Politik

Wie kommt der Strom in die Steckdose? Eine Frage, die nicht nur Bayerns Regierung künftig stark beschäftigen wird.(Foto: dapd)

27.05.2011

Mühsamer Aufbruch ins Öko-Zeitalter

Bayerns Koalition streitet übers Atomausstiegsdatum – und beim schwarz-gelben Energiekonzept steckt der Teufel im Detail

Horst Seehofer hat nervenaufreibende Tage hinter sich. Am vergangenen Wochenende hatte Bayerns Ministerpräsident die CSU bei der Klausurtagung im Kloster Andechs erst nach stundenlanger Debatte auf Linie gebracht – der Vorstand beschloss die Abschaltung aller fünf Kernkraftwerke im Freistaat bis 2022. Zwei Tage darauf kam es dann zum Streit mit dem Koalitionspartner FDP.
Martin Zeil, Stellvertreter Seehofers und Bayerns Wirtschaftsminister, wollte sich im Kabinett nicht auf eine konkrete Jahreszahl für das Ende der Atomenergie festlegen. Der FDP-Mann fürchtet, dass ein rascher Ausstieg Bayerns Wirtschaft schaden und die Strompreise in die Höhe treiben könnte. Seehofer jedoch will am Ausstiegsziel 2022 festhalten: „Vier Kernkraftwerke innerhalb von zehn Jahren abzuschalten, sollte sich ein hoch entwickeltes Land wie Bayern zutrauen.“
Tatsächlich wird das Datum für den Ausstieg in Berlin festgelegt – und wie sich Kanzlerin Angela Merkel positionieren wird, ist noch offen. Ludwig Hartmenn, energiepolitischer Sprecher der Landtagsgrünen, erklärte gleichwohl: „Die bayerische Staatsregierung hat den ersten Stresstest auf dem Weg zum Atomausstieg nicht bestanden.“


Die Vorranggebiete für Windparks sind viel zu klein


Einig war sich Schwarz-Gelb indes darüber, den Anteil der erneuerbaren Energien an der bayerischen Stromproduktion bis 2020 auf 50 Prozent zu erhöhen. Derzeit hat Bayern mit satten 58 Prozent noch den höchsten Atomstromanteil aller Bundesländer. Um die Nuklearenergie zu ersetzen, will die Staatsregierung neue Gaskraftwerke bauen, den Anteil an Sonnenenergie auf 16 Prozent steigern sowie Biomasse und Wasserkraft stärker nutzen. Während Zeil zudem den Bau von 1000 neuen Windrädern vorschlug, sprach Umweltminister Markus Söder (CSU) gar von künftig 1500 Anlagen.
Fakt ist: Bayern macht sich auf den Weg in Richtung erneuerbare Energien, doch der Teufel steckt im Detail: Ende 2010 waren beispielsweise 412 Windkraftanlagen in Betrieb, allerdings produzierten sie weniger als ein Prozent des gesamten Stroms in Bayern. Die Geothermie hat einen noch geringeren Anteil – nach wie vor sind die Startkosten bei der Erschließung von Erdwärme gewaltig. Immerhin sind laut bayerischem Wirtschaftsministerium mittlerweile neun Anlagen in Betrieb. Sieben weitere Werke befinden sich im Bau oder stehen vor der Fertigstellung, sechs Anlagen sind in der Vorbereitungsphase.
Auch bei den geplanten Gas- und Dampfkraftwerken geht es voran: Irsching 4 wird laut Wirtschaftsministerium diesen September starten, eine weitere Anlage in Haiming (ebenfalls Oberbayern) ist genehmigt, wird aber wohl frühestens 2015 in Betrieb genommen.

Strom sparen, sagt Bayerns Regierung


Die 1500 Windkraft-Anlagen könnten laut Günter Beermann, dem Landesvorstand Bayern des Bundesverbandes WindEnergie, bereits bis 2016 installiert werden – wenn die Voraussetzungen stimmen.
Doch eben daran hapert es. Denn zum einen sollen laut des Entwurfs zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Subventionen für den Einbau neuer Anlagentechnik 2013 wegfallen; auch will Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) Offshore-Windparks zum Nachteil ihrer inländischen Pendants, also auch der Anlagen in Bayern, stärker fördern. Zum anderen sind die in den bayerischen Regionalplänen geschaffenen Vorrangsgebiete für Windkraftanlagen Beermann zufolge viel zu klein: „Da passen nicht einmal 50 Anlagen drauf.“
Die Kommunen fürchten unterdessen, Baugrund für teure Anlagen hergeben zu müssen, deren Erträge kaum abschätzbar sind. „Sorgen mache ich mir auch darüber, wo wir bei den Energiepreisen landen“, sagt Stefan Graf, Energiereferent des Bayerischen Gemeindetags.
Die Staatsregierung schlägt schon mal vor, künftig mehr Sparsamkeit beim Stromverbrauch walten zu lassen: „Es ist davon auszugehen, dass Stromanwendungen in den kommenden Jahren zunehmen werden. Ohne weitere Stromsparanstrengungen ist deshalb mit einem steigenden Bedarf zu rechnen“, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.
Um den Verbrauch trotzdem auf dem Ist-Niveau zu halten, soll „die Nachfrage reduziert, ein Markt für Energiedienstleistungen geschaffen sowie dezentrale Stromerzeugung ausgebaut werden“, sagt die Sprecherin. Das Ministerium will zudem einen Leitfaden zum Stromsparen für private Haushalte auflegen und prüft Förderungen für eine Effizienz-Offensive in Industrie und Gewerbe sowie die Einführung von Energiegutscheinen für Mittelständler. Große Pläne also, für eine große Wende. (Sebastian Winter)

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