Politik

Kinderarbeit beschränkt sich nicht auf den Rohstoffabbau oder die Herstellung von Textilien. Der Großteil der weltweit rund 150 Millionen arbeitenden Kinder, nämlich 71 Prozent, sind in der Landwirtschaft tätig. (Foto: dpa)

08.12.2017

Private Initiativen reichen nicht

Kinderarbeit ist weit verbreitet – warum ein Verbot allein nicht reicht und wo man noch unbesorgt einkaufen kann

Billige T-Shirts, Turnschuhe, Kakao oder Bodenschätze aller Art: Viel zu selten fragen wir uns, unter welchen Umständen Dinge des täglichen Bedarfs eigentlich produziert werden. Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen gerade in Schwellenländern oft alles andere als gut. Und häufig werden die Waren noch dazu von Kindern mithergestellt.

So wirft Amnesty International den deutschen Automobilherstellern vor, Kinderarbeit zu dulden. Gerade für die Energiespeicher in E-Autos steigt der Bedarf an Kobalt. Doch in den Kobaltwerken im Kongo riskieren schon Kinder ab sieben Jahren ihre Gesundheit und ihr Leben, kritisiert die Menschenrechtsorganisation.

Aber Kinderarbeit beschränkt sich nicht auf den Rohstoffabbau oder die Herstellung von Textilien. Der Großteil der weltweit rund 150 Millionen arbeitenden Kinder, nämlich 71 Prozent, sind in der Landwirtschaft tätig. Das belegen Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO – International Labour Organization), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf. Etwa 17 Prozent von ihnen seien im Dienstleistungssektor und zwölf Prozent in der Industrie tätig. Zirka 70 Millionen dieser Kinder, also etwa die Hälfte aller Kinderarbeiter, schuften laut ILO unter ausbeuterischen, oft gesundheitsschädlichen und gefährlichen Bedingungen. Nur etwa ein Fünftel der arbeitenden Kinder erhalte überhaupt Lohn dafür.

Doch woran erkennt man, ob Kinder daran beteiligt sind, bestimmte Produkte herzustellen? Als Verbraucher kann man sich an den Siegeln SA 8000, ÖKO-TEX Made in Green, Naturtextil IVN BEST, GOTS – Global Organic Textile Standard und Fair Wear Foundation – FWF orientieren.
Doch das genügt laut Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) aus Berlin nicht. „Der vbzv fordert für alle Branchen klare und verbindliche staatliche Kriterien dafür, was unter sozial und ökologisch verantwortungsvoller Produktion zu verstehen ist“, so eine Sprecherin.

Kinderarbeit bis 2025 abschaffen


Auch Eberhard Sasse, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), fordert mehr Engagement beim Kampf gegen Kinderarbeit. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern seien Kooperationen mit den nationalen Regierungen unerlässlich. „Nur so können wir eine Stärkung der Zivilgesellschaft erreichen und damit auch den sozialen Schutz und die Sicherheit zum Beispiel von Kindern verbessern“, so Sasse.

Beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt man auf ebendiese Strategie. „Wir fördern gezielt die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards in globalen Lieferketten“, sagt ein BMZ-Sprecher der Staatszeitung. So bemühe man sich zum Beispiel im „Forum Nachhaltiger Kakao“ und im „Bündnis für nachhaltige Textilien“ darum, Kinderarbeit weiter zu reduzieren.

Bis 2025 will die ILO die Kinderarbeit abschaffen. Doch das wird schwierig. Auf der kürzlich zu Ende gegangenen IV. Weltkonferenz zur nachhaltigen Beseitigung der Kinderarbeit mit Vertretern aus 193 Ländern in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires hieß es in der Abschlusserklärung: Das für 2016 angesetzte Ziel der Abschaffung der schwersten Formen der Kinderarbeit sei nicht erreicht und der Abbau der Kinderarbeit in den vergangenen Jahren langsamer geworden.

Unangekündigte Kontrollen


Zumindest die Modelabels C&A, Esprit, Kik und Takko haben jegliche Form von Kinderarbeit in ihrer gesamten Lieferkette verboten. Entsprechende Kontrollen und bei Verstößen auch Sanktionen bis hin zur Kündigung der Geschäftsbeziehungen sind in den jeweiligen Verhaltenscodices der Unternehmen festgelegt. Überraschende Kontrollen scheinen aber eher selten zu sein. Ein Unternehmenssprecher von Kik betont: „Diese führen wir nur noch unangekündigt durch, so dass wir einen realistischen Eindruck von den Arbeitsbedingungen erhalten.“ Der schwedische Modekonzern H&M ließ eine Anfrage der Staatszeitung unbeantwortet.

Würden alle Eltern, egal wo auf der Welt, für ihre Arbeit faire Löhne erhalten, könnten sie für ihre Familien ein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften. Doch davon ist man noch weit entfernt. Darum sagt Manfred Liebel vom gemeinnützigen Vereins ProNATS e.V. aus Berlin, der sich für die Rechte insbesondere von arbeitenden Kindern weltweit einsetz: „Ein generelles Verbot von Kinderarbeit, wie es vor allem die ILO verfolgt, dient nicht dazu, arbeitende Kinder zu schützen, sondern macht ihre Arbeit illegal und vergrößert in der Regel ihre Not.“

All das zeigt, was eigentlich nötig ist: Die Politik muss international viel entschiedener gegen Kinderarbeit vorgehen. Fairer Handel darf nicht nur privaten Initiativen überlassen werden. Vor allem spontane Kontrollen sind essentiell, damit sich nicht irgendwo wieder Schlupflöcher auftun.

Doch bis das Realität wird, sollten Unternehmen dem Beispiel des Modeherstellers Hessnatur folgen. Dieser ist 2005 als erstes deutsches Mitglied der unabhängigen Fair Wear Foundation (FWF) beigetreten. Die FWF betreibt im Kampf gegen Kinderarbeit eine Beschwerde-Hotline. Die Telefonnummer sowie Informationen zur Hotline hängen in allen Partnerbetrieben von Hessnatur in Landessprache aus. Mit Erfolg: „2017 erhielten wir einen Anruf zu diesem Thema – ein Verdacht, der sich jedoch nicht bestätigte.“ In den Jahren davor, erklärt eine Unternehmenssprecherin, „gab es keinen einzigen Fall“.
(Ralph Schweinfurth)

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