Preisschock an den Zapfsäulen: Gerade Menschen auf dem Land, die auf das Auto angewiesen sind, ächzen unter dem krassen Anstieg der Benzinpreise.
Ein gleichzeitig gut frequentierter und wirtschaftlich tragfähiger ÖPNV – das wird wohl auch auf lange Sicht eher ein Modell für urbane Regionen bleiben. Im ländlichen Raum aber braucht es dennoch dringend Alternativen zum Fahren mit dem eigenen Auto. Viele Kommunen entwickeln zwar Konzepte, stehen dann aber oft vor dem Problem: Wie lässt sich so ein Angebot langfristig finanzieren? Und wie bringt man die Menschen dazu, dass sie das Angebot auch nutzen?
In Murnau am Staffelsee zum Beispiel brachte der Gemeinderat 2020 einen bedarfsgesteuerten Bus ins Rollen; in Kooperation mit dem örtlichen Start-up Omobi (Oberlandmobilität). Die zweijährige Einführungsphase endet im Juni 2022, und wurde Ende Februar um zwölf Monate verlängert. Allerdings nur mit knapper Mehrheit, obwohl die Akzeptanz in der Bevölkerung vom ersten Tag an groß war. „Mittlerweile transportieren wir pro Monat rund 2000 Menschen im Gemeindegebiet von Murnau und den Nachbargemeinden Seehausen und Riegsee“, erklärt Clemens Deyerling, Geschäftsführer der Betreiberfirma.
Murnaus Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP) allerdings kommt nicht ganz so ins Schwärmen. Denn er beziffert die jährlichen Betriebskosten des Ortsbusses auf rund 400.000 Euro. Nach Abzug der Fahrtentgelte und der Zuschüsse durch den Freistaat Bayern (durch das Förderprogramm Mobilität im ländlichen Raum sowie die Förderung nach BayÖPNV für Linienbussysteme) sowie der Defizitbeteiligung der Nachbargemeinden verbleibt bei der Marktgemeinde ein Fehlbetrag von 89.000 Euro im aktuell laufenden zweiten Betriebsjahr. Für die kommenden drei Jahre berechnet der Bürgermeister das jährliche Defizit auf 160.000 bis 190.000 Euro – aufgrund der zurückgehenden Zuschussquote. „Finanziell sind wir an den Grenzen unserer Leistungsfähigkeit angekommen“, klagt Beuting. Gibt es nicht mehr Geld, droht Omobi wohl das Aus. Der Rathauschef sieht seine Gemeinde in ihrer Zwickmühle exemplarisch für andere Kommunen und fordert deshalb langfristige Staatszuschüsse.
Es gibt aber noch eine andere Alternative: Beim Hofer Landbus etwa bringt sich der Landkreis stark mit ein, unterstützt das Projekt finanziell und logistisch. Ebenfalls ein Pluspunkt: Der Hofer Landbus hat keinen festen Fahrplan. Wer von A nach B will, kann in einer App oder am Telefon eine entsprechende Fahrt buchen. Die Routen werden flexibel berechnet. Zur Verfügung steht der Bus täglich von 6 bis 23 Uhr, auch am Wochenende. Jede Fahrt kostet drei Euro, die durchschnittliche Wartezeit auf den Bus beträgt zehn Minuten. Das Projekt läuft in den Gemeinden Rehau und Regnitzlosau so gut, dass es nun auf weitere Kommunen ausgeweitet werden soll.
Wie beim Schuhkauf:
Ein Angebot muss passen
Auch einige andere Gemeinden zeigen sich sehr kreativ, um ihre Modelle zu etablieren. Beispielsweise beim E-Rufbus Emmi in Bad Hindelang im Landkreis Oberallgäu: „Leerfahrten werden bei uns vermieden, da die Routen immer wieder neu – je nach Bedarf – errechnet und Fahrten gebündelt werden“, erläutert Bürgermeisterin Sabine Rödel (CSU).
Eines ist indes klar: Es kann kein generelles Konzept eines ÖPNV für das gesamte Gebiet abseits der Metropolen im Freistaat geben – lokale Verhältnisse spielen die entscheidende Rolle, wenn sich der Erfolg einstellen soll. „Ein Angebot an die Bürgerschaft, das genutzt werden soll, muss auch für jeden passen – das ist wie beim Schuhkauf“, befindet Jörg Lange vom Fahrgastverband Pro Bahn. Im ländlichen Raum habe inzwischen fast jeder Volljährige ein Auto – denn Einkaufsmöglichkeiten und Schulen gebe es längst nicht mehr in jedem Ort. Mit den neuen ÖPNV-Angeboten sei es deshalb ein wenig wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel: Wird die Infrastruktur zurückgefahren, bevor diese in Betrieb gehen, wird es mit der Akzeptanz schwer – denn dann haben viele bereits dauerhaft aufs Auto umgesattelt. Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg von Mobilitätsangeboten auf dem Land aber ist und bleibt auch: eine sinnvolle Integration in ein übergeordnetes Hauptnetz von Bahnen und Bussen.
Auch mit dem besten Konzept werden Menschen auf dem Land aber wohl nicht gänzlich auf das Auto verzichten können. Dort habe man „die Wahl zwischen Autofahren und Sitzenbleiben“, betont der Mobilitätsexperte Lutz Fügener von der Hochschule Hof. „Neue Arten des öffentlichen Verkehrs – wie Sharing, fließende Grenzen zwischen öffentlichem Verkehr und Privatverkehr oder digitale Lösungen – werden die Situation zwar verbessern. Sie werden aber nie in eine neue Qualität umschlagen.“ Und doch sind diese Alternativen wichtig: Denn jede eingesparte Fahrt schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.
(André Paul)
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