Politik

Die Auflagen werden immer höher, das treibt die Kosten für einen Neubau in die Höhe. Die Folge: Es wird nicht so viel gebaut. (Foto: dpa)

27.04.2018

"Plakative Ankündigungen reichen nicht"

Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstags, über Söders Regierungserklärung, den Fachkräftemangel und mangelnden Wohnraum

Bis 2025 will Markus Söder 500 000 neue Wohnungen im Freistaat bauen lassen. Ein Ziel, das weder neu ist noch unter den aktuellen Bedingungen erreicht werden kann, meint Kammerpräsident Franz Xaver Peteranderl. Vor allem eines aber bereitet Bayerns Handwerker trotz voller Auftragsbücher schlaflose Nächte: der Fachkräftemangel. Seine Lösung: ein Einwanderungsgesetz. BSZ: Herr Peteranderl, der Fachkräftemangel verschärft sich immer weiter. Markus Söder hat ein Fachkräfteprogramm angekündigt. Stimmt Sie das zuversichtlich?
Franz Xaver Peteranderl:  Wir diskutieren mit der Staatsregierung gerne, wie man Langzeitarbeitslose und Jugendliche ohne Ausbildung qualifizieren kann. Manche sind einfach nur Spätzünder. Wir müssen aber auch Menschen aus dem Ausland anwerben und haben hier vor allem Südosteuropa im Blick. Dort existiert in Grundzügen bereits ein Kammerwesen für eine duale Ausbildung vor Ort.

BSZ: Können auch Flüchtlinge eine Chance für das Handwerk sein?
Peteranderl: Ja, jeder Flüchtling, den wir in Ausbildung bringen können, hilft uns. Ist ein Flüchtling noch nicht anerkannt, muss der Betrieb bei der Ausländerbehörde die Genehmigung zur Ausbildung einholen. Bekommt er sie, kann er sich sicher sein, dass dieser Flüchtling nach der 3+2-Regelung während der dreijährigen Ausbildung und zwei Jahre lang danach nicht abgeschoben wird. Bei Problemen kontaktieren wir das bayerische Innenministerium.

BSZ: Wird die Erlaubnis für einen Ausbildungsbeginn aber nicht allzu oft abgelehnt?
Peteranderl: Ja, das Problem ist, dass zuständige Stellen manchmal unterschiedlich urteilen. In der Oberpfalz wird zum Beispiel manches anders gehandhabt als in Niederbayern. Trotzdem: Flüchtlinge bieten dem Handwerk Potenzial. In diesem Jahr verlassen 9000 junge Menschen die sogenannten Übergangsklassen, und wir haben genügend Betriebe, die Interesse an ihnen haben. Eine Lösung für den Fachkräftemangel können aber auch sie nicht sein. Langfristig brauchen wir ein Einwanderungsgesetz – und zwar nicht nur für Akademiker, sondern auch für Fachkräfte und lernwillige Menschen, wenn sie einen Arbeitsplatz haben.

BSZ: In seiner Regierungserklärung hat Söder viel Geld versprochen – auch für Digitalisierung, Wohnen und Verkehr. Sind Sie zufrieden?
Peteranderl: Dass Handwerk und Mittelstand ein eigener Punkt in seinem Zehn-Punkte-Plan sind, freut uns natürlich. Ebenso dass der Digitalbonus beibehalten wird, denn die Betriebe benötigen Unterstützung bei der Digitalisierung.

"Wir müssen den Handwerkern helfen, in der Stadt bleiben zu können"

BSZ: Gibt es Schattenseiten?
Peteranderl: Das Ziel, 500 000 Wohnungen bis 2025 bauen zu wollen, ist eine plakative Ankündigung, die nicht neu ist. Der frühere Bauminister Joachim Herrmann hat schon 2013 jährlich 70 000 neue Wohnungen gefordert – dieses Ziel wurde verfehlt. 2016 wurden in Bayern gerade einmal knapp 54 000 Wohneinheiten geschaffen.

BSZ: Was müsste die neue Bauministerin Ilse Aigner machen, um das Ziel zu erreichen?
Peteranderl: Man müsste die Auflagen, die immer höher werden, wieder eindampfen. Energieeinspar-, Schallschutz- oder Brandschutzverordnung – das alles treibt die Baukosten in die Höhe. Dazu kommen noch Kommunen, die zwei Stellplätze pro Wohnung verlangen. Dringend müssten auch die Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren verbessert werden, aber hier ist natürlich der Bund gefragt.

BSZ: Söder will mit dem Investitionsfonds „Invest daheim“ Betriebe fördern, die von der Stadt aufs Land ziehen. Eine gute Idee?
Peteranderl: Aus unserer Sicht müssten wir eher schauen, wie wir unsere Handwerker in der Stadt halten können. Weil sich Anwohner über sie beschweren, etwa über morgendliche Anlieferungen, wird es für sie dort immer schwieriger. Schlossereien in Hinterhöfen finden Sie kaum noch. Nachbarn klagen gegen den Lärm. Ich kenne einen Bäcker, der aus der Innenstadt gezogen ist, um dem Ärger auszuweichen. Jetzt ist an seinem neuen Standort ein Wohngebiet entstanden und es gibt erneut Streit wegen der Lärmemissionen des Kühlaggregates auf dem Dach. Die Lösung aber kann doch nicht sein, dass Handwerker immer noch weiter rausziehen. Dann wird auch das Problem mit dem Transport und der Nahversorgung noch größer.

"Eltern muss klar werden, dass nicht jedes Kind aufs Gymnasium muss"

BSZ: Nicht nur der Fachkräftemangel ist enorm, auch Azubis sucht das Handwerk dringend. Hat es ein Imageproblem bei jungen Leuten?
Peteranderl: Das sehe ich nicht, aber wir müssen den Stellenwert der Ausbildung noch weiter aufwerten. Entscheidend ist, dass Eltern klar wird, dass sie ihre Kinder nicht zwingend aufs Gymnasium schicken müssen. Im bayerischen Schulsystem kommt man auf vielen Wegen an die Spitze. Seit vergangenem Jahr gibt es zum Beispiel das Berufsabitur. Junge Menschen können neben der dualen Ausbildung mit Zusatzunterricht nach drei Jahren nicht nur die Gesellenprüfung, sondern auch ein fachgebundenes Abitur ablegen.

BSZ:
Vielleicht wissen aber heute viele 15- oder 16-Jährige einfach auch gar nicht, was sie werden wollen.
Peteranderl: Ich glaube, früher wussten das viele junge Menschen genauso wenig. Vor 30 oder 40 Jahren haben aber oft noch die Eltern den Beruf mitbestimmt. In meinem Betrieb haben Vater und Sohn gelernt und gearbeitet.

BSZ: Sie selbst haben sich nicht für eine Ausbildung, sondern für ein Studium entschieden.
Peteranderl: Ja, ich habe Bauingenieurwesen studiert. Einen Gesellenbrief habe ich nicht, aber als Jugendlicher viele Tätigkeiten ausgeführt, die es auf einer Baustelle zu tun gibt. Mein Vater hat mich bereits früh auf die Baustelle mitgenommen. In dem Alter, wo heute die jungen Leute eine Lehre beginnen, habe ich schon eigene Aufgaben gehabt mit zwei bis drei Leuten unter mir.
(Interview: Angelika Kahl) Foto (dpa): Der Bauunternehmer Franz Xaver Peteranderl (62) ist seit 2016 Präsident der Münchner Handwerkskammer.

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