Politik

Trumps Twitter-Politik wird Schule machen, glauben Experten. (Foto: dpa)

03.03.2017

Politik in 140 Zeichen

Donald Trumps Twitter-Stil beeinflusst auch die Art der politischen Kommunikation in Bayern

Mit einem Tweet löst der amerikanische Präsident Donald Trump diplomatische Krisen aus. So sagte der mexikanische Präsident nach einer Reihe von Provokationen auf Twitter kürzlich ein geplantes Treffen mit Trump ab. Die Medien und ihre angeblichen Fake News sind der Grund, warum sich Trump lieber direkt über das soziale Netzwerk an seine insgesamt 41,5 Millionen Follower wendet. Dort poltert er ungehemmt gegen Journalisten, die Justiz und den Rest der Welt. Mit der Wahrheit nimmt es Trump dabei meist nicht sonderlich genau.

Gleichwohl: Trumps Twitter-Politik wird Schule machen. Das jedenfalls glaubt der Diplomatic Council, ein Think Tank mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen: „Wenn der US-Präsident seine Sicht der Welt und damit die Eckpfeiler seiner Politik in einem Maße über Twitter verbreitet, wie wir das bisher sowohl in Bezug auf Häufigkeit und Deutlichkeit nicht kennen, wird dies wegweisend sein für den Politikstil in den nächsten Jahren rund um den Globus“, sagt Diplomatic-Council-Mitglied Steffen Rabus.

Ausgerechnet der 70-jährige Trump soll ein Vorbote der digitalen Politikkommunikation sein? Kanzlerin Angela Merkel hat noch nicht einmal einen eigenen Twitter-Account. „Sicherlich wird es Versuche geben, seinen Kommunikationsstil zu kopieren“, glaubt auch Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger von der Uni München. Noch aber seien die Erfolgsaussichten hierzulande aufgrund der im Vergleich geringen Verbreitung sozialer Medien niedrig. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz etwa kann bisher lediglich 357 000 Follower aufweisen.

Ein 70-Jähriger als Vorbote der digitalen Politikkommunikation?

Nach Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer suchen Nutzer auf Twitter vergeblich. Es existiert bisher nur ein Doppelgänger, der im Stile Trumps Seehofers Sicht auf Bayern veralbert („Make Bavaria great again“). Auch die Staatskanzlei ist auf Twitter nicht vertreten. Facebook habe eben die mit Abstand größte Reichweite, erklärt ein Sprecher. Pressearbeit werde allerdings auch dort vorerst nicht gemacht. „Twittern ist prima, um Bürger und Wähler zu informieren“, sagt Medienforscherin Romy Fröhlich von der Uni München. Konkrete Politik müsse an anderer Stelle erfolgen.

In den bayerischen Ministerien fällt die Twitter-Bilanz durchwachsen aus. Der einstige Twitter-König Markus Söder hat aufgrund der „deutlich höheren“ Aggressionen auf Twitter im Vergleich zu Facebook eine Pause eingelegt. Seine Tweets hatten immer wieder für Kontroversen gesorgt. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat seit Oktober 2015 177 Tweets an ihre aktuell rund 2500 Follower abgesetzt. Und Innenminister Joachim Herrmann findet zwar, dass sich auch Politiker der unmittelbaren Kommunikation stellen sollten. „Die konzeptionellen Überlegungen dazu sind jedoch noch nicht ganz abgeschlossen“, sagt er der Staatszeitung.

Durch Trump sind es jetzt auch nicht mehr nur Oppositionspolitiker, die in sozialen Netzwerken provozieren. „Darauf muss sich die Politik selbstverständlich einstellen“, meint der SPD-Landtagsabgeordnete und Internetexperte Florian Ritter. Dabei müsse aber auch darauf geachtet werden, Zusammenhänge, Hintergründe und Leitlinien besser zu erklären – und ein paar Benimmregeln einzuhalten. Bisher sind viele der Twitter-Accounts von Politikern allerdings nur eine Ansammlung von Selfies, Pressemitteilungen, Veranstaltungshinweisen und Zeitungs-Links. Auch die Kampfkandidatur um den SPD-Landesvorsitz findet nicht auf Twitter statt.

Da das Internet als Informationsquelle immer wichtiger wird, fordern die Freien Wähler, Medienkompetenz bereits im Kindesalter zu vermitteln. Die FDP in Bayern wiederum sorgt sich um eine Art „Blasenbildung“: „Was man nicht lesen oder sehen will, blendet man einfach aus“, erklärt Landeschef Albert Duin. So sähen sich Menschen nur noch in ihrer eigenen Meinung bestätigt.

Die Digital Natives, die mit Internet und Smartphone groß geworden sind, betrachten die neue Art der politischen Kommunikation hingegen als Chance. Das Diplomatic Council rechnet mit „fundamentalen Auswirkungen auf den Politikstil“, wenn die Nachwuchspolitiker in den kommenden Jahren in den Rathäusern und Parlamenten sind. „Politik kann durch die 140-Zeichen-Direktansprache näher, greifbarer und transparenter werden“, ist Eva Lettenbauer von der Jugendorganisation der Grünen in Bayern überzeugt. Politik müsse nun mal dort stattfinden, wo junge Menschen Nachrichten wahrnähmen – das würden Jüngere wohl besser zu nutzen wissen als ältere Politiker.

Allein auf das Internet sollten sich Parteien dennoch nicht verlassen. „Das Internet reicht weder als Thema noch als Kommunikationsplattform aus“, warnt Wissenschaftler Neuberger. Das zeige nicht zuletzt das Scheitern der Piratenpartei. (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Max Emanuel am 05.03.2017
    Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir.
    45 Zeichen. Und Martin Luther hatte der evangelischen Christenheit erklärt, warum der Bruch mit dem Papst in Rom unvermeidlich war. Vor 500 Jahren.

    Veni. Vidi. Vici.
    15 Zeichen. Und damit hatte Julius Caesar das wirklich Wissenswerte für seine römischen Bürger zum Gallischen Krieg beschrieben. Vor 2000 Jahren.

    Modernität ist keine Frage der Epoche oder der verfügbaren Technik, sondern eine Geisteshaltung.
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