Politik

In der Baubranche ist der Fachkräftemangel besonders eklatant. Doch Personal fehlt fast überall. (Foto: dpa/ Julian Stratenschulte)

03.02.2023

Personal verzweifelt gesucht

Die Zuwanderung soll’s richten – worauf es ankommt

Pflege, Handwerk, Industrie, Verwaltung – überall fehlt Personal. Aktuell sind bayernweit fast 100.000 sozialversicherungspflichtige Jobs bei der Agentur für Arbeit als offen gemeldet, in mehr als der Hälfte der Fälle beträgt die Vakanz über drei Monate. Tendenz steigend.

Es wird nur eine große Lösung helfen. Seit 2013 hat sich die Zahl der offenen Stellen in der freien Wirtschaft in Bayern mehr als verdoppelt, von knapp 40.000 auf über 97.000. Der Zeitraum, in dem Stellen vakant sind, wird ebenfalls größer. Am längsten sucht man in der Dämmungsbranche. 323 Tage betrug die Vakanz dort im Schnitt. In der gesamten Baubranche waren Ende 2022 mehr als 10.000 Stellen offen, über 7000 davon mehr als drei Monate. Auch in Fertigungstechnik, Handel und Pflege/Medizin fehlen jeweils mehr als 10.000 Kräfte weit über die Hälfte auch dort dauerhaft.

Laut dem Fachkräftemonitor der bayerischen Industrie- und Handelskammer (IHK) fehlen insgesamt 233.000 Arbeitskräfte. Die IHK schätzt, dass bis 2035 über alle Branchen hinweg fast 1,3 Millionen Stellen unbesetzt bleiben. Der Hauptgrund: Bis dahin werden die besonders geburtenstarken Jahrgänge in Rente sein und es rücken viel weniger Junge nach.

Bisher half keine Initiative

Das bayerische Wirtschaftsministerium verweist auf etliche Programme der Staatsregierung zur Fachkräftegewinnung. Im eigenen Ministerium gibt es etwa die Initiative Fachkräftesicherung + – ein Projekt, das 2018 zusammen mit der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) gestartet wurde. Im Vordergrund steht nicht ausgeschöpftes Potenzial: ältere Beschäftigte, Frauen, die gar nicht oder nur wenige Stunden arbeiten, Langzeitarbeitslose, Jugendliche ohne Berufsausbildung und Menschen mit Behinderung sollten so an die Betriebe vermittelt werden. Der dramatische Schwund an Fachkräften hat sich aber bisher mit keiner Initiative aufhalten lassen.

Die Opposition im Landtag greift das gerne auf. Albert Duin, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, fordert konkrete Maßnahmen. „Dazu gehört auch die deutliche Ausweitung der Zuwanderung nach Deutschland.“

Mit dieser Forderung ist er nicht allein. Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagt: „Wir werden den Arbeits- und Fachkräftebedarf nur sichern können, wenn wir die gezielte Zuwanderung aus Drittstaaten erhöhen und Verfahrensvoraussetzungen deutlich erleichtern.“ Auch das Wirtschaftsministerium spricht von der Öffnung des Arbeitsmarktes für weitere „gezielte Zuwanderung“.
Mehr Zuwanderung ist wohl der Schlüssel. Allerdings: Die Zuwanderung muss gesteuert werden, gebraucht werden qualifizierte Leute, die auch die Sprache beherrschen oder in der Lage sind, diese rasch zu erlernen. Schon jetzt wächst der Anteil ausländischer Beschäftigter in Bayern stetig, von 7,7 Prozent im Jahr 2007 auf 16,2 Prozent im Jahr 2021 – weit über dem Bundesdurchschnitt. 934.080 ausländische Beschäftigte gibt es mittlerweile im Freistaat.

Die meisten Zugewanderten sind derzeit nicht qualifiziert

Seit 2020 gibt es das Fachkräfteeinwanderungsgesetz des Bundes, das den Zugang von Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland erleichtern sollte. Im selben Jahr richtete der Freistaat deswegen die Zentrale Stelle für die Einwanderung von Fachkräften in Nürnberg ein, um die Ausländerbehörden bei den Anträgen zu unterstützen. Ausgereicht hat das alles nicht.
Deshalb arbeitet die Bundesregierung an einer Reform des Fachkräfteinwanderungsgesetzes. Ziel ist es, schnellere und unbürokratischere Verfahren zu ermöglichen und mit einem besseren Angebot viel mehr Beschäftigte ins Land zu holen.

Und dafür zu sorgen, dass sie bleiben. Ein Teil der mühsam im Ausland gewonnenen Fachkräfte verlässt Deutschland nämlich regelmäßig. Dass das oft mit dem Aufenthaltsrecht, der fehlenden Anerkennung beruflicher Qualifikationen sowie mit mangelnder sozialer Integration zu tun hat, belegt eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung, die im Auftrag der Agentur für Arbeit erstellt wurde.

Blick nach Kanada könnte helfen

Ein Blick nach Kanada könnte helfen. Dort gibt es seit 1967 ein Punktesystem, das den Zuzug regelt. Kriterien sind: Sprachvermögen, Qualifikation und Arbeitserfahrung. Rund ein Prozent der Bevölkerung kommt so jedes Jahr aus dem Ausland nach Kanada. So ließe sich auch der deutsche und bayerische Fachkräftemangel deutlich reduzieren.

Mit der Zuwanderung über das Asylrecht hat das freilich nichts zu tun. Die Mehrzahl der Schutzsuchenden, die derzeit zu uns kommen, könnte nicht als Fachkraft anheuern – mangels Qualifikation und Sprachkenntnissen. Laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gingen mehr als ein Viertel der Antragstellenden, die überhaupt Angaben dazu machten, zuletzt keiner geregelten Arbeit nach. Und ein großer Teil derjenigen, die eine frühere Tätigkeit nannten, wies einen unterdurchschnittlichen Bildungsgrad auf.
(Thorsten Stark)

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