Politik

20.09.2024

Pressefreiheit in Gefahr: Bedrohliche Entwicklung

Ein Kommentar von Tobias Lill

Was haben die linke Wochenzeitung Freitag des Spiegel-Miteigners Jakob Augstein, die rechte Junge Freiheit und die altehrwürdige Berliner Zeitung gemein? Sie alle stehen auf einer Liste des bayerischen Verfassungsschutzes. Nun findet sich niemand gerne in einer Aufzählung eines Geheimdiensts wieder – und erst recht nicht in dieser: Denn die drei und rund ein Dutzend weiterer Medien haben dem Verfassungsschutz zufolge eines gemeinsam: Sie passen „anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ“. In einem Bericht über Desinformationskampagnen des Kremls zeigt die Behörde auf, wie Moskau Doppelgängerseiten unterstützt. Diese sehen aus wie echte Nachrichtenseiten, verbreiten jedoch Propaganda-Artikel. Eine beunruhigende Erkenntnis.

Aber der Bericht des Verfassungsschutzes ist auch ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit. Unter der Kategorie „Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten“ werden Seiten gelistet, deren Berichte angeblich öfter von „Doppelgängern“ aufgegriffen werden, um deren Reichweite zu erhöhen.

Doch was können Medien dafür, wenn ihre Artikel von anderen verbreitet werden. Vertritt eine Zeitung, die die Flüchtlingspolitik der Ampel kritisiert, automatisch das Narrativ der AfD, zumal dann, wenn deren Mitglieder Artikel von ihr teilen? Wohl kaum. Und wenn Medien Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew befürworten, muss man diese Meinung nicht teilen. Aber sie ist von der grundgesetzlichen Pressefreiheit glasklar gedeckt. Es geht den Verfassungsschutz nichts an, wie Medien berichten.

Offenbar hat man dies nun auch in München verstanden – der Bericht wurde entschärft. Doch der Schaden für die betroffenen Medien dürfte enorm sein, denn aus dem Originalbericht wurde in den sozialen Medien bereits fleißig zitiert. Die aufgelisteten Medien gelten manchen nun als eine Art fünfte Kolonne Moskaus. Kaum jemand abonniert gern eine vermeintliche Prawda, inseriert dort Anzeigen oder gibt dort Interviews.

Immer wieder haben staatliche Akteure zuletzt zwischen guten und schlechten Medien unterschieden – eine fatale Entwicklung. Denn es ist auch die Presse- und Meinungsfreiheit, die Deutschland von Autokratien wie Russland unterscheidet.

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