Politik

11.07.2025

Pflichtkurse statt Obergrenze: Debatte um Obergrenze für Migrantenkinder an Schulen

Nach einer Äußerung der Bundesbildungsministerin diskutiert man in Deutschland über bessere Sprachförderung an Schulen – die soll flächendeckend kommen

Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) kann sich an Schulen eine Obergrenze für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund vorstellen. Gut finden das allerdings nur die AfD und Teile der Union.

Prien erklärte, eine gesteuerte Verteilung würde die Lehrkräfte an den einzelnen Schulen entlasten und bessere Lernbedingungen schaffen. Von der AfD, die eine Obergrenze schon länger fordert, und aus Teilen der Union gab es Zustimmung. Die SPD kritisierte den Vorschlag dagegen ebenso wie die Bundesschülerkonferenz und der Deutsche Lehrer- und Lehrerinnenverband. Auch weil der Migrationshintergrund – wenn also jemand selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde – nicht zwingend etwas über die Beherrschung der Sprache aussagt.

Doch vor allem wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist, gibt es einen erhöhten Sprachförderbedarf. Rund 42 Prozent aller Schulpflichtigen in Deutschland haben laut Bundesbildungsministerium einen Migrationshintergrund. Bremen (65 Prozent) und Hessen (52 Prozent) liegen über dem Bundesdurchschnitt, Thüringen (15 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (12 Prozent) deutlich darunter. 

In Bayern liegt die Quote bei 30,1 Prozent. In den allermeisten Fällen ist die Muttersprache nicht Deutsch, bei vielen Schülerinnen und Schülern gibt es Sprachdefizite. Der Anteil ist aber nun nicht in allen Landesteilen gleich. In München etwa haben mehr als die Hälfte der im vergangenen Jahr eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund. In manchen Stadtteilen ist der Anteil noch höher. Es gibt auch starke Unterschiede je nach Schultyp: Während an Bayerns Haupt- und Mittelschulen jedes zweite Kind Migrationshintergrund hat, ist es an den Gymnasien nicht einmal jedes fünfte.

Wie soll eine Obergrenze funktionieren?

Auf Anfrage verweist Prien darauf, dass man über den Tellerrand hinausblicken müsse, etwa nach Dänemark oder Kanada. In diesen Ländern gibt es zwar keine Obergrenze, wohl aber den Versuch, den Anteil durch eine gleichmäßigere Verteilung jeweils zu begrenzen. Welche Maßnahmen man einführen könnte, müsse man unaufgeregt und wissenschaftlich prüfen. Wie in Deutschland eine Obergrenze funktionieren soll, diese Antwort bleibt die Bundesministerin auf Anfrage der BSZ schuldig.

Der Bund könnte die Obergrenze ohnehin nicht beschließen, Bildung ist in Deutschland Ländersache. Dazu kommt, dass die Schulzuteilung nach Sprengeln erfolgt. Und vom Unterricht ausschließen dürfte man auch niemanden wegen seiner Herkunft.

Anna Stolz (Freie Wähler), die zuständige Ministerin in Bayern, lehnt den Vorschlag einer Obergrenze kategorisch ab. „Eine Migrationsquote an unseren Schulen ist schon organisatorisch gar nicht umsetzbar, aber darüber hinaus auch das falsche Signal“, erklärt die Kultusministerin. Schließlich gebe es auch viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die fließend Deutsch sprechen. Stolz verweist auf zahlreiche Förderprogramme des Freistaats, etwa die Einrichtung von pädagogischen Unterstützungskräften oder Schulsozialpädagogen. An Grund- und Mittelschulen werden laut Kultusministerium Klassen geteilt, sobald der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund mehr als 50 Prozent beträgt und die Klassenstärke die Zahl 25 überschreitet. Im jetzt zu Ende gehenden Schuljahr wurden zudem an Mittel-, Wirtschafts- und Realschulen sowie an Gymnasien schulartunabhängige Deutschklassen der Jahrgangsstufen fünf und sechs eingerichtet.

Neu ist auch, dass Kinder mit Sprachdefiziten, die im Schuljahr 2026/27 eingeschult werden, ab Herbst eine Vorschule mit integriertem Deutsch-Vorkurs besuchen müssen. Es handelt sich um 23 790 Kinder, die im Frühjahr bei einem erstmals durchgeführten landesweiten Sprachtest aufgefallen, man könnte auch sagen: durchgefallen, waren. Das sind immerhin gut 18 Prozent aller Kinder, die im nächsten Jahr schulpflichtig werden. Das hehre Ziel des Deutsch-Vorkurses, für den gleichermaßen Kindergärten und Schulen zuständig sind, ist, dass zum Schulstart alle Grundschulkinder dem Unterricht folgen können.

Ob das gelingt, daran hat etwa Nicole Bäumler, bildungspolitische Sprecherin der SPD im Landtag, ihre Zweifel. „Die hastige Einführung der Sprachtests war ein Schnellschuss mit chaotischen Fortbildungen und mangelnder Vorbereitung“, klagt sie. Im Vorjahr hatten noch knapp 40 000 Kinder an einem Deutsch-Vorkurs teilgenommen, freiwillig. So wurden deutlich mehr Kinder gefördert als jetzt bei der Pflichtvariante. Ute Eiling-Hütig, bildungspolitische Sprecherin der CSU-Fraktion, räumt ein, „dass beim ersten Durchgang manches noch etwas holprig lief“. Das sei aber der Dimension und der Komplexität des Unterfangens geschuldet. Auch Oskar Atzinger, bildungspolitischer Sprecher der AfD im Landtag, hält die Tests und die verpflichtenden Deutsch-Vorkurse für „absolut notwendig“. Die AfD habe diese schon lange gefordert.

Dem Beispiel Bayerns folgend, sollen nun in allen Bundesländern Sprachtests im Kindergarten erfolgen. So hatten es Union und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten. Bund und Länder sollen sich zusammensetzen, um Standards festzulegen. Deutschland müsse „im Umgang mit dem Thema Migration in unserem Bildungssystem besser werden“, findet die Bundesministerin Prien. (Thorsten Stark)

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