Politik

Geschlossene Cafés (hier in Rosenheim) machen wenig Lust darauf, durch die Fußgängerzonen zu schlendern. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

13.11.2020

Null Bock aufs Shoppen

Der Einzelhandel fällt bei Corona-Hilfen durch den Rost

Wer derzeit durch Nürnbergs großes Einkaufszentrum Mercado schlendert, sieht kaum Kundschaft. Normalerweise herrscht dort hektische Betriebsamkeit. Jetzt im Teil-Lockdown gehen die Menschen nur mal schnell in den dortigen Supermarkt oder zum Elektrofachmarkt. Nicht viel besser sieht es in der örtlichen Fußgängerzone aus.

„Das ist in allen bayerischen Großstädten so“, erläutert Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. Zwischen 30 und 60 Prozent sei die Besucherfrequenz gegenüber November 2019 zurückgegangen. In Münchens Einkaufsmeile, der Kaufingerstraße, beträgt die Passantenfrequenz laut Immobilienverband Deutschland nur noch 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahresdurchschnitt.

Lediglich in Klein- und Mittelstädten wie Erding oder Pfaffenhofen an der Ilm ist die Kaufzurückhaltung nicht so dramatisch. Augsburg, Erlangen, Fürth, Ingolstadt, München, Nürnberg, Regensburg und Würzburg leiden jedoch besonders. Ausbleibende Tourismus-Gäste, nicht stattfindende Kongresse und Messen sowie abgesagte Veranstaltungen sind der Grund. All das bringt normalerweise viele Besucher in die Städte, die für Umsätze im Einzelhandel sorgen.

Und wer will schon mit Maske durch die Läden streifen?

Doch auch aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus meidet die bayerische Bevölkerung die großen Shoppingmagnete München und Nürnberg. Normalerweise ziehen die beiden Metropolen Kundschaft aus ganz Nord- beziehungsweise Südbayern an. Hinzu kommt: Wer geht schon gerne mit Maske durch die Fußgängerzone und in die Läden. Das spürt vor allem der Bekleidungs- und Schuheinzelhandel. Dieser ist bundesweit in der ersten Novemberwoche um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen. Auch dass 90 Prozent der bayerischen Weihnachtsmärkte abgesagt wurden, wirkt sich negativ auf die Kauflaune aus.

Die Hoffnungen der Händler ruhen jetzt auf dem Dezember. Traditionell beginnt das Weihnachtsgeschäft, das zwischen 20 Prozent und einem Drittel des Jahresumsatzes im Einzelhandel ausmacht, am ersten Adventwochenende. Das fällt dieses Jahr aber noch in den aktuellen Teil-Lockdown im November.

Dagegen boomt der Online-Handel. Auch ältere Menschen, die bisher dem Bestellen und Bezahlen im Internet skeptisch gegenüberstanden, haben bereits im ersten Lockdown im Frühjahr gelernt, dass Online-Shopping funktioniert. Also werden sie das wieder nutzen – zum Leidwesen der Geschäfte vor Ort.

Deshalb sieht man beim Handelsverband Bayern das Überleben von bis zu 5000 Händlern in Bayern sehr kritisch. Wie real die Pleitegefahr ist, zeigt sich an den Insolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit oder Hallhuber. Laut Kreditversicherer Euler Hermes werden noch viele folgen. Grund: Nach dem Weihnachtsgeschäft kommen die umsatzschwachen Monate von Januar bis März. Diese Saure-Gurken-Zeit übersteht nur, wer im Weihnachtsgeschäft ein Polster angelegt hat.

Während Gastronomie und Hotellerie 75 Prozent ihres Novemberumsatzes aus dem Vorjahr vom Staat erstattet bekommen, gehen die Einzelhändler leer aus. Obwohl in ihre Geschäfte fast niemand kommt. „Deshalb fordern wir auch ein Nothilfeprogramm für den Einzelhandel“, betont Ohlmann.

Der Einzelhandel ist zwar nicht in die Novemberhilfe einbezogen, aber in die sogenannte Überbrückungshilfe II. Diese hilft, Teile der Fixkosten zu tragen. Auch von der Verlängerung der Kurzarbeitergeldregelung profitiert der Einzelhandel. Was zusätzlich höchst wünschenswert wäre und wofür sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) einsetzt, ist die Verlängerung der Möglichkeit der Verrechnung der derzeitigen Verluste mit früheren Gewinnen (Verlustrückträge). Das würde Unternehmen aller Branchen, auch dem Einzelhandel, helfen.

Insbesondere für die kleineren Innenstädte hat das bayerische Wirtschaftsministerium noch während des ersten Lockdowns das Beratungsprogramm „Soforthilfe für den Handel“ für Stadtmarketingorganisationen und Einzelunternehmen aufgelegt. Das Programm läuft noch und zielt darauf, die Digitalisierung voranzutreiben. Ein Händler, der ein zweites Standbein im Internet hat, ist unabhängiger von Laufkundschaft und kann besser mit treuen Kunden Kontakt halten. In die gleiche Richtung zielt das Förderprojekt „Digitale Einkaufsstadt Bayern“, das 2020 ausgeweitet wurde.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium engagiert sich für die Innenstädte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte dazu am 20. Oktober 2020 einen Runden Tisch mit Kommunen, Unternehmen und Verbänden durchgeführt. Welche konkreten weiteren Schritte unternommen werden müssen, wird bei der nächsten Wirtschaftsministerkonferenz am 25. November 2020 entschieden. (Ralph Schweinfurth)

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