Politik

Mehr als 100 überwiegend abgelehnte Asylbewerber aus Gambia kamen im Februar zum Bahnhof in Donauwörth und wollten nach Italien ausreisen. (Foto: dpa)

15.03.2018

Nach Widerstand gegen Abschiebung: 30 Haftbefehle gegen Flüchtlinge

Der Großeinsatz der Polizei in einem Flüchtlingsheim in Donauwörth wird zu einem Großeinsatz für die Justiz. Die Polizei nahm rund 30 Männer fest. Sie sollen fast alle ins Gefängnis

Nach heftigen Protesten gegen einen Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim Donauwörth hat die Staatsanwaltschaft gegen 30 Bewohner Haftbefehle beantragt. Damit sollen fast alle Männer, die zunächst vorübergehend festgenommen wurden, nun ist Gefängnis. «Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Augsburg besteht der dringende Tatverdacht des Landfriedensbruchs», teilte das Polizeipräsidium in Augsburg zur Begründung mit.

Die Vorführung der überwiegend aus Gambia stammenden Flüchtlinge im Alter von 17 bis 33 Jahren bei den Haftrichtern des Augsburger Amtsgerichtes werde voraussichtlich bis in die Abendstunden des Donnerstags dauern, sagte ein Polizeisprecher. Einige Haftbefehle seien bereits erlassen worden.

Das Verhalten einiger Asylbewerber sei «völlig indiskutabel», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). «Hier bei uns einerseits Schutz und Sicherheit zu suchen, aber andererseits gleichzeitig derartige Randale zu veranstalten und unser Rechtssystem zu missachten, geht gar nicht.»

Die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangte angesichts der Zwischenfälle in dem nordschwäbischen Asylbewerberheim eine Verstärkung der Sicherheitsdienste in den entsprechenden Einrichtungen im ganzen Freistaat. Daran wird laut Herrmann zusammen mit der für die Heime zuständigen Sozialministerin Emilia Müller (CSU) auch bereits gearbeitet. Zudem werde das Polizeipräsidium «je nach Lage die Polizeipräsenz an der Donauwörther Aufnahmeeinrichtung weiter erhöhen», sagte Herrmann.

Am Mittwoch war es in der Aufnahmeeinrichtung zu Widerstandsaktionen der Bewohner gekommen, nachdem die Polizei am frühen Morgen einen Flüchtling wegen einer geplanten Abschiebung abholen wollte. Die Beamten mussten zunächst abziehen und später mit Verstärkung der Bereitschaftspolizei zurückkehren. Insgesamt wurden 32 Männer vorläufig festgenommen. Der Einsatz dauerte bis in die Abendstunden. Die zwei Bewohner, gegen die kein Haftbefehl beantragt wurde, kamen später in andere Wohnheime.

Nach Angaben der Polizei zertrümmerten einige Bewohner eine Reihe von Fensterscheiben und Mobiliar oder warfen Gegenstände in Richtung der Einsatzkräfte. Ein Flüchtling soll sich mit einer Eisenstange den Beamten entgegengestellt haben, er wurde allerdings schnell überwältigt. Ein Diensthund wurde bei dem Einsatz verletzt, Menschen kamen nicht zu Schaden.

«Die Stimmung war insgesamt sehr aggressiv und angeheizt», berichtete Polizeisprecher Siegfried Hartmann. Die Mitarbeiter der vor Ort tätigen Malteser hätten sich sogar in der Rezeption eingesperrt, weil sie mögliche Übergriffe der Bewohner fürchteten. «Sie wurden anschließend von Security-Kräften bei günstiger Gelegenheit in Sicherheit gebracht.»

"Selbstverständlich protestieren Flüchtlinge gegen Abschiebungen"

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte den Polizeieinsatz «als massiven Einschüchterungsversuch» der Asylbewerber. Bayerns Behörden hätten es wohl gerne, wenn Flüchtlinge «ruhig und gelassen» auf ihre Abschiebung warteten. «Dieser Behördendenke fehlt jedoch jeglicher Realitätssinn», meinte Sprecher Stephan Dünnwald. «Selbstverständlich protestieren Flüchtlinge gegen Abschiebungen und leisten Widerstand.»

Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Nachtigall, meinte hingegen, es sei nicht hinnehmbar, wenn das Asylrecht für Aggressionen gegen die Polizei missbraucht wird. In Donauwörth sei es dem umsichtigen Vorgehen der Einsatzkräfte zu verdanken gewesen, dass es keine Verletzten gegeben habe. Die Bewohner dort hätten «regelrechte Revolten» gegen die Behörden angezettelt. «Der verstärkte Einsatz privater Sicherheitsdienste könnte hier zu einer gewissen Befriedung und damit zu einer Entlastung der Polizei beitragen», meint Nachtigall.

Bereits im Februar kam es in Donauwörth zu einem größeren Polizeieinsatz, als zahlreiche Flüchtlinge spontan mit der Eisenbahn ausreisen wollten und zum Bahnhof liefen. Die Flüchtlinge aus Gambia hatten nach Angaben der Polizei versucht, mit dem ICE auf eigene Faust nach Italien zu kommen, nachdem ihre Asylanträge abgelehnt worden waren. Beim Bahnhof versammelten sich etwa 150 Flüchtlinge, der Bahnverkehr wurde deswegen zeitweise eingestellt.

Kritiker bemängeln immer wieder, dass die Politik durch die zentrale Unterbringung von Flüchtlingen solche Zwischenfälle begünstige. Dadurch, dass Asylbewerber in großen Heimen auf engem Raum leben müssten, komme es auch verstärkt zu Gewalt. «Proteste von Flüchtlingen wie in Donauwörth sind das Ergebnis der rigiden bayerischen Lagerpolitik», betonte der Flüchtlingsrat erneut. «Große Lager» bedeuteten auch «große Probleme». Minister Herrmann meinte hingegen, die Zwischenfälle hätten nichts mit der Art der Unterbringung zu tun. (Ulf Vogler, dpa)

INFO: Zahl der Abschiebungen direkt aus dem Gefängnis steigt
Die Zahl der Abschiebungen von Straftätern direkt aus dem Gefängnis ist im vergangenen Jahr bundesweit um rund 400 auf mindestens 1147 gestiegen. Das berichtete die «Welt» am Donnerstag unter Berufung auf Informationen der Landesjustizministerien. Die größte Steigerung gab es 2017 demnach in Baden-Württemberg, wo 488 Strafgefangene aus der Haft direkt zur Abschiebung gebracht wurden. Hessen schickte den Angaben zufolge 189 Straftäter außer Landes, aus Rheinland-Pfalz waren es 122. Aus Nordrhein-Westfalen und drei weiteren Bundesländern lagen keine Informationen vor. Aus dem bayerischen Justizministerium hieß es, zur Zahl der Abschiebungen ausreisepflichtiger Gefangener lägen keine statistischen Daten vor.

Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte vor seinem Amtsantritt eine konsequentere Abschiebepraxis angekündigt. Der «Bild am Sonntag» sagte er: «Wer straffällig geworden ist, hat in unserem Land nichts verloren und muss schnellstmöglich abgeschoben worden.» (dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.