“, mein Sauerhammer vom Startup-Bundesverband. Und auch in Bayern sei die Förderung von Sozialunternehmen noch „Neuland“.

Der Freistaat fördert soziale Unternehmer ebenfalls nur im Rahmen der klassischen Existenzgründung. Davon profitierte beispielsweise der Liveübersetzungsdienst „VerbaVoice“, der für Menschen mit Hörbehinderung die Sitzungen des bayerischen Landtags mit einem Gebärdendolmetscher live übersetzt. Oder die Gründerin von MyOma.de aus Fürth, die älteren Damen mit ihrem Startup hilft, ihre Rente mit dem Verkauf von Gestricktem aufzubessern. Außerdem unterstützte das Ministerium Startups, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben – beispielsweise Landpack.de, eine Firma, die aus Stroh Verpackungen herstellt. Doch: „Ein eigenes Förderprogramm für Social Startups gibt es leider nicht“, erklärt ein Ministeriumssprecher der BSZ.

„Durch die Fokussierung auf traditionelle Gründungen verpasst die Staatsregierung die Chance, ein ganzes Unternehmensfeld in Bayern zu halten“, meint die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Kerstin Celina. Das zeige sich allein schon beim Innovationspreis, wo soziale oder ökologische Startups überhaupt nicht vorkämen. Celina wünscht sich in Bayern zum Beispiel Präsentationen in Aufzügen wie in Baden-Württemberg, bei denen Gründer ihr Konzept innerhalb von drei Minuten erklären müssen. „Damit kann man die kreativen, sozialen oder ökologischen Gründer leichter ansprechen und fördern als mit den traditionellen Formaten, die in Bayern vorherrschen.“

Steuerliche Vorschriften erschweren häufig die Finanzierung

Für die wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Annette Karl, ist die aktuelle Förderung im Freistaat ebenfalls zu techniklastig. „Wir wollen daher den Aufbau entsprechender Gründer- und Kompetenzzentren mit einem speziellen Förderprogramm unterstützen“, erläutert sie. Die Fraktion wolle sich außerdem auf Bundesebene dafür einsetzen, das Steuerrecht für gemeinnützige Unternehmergesellschaften wachstumsfreundlicher zu gestalten. „Wir wollen auch die steuerlichen Vorschriften für die Finanzierung mit sogenanntem Hybridkapital vereinfachen“, versichert Karl. Bisher erschweren steuerliche Vorschriften häufig die Finanzierung von Sozialunternehmen, beispielsweise die Vermischung von Spenden und Eigenkapital.

Für gute Nachrichten aus Bayern sorgen zwei Städte: In München wurde bereits 2010 die Social Entrepreneurship Akademie als Netzwerk-Organisation der vier Münchner Hochschulen gegründet. Sie bietet ein Qualifizierungsprogramm, fördert gezielt soziale Gründungsprojekte und treibt den Aufbau eines breiten Social-Entrepreneurship-Netzwerks voran. Und der Co-Working-Space Impact Hub Munich, der Platz für Startups, kreative Selbstständige und visionäre Organisationen bietet und sie vernetzt.

In Augsburg sorgte 2013 der erste Social Impact Bond in Kontinentaleuropa für Aufsehen. Diese sozialen Wirkungskredite werden privat vorfinanziert und im Erfolgsfall vom Staat mit Aufschlag zurückgezahlt. In Augsburg wetteten vier Nonprofit-Unternehmen und vier gemeinnützige Investoren, dass sie 20 langzeitarbeitslosen Jugendlichen einen Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsplatz vermitteln könnten – mit Erfolg. Die Investoren erhielten ihr Geld vom bayerischen Arbeitsministerium zurück – zuzüglich eines Aufschlags von drei Prozent. (David Lohmann)

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