Die Flüchtlingszahlen gehen kaum zurück, und damit wächst der Unmut der Menschen über die Politik, die sich zu wirklich begrenzenden Maßnahmen nicht durchringen kann. Das schlägt sich auch in einer steigenden Zahl an Bürgerbegehren gegen den Bau neuer Asylunterkünfte nieder.
In Bayern war das im vergangenen Jahr in den Gemeinden Feldafing (Landkreis Starnberg), Zapfendorf (Landkreis Bamberg) und Markt Schwaben (Landkreis Ebersberg) der Fall. Damit entfiel ein gutes Zehntel der bundesweit rund 25 Initiativen auf den Freistaat. Selbst auf dem Höhepunkt der ersten Migrationswelle 2015 und 2016 waren es in ganz Deutschland weniger als 20 solcher Begehren pro Jahr.
Doch in allen drei genannten Fällen in Bayern scheiterte der Bürgerentscheid – trotz der genügenden Zahl an Unterschriften – an den jeweiligen Gemeinderäten. In allen Fällen begründeten diese ihre Ablehnung damit, dass eine direkte Abstimmung der Bevölkerung dazu rechtlich nicht zulässig sei.
Mehr direkte Demokratie?
Doch spielt man damit nicht erst recht der AfD in die Hände, die sich immer voll und ganz hinter diese Begehren stellt? Und wie passt das eigentlich zum parteiübergreifend formulierten Ziel von mehr direkter Demokratie im Freistaat?
In Markt Schwaben, wo die Gegner*innen der Asylunterkunft selbige in ihrem Wohnumfeld mittels Bauplanungsrecht verhindern wollten, urteilte der Gemeinderat nach rechtlicher Prüfung des Bürgerbegehrens: Das ausschließliche und gezielte Verhindern einer Unterkunft für Geflüchtete an einem Standort mittels Bauplanungsrecht sei „kein zulässiges Planungsziel“. Statt dessen, so der Gemeinderat, hätte die Bürgerinitiative eine konkrete alternative Nutzung des Geländes ins Gespräch bringen müssen.
Auch deshalb schlägt der Deutsche Städte- und Gemeindebund vor, die rechtlichen Voraussetzungen für Bürgerbegehren durch eine sogenannte Positivliste zu präzisieren. Heißt: Den Menschen konkret zu sagen, was für ein erfolgreiches Bürgerbegehren nötig ist.
Vielfach agieren die Bürgerinitiativen – denen es oft an einem versierten Rechtsbeistand mangelt – reichlich unbeholfen: Da wird gern das Baurecht ins Spiel gebracht, wenn angedachte Unterkünfte nicht genug Duschen haben oder gesagt, es gebe keine Einkaufsmöglichkeit; Vorwände also, die kaschieren sollen, dass die Leute diffuse Ängste haben: vor mehr Kriminalität, dem Sinken der Lebensqualität und dem Wertverlust der eigenen Immobilie.
In Straubing wurde im Oktober 2023 beschlossen, dass das bisherige Tanzcafé „Bienenkorb“ – es wurde vor allem von älteren Leuten genutzt – in eine Unterkunft für rund 120 Geflüchtete umgewandelt werden soll. Die Emotionen kochen deshalb hoch. Mit dem Baurecht lässt sich hier freilich kaum argumentieren. Statt dessen setzt man auf den Verweis, dass den Einheimischen eine beliebte Lokalität ersatzlos weggenommen werde.
Das Innenministerium sieht keinen Regelungsbedarf
Einen konkreten Antrag habe die Initiative noch nicht vorgelegt, berichtet Johannes Burgmayer, Sprecher der Stadtverwaltung Straubing. Derzeit laufe noch die Sammlung von Unterschriften. 7 Prozent der 40.000 Wahlberechtigten müssen unterzeichnen. Danach kann sich der Stadtrat mit der Zulässigkeit des Begehrens beschäftigen.
„Die Zulässigkeitsentscheidung bei Bürgerbegehren ist keine politische, sondern eine rein formale“, sagt Jan Renner vom Verein Mehr Demokratie in Bayern. Das Bürgerbegehren in Markt Schwaben beispielsweise sei formal zulässig. Aber die Fragestellung war materiell nicht zulässig, da laut Baurecht „für den Erlass einer Veränderungssperre die Planungsziele hinreichend konkret sein müssen.“ Darüber hinaus gab es Zweifel, ob die Entscheidung überhaupt im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde oder doch der Regierung von Oberbayern liegt, die den Mietvertrag für das Gebäude unterschrieben hatte.
Ohnehin, so Renner, seien die formalen Hürden für die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens in Bayern im Vergleich zum Rest von Deutschland gut. Im Freistaat gibt es unter anderem niedrigere Quoren und einen geringen sogenannten Negativkatalog – also wenige vom Bürgerbegehren ausgeschlossene Bereiche.
Hebeln Kommunen mit ihrer Ablehnung von Voten gegen Asylunterkünfte den Bürgerwillen aus? Das bayerische Innenministerium verneint dies. Der Katalog der von Bürgerentscheiden ausgeschlossenen Entscheidungsgegenstände sei ohnehin knapp, so das Ministerium. Ziel sei, „Bürgerentscheide in möglichst weitem Umfang zuzulassen“. Die Regelungen hätten sich in der Vergangenheit als „ausgewogen“ erwiesen.
Ob eine gegen den Willen der Mehrheit in den Ort gebaute Asylunterkunft dem gesellschaftlichen Frieden dort zuträglich ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Fakt ist: Es wird hier noch einigen Zoff geben.
(André Paul)
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