Journalisten geben Parteien ja gerne auch mal menschliche Eigenschaften: Von „Herzkammern“ ist da etwa die Rede. Im Fall der CSU galten lange Nieder- und vor allem Oberbayern als Herzkammern der Partei. Dort konnten sich die Christsozialen auf Rekordergebnisse verlassen. In Franken tat sich die langjährige Quasi-Staatspartei dagegen lange Zeit weit schwerer als in Südbayern.
Anders bei dieser Wahl: Die oberbayerische Herzkammer wurde in diesem Jahr in manchen Regionen nur mehr schlecht durchblutet. In dem neuen Wahlkreis München-Mitte etwa hat nicht einmal mehr jeder sechste Bewohner CSU gewählt. In Nordbayern kommt die Partei dagegen vielerorts noch immer deutlich über 40 Prozent.
In Unterfranken schnitt die CSU am besten ab
Noch in den 1990er-Jahren lagen in Oberbayern die Wahlergebnisse der CSU sogar noch über denen des bayerischen Durchschnitts. 1998 etwa holten die Christsozialen im bevölkerungsreichsten bayerischen Bezirk fast 55 Prozent der Stimmen und lagen in der Folge zumeist im Landesdurchschnitt – außerhalb Münchens sogar weit darüber.
Doch diesmal machte nur mehr gut ein Drittel der Oberbayern (33,9 Prozent) ihr Kreuz bei den Schwarzen. In allen anderen sechs Bezirken lag die CSU über dem Landesschnitt von 37,2 Prozent. Nirgendwo verlor man so viele Stimmen im Vergleich zu 2013 (minus 13,3 Prozent) wie in Oberbayern. Wegen der hohen Bevölkerungszahl des prosperierenden Alpenvorlands ist das für die CSU natürlich besonders bitter.
Und zu allem Überfluss verlor man mit einem Minus von 12,4 Prozent die zweitmeisten Stimmen ausgerechnet in Niederbayern. Dort waren es insbesondere Freie Wähler und AfD, die der CSU Wähler abspenstig machten, in Oberbayern vor allem die Grünen und zum Teil auch die Freien Wähler. In den beiden nördlichen Bezirken Bayerns, Unter- und Oberfranken, fielen die Stimmenverluste mit 5,9 sowie 8,7 Prozent dagegen deutlich geringer aus. In Unterfranken unweit der hessischen Grenze schnitt die CSU mit 41,4 Prozent im Bayern-Vergleich am besten ab. Im Stimmkreis Bad Kissingen votierte immerhin noch jeder zweite Wähler für die CSU – beinahe wie zu Zeiten von Franz Josef Strauß.
In den 1990er-Jahren und im vergangenen Jahrzehnt hatte das CSU-Ergebnis in Unterfranken dagegen in der Regel in etwa auf dem Niveau Oberbayerns oder sogar leicht darunter gelegen. Erst 2013 gab es eine Trendumkehr. Auch in Oberfranken, wo die SPD 1998 noch über 36 Prozent bei einer Landtagswahl erzielte, schlug sich die CSU verglichen mit den anderen Regionen diesmal recht wacker. Mit 40 Prozent schnitt die Partei in dem an Sachsen, Thüringen und Tschechien grenzenden Bezirk rund drei Prozent besser als im Landesschnitt ab. Dabei lag man dort in der Vergangenheit immer unter dem Landesschnitt – zumeist sogar sehr deutlich. In der Gemeinde Wattendorf in Oberfranken kam die Partei sogar auf fantastische rund 70 Prozent.
Soziale Wohltaten der CSU im Norden wohl attraktiver
Gut möglich, dass die sozialen Wohltaten der CSU im Vergleich zum Süden eher im ärmeren Norden Bayerns gezündet haben. In Städten wie Hof schlagen mehrere zehntausend Euro Baukindergeld beim Haus- oder Wohnungskauf stärker zu Buche als im Großraum München. Auch ist die Angst vor der Globalisierung dort höher als im wohlhabenden Süden, denn viele Industriebetriebe gingen dort seit dem Ende des Kalten Kriegs verloren.
Mancherorts in Nordbayern ist Arbeitslosigkeit noch immer ein ernstes Problem – so etwa in Schweinfurt, Hof oder Wundsiedel. Während im Süden Bayerns ein neues Gewerbegebiet vielerorts nurmehr als Verschandelung der Landschaft wahrgenommen wird, fehlen im Norden in manchen Regionen noch immer Jobs.
Fakt ist: AfD und Freie Wähler sind in Nordbayern nicht so stark verankert wie etwa in Nieder- und Oberbayern. Und die SPD wird von vielen einfachen Arbeitern nicht mehr als Partei des „kleinen Mannes“ wahrgenommen – dann doch lieber CSU, dachten da offenbar nicht wenige. „Die CSU hat die SPD in Oberfranken in einem historischen Prozess abgelöst“, sagt auch der Passauer Politik-Professor Heinrich Oberreuter.
In Unterfranken ist aus Sicht des CSU-Experten auch die Rolle von Barbara Stamm als Listenführerin auf der CSU-Liste nicht zu unterschätzen. Die äußerst populäre Vertreterin des CSU-Sozialflügels sollte in dem einst eher roten Bezirk Stimmen ziehen – „und das hat gut funktioniert“, lobt der Politikwissenschaftler in diesem Punkt die Strategie der Parteispitze. Allerdings lag der Bezirk bereits 2013 spürbar über dem Bayern-Durchschnitt.
Eine weitere Ursache für die geringeren Verluste im Norden des Freistaats könnte darin liegen, dass Bayerns Regierungschef Markus Söder Franke ist – allerdings kandidierte er in Mittelfranken. Die Strahlkraft nach Ober- und Unterfranken reicht bestenfalls als Teilerklärung für die dort relativ stabilen Ergebnisse der Christsozialen.
Gut möglich ist jedenfalls, dass die CSU mit Nordbayern bald eine dritte Herzkammer hat – eine Partei kann das anders als ein Mensch auch problemlos verkraften. (Tobias Lill)
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