Politik

Der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln ist exorbitant. (Foto: dpa/Woitas)

06.05.2022

Nudeln und Butter: teurer Luxus

Die exorbitanten Teuerungen lassen Geringverdienende verzweifeln – wie soll das weitergehen?

Lebensmittel, Sprit, Heizung, Strom – alles wird teurer: Vielen steht finanziell das Wasser jetzt schon bis zum Hals. Beim Sozialverband VdK Bayern melden sich täglich Menschen, die nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. „Eine Frau berichtete uns beispielsweise, dass sie nur noch ein Zimmer heizt“, sagt Landesgeschäftsführer Michael Pausder.

Auch beim Einkaufen greifen immer mehr Menschen nur noch bei Sonderangeboten zu. Und viele können auch nicht mehr auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung achten. „Sie kaufen nur noch das, was sie sich leisten können“, so Pausder. Außerdem gehen immer mehr Menschen zur Tafel – so Peter Zilles, Landesvorsitzender der Tafel Bayern: „Wir beobachten, dass immer mehr Familien, die letztes Jahr noch mit ihrem Geld gerade so hingekommen sind, jetzt zur Tafel gehen.“

Wer im ländlichen Raum wohnt und auf das Auto angewiesen ist, verzichtet aufgrund der hohen Spritkosten auf Besuche Nahestehender oder auf sportliche Aktivitäten wie Schwimmen und verliert dadurch an Lebensqualität. Auch deshalb wäre neben günstigerem Treibstoff ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs dringend notwendig. Denn was nützt ein 9-Euro-Ticket, wenn kein Bus fährt.

„Hier wird ganz klar versucht, die Kosten bei Ländern, Kommunen und Verkehrsunternehmen abzuladen. Wenn, wie erwartet, viele Menschen das Ticket nutzen wollen und dafür zusätzliche Züge und Busse bereitgestellt werden müssen, will der Bund das Geld dafür nicht aufbringen“, kritisiert Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU).
Unterm Strich wird das Geld, das fürs 9-Euro-Ticket gebraucht wird, beim dringend benötigten Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs in ganz Deutschland fehlen. Außer einem dreimonatigen Mitnahmeeffekt wird von diesem Ticket nämlich nicht viel bleiben. Zumal der Herbst und damit die Erkältungszeit kommt. Viele werden aus Angst vor Ansteckung Busse und Bahnen wieder meiden.

Tomaten sind um 34 Prozent teurer – kein Einzelfall

Klar ist auch, dass die bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung nicht ausreichen und viel zu spät kommen. Allein die Energiepreispauschale wird frühestens im September für Entlastung sorgen. Doch die gestiegenen Preise, die sich im April mit 7,4 Prozent Inflationsrate zeigten, belasten die Menschen seit Monaten. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) fordert zu Recht: „Kurzfristig müssen die Steuern auf Sprit und Strom gesenkt, die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer und der Heizkostenzuschuss erhöht werden.“

Allein im Lebensmittelbereich gab es enorme Preissteigerungen. So sind im April 2022 laut Bayerischem Landesamt für Statistik zum Beispiel Tomaten im Durchschnitt um 34,3 Prozent, Kartoffeln um 25,8 Prozent, Nudeln im Vergleich zum Vorjahresmonat um 24,6 Prozent, Butter um 32,8 Prozent, Vollmilch um 8,7 Prozent und Eier um 21,6 Prozent teurer geworden.

Bei den Energiepreisen ist es nicht besser. Wer seinen 50-Liter-Tank im Auto letztes Jahr noch für rund 65 Euro mit Diesel füllen konnte, muss jetzt knapp 102 Euro dafür hinlegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat darum eine Überprüfung der Branche durch das Bundeskartellamt angeordnet. Ergebnisse der Wettbewerbshüter liegen jedoch noch nicht vor.

An Forderungen nach staatlichen Hilfen mangelt es deshalb nicht: So plädiert Thomas Engelke, Teamleiter Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband, dafür, dass der Bund die Zuschüsse für die Haushalte mit geringem Einkommen erhöht. Zudem solle das Energiegeld für alle Haushalte rasch eingeführt werden. „Niemand sollte wegen der Preisexplosion bei Strom und Energie im Dunkeln sitzen oder frieren müssen“, so Engelke.

Doch genau das wird passieren, wenn der Bund nicht nachbessert. Denn gerade Rentner*innen, Geringverdienende, Menschen, die von Sozialleistungen leben, und Studierende haben nichts vom bisher beschlossenen Entlastungspaket. Besonders bitter ist, dass auch Personen, häufig Frauen, die nicht oder nur im 450-Euro-Job arbeiten, um Kinder und Pflegebedürftige versorgen zu können, leer ausgehen.

Weshalb nicht nur führende Wirtschaftsinstitute wie DIW und IW, sondern auch der VdK und Bayerns Finanzminister Füracker den Bund massiv kritisieren. Füracker fordert, die Auswirkungen der kalten Progression rückwirkend für 2022 auszugleichen.

Nötig wäre auch ein Aufschlag auf die Rente, der direkt ausgezahlt wird. Außerdem sollte die Mehrwertsteuer auf Medikamente gesenkt und die für Lebensmittel vorübergehend komplett gestrichen werden.

Ebenfalls nachverhandelt werden muss die Finanzierung der Entlastungen. Denn der Bund will von jedem Euro des Entlastungspakets nicht einmal die Hälfte aus eigener Tasche bezahlen. Allein für Bayerns Staatshaushalt bedeutet dies mehr als eine Milliarde Euro weniger Steuereinnahmen.

Doch woher soll all das Geld kommen? Bereits jetzt wurden 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr versprochen und in den beiden Pandemiejahren umfangreiche staatliche Finanzhilfen ausgereicht. Klar könnte man ganz populistisch fordern, den knapp 2900 Superreichen in Deutschland die Hälfte ihres Vermögens abzuknöpfen. Doch derlei ist schon rechtlich nicht möglich. Angesichts dieser Konstellation möchte man nicht in der Haut von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stecken.
(Ralph Schweinfurth)

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