Politik

Ein Segelboot auf dem Starnberger See. Manche Gemeinden, gerade im reichen Oberbayern, profitierten stark von Corona-Bundesmitteln. (Foto: dpa/Felix Hörhager)

09.07.2021

Reiches Bayern

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung ergibt: Der Freistaat ist vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen

Corona hat die Städte und Gemeinden mit voller Wucht getroffen. Gleichwohl kamen einige besser durch die Pandemie. Welche Bundesländer hier noch am besten wegkamen, hat die Bertelsmann Stiftung untersucht. Ergeb- nis: Auch in Bayern ist die Lage angespannt. Aber in keinem Bundesland kamen die Kommunen so gut durch die Pandemie wie im Freistaat, nirgendwo stehen die Chancen zur Erholung so gut.

Zwar brach hierzulande die Gewerbesteuer um fast eine Milliarde Euro ein, es entstanden hohe Mehrkosten in der Pandemie-Bekämpfung. Auch bei der Einkommensteuer und den kommunalen Gebühren traten Verluste von einer halben Milliarde Euro auf. Allerdings traf der Rückgang der Gewerbesteuer vor allem Städte, denen es vor Corona gut ging. „München verzeichnete ein Defizit von einer halben Milliarde Euro“, so René Geißler, Mitautor der Studie.

Doch durch ein „historisches Hilfspaket“ vom Bund und Freistaat konnten flächendeckende Haushaltsnöte abgewendet werde“. Abgeschirmt von finanziellen Schäden konnten die Kommunen ihre Investitionen weiter aufstocken. Die Hartz-IV-Ausgaben stiegen zwar an, liegen aber im Ländervergleich auf dem geringsten Niveau. Positiv: die mit 15 Milliarden Euro sehr hohen Rücklagen bayerischer Kommunen.

Die Investitionen im Freistaat erreichten ein neues Hoch von fast zwölf Milliarden Euro. Je Einwohner liegen die bayerischen Kommunen damit seit Jahren an der Spitze der Länder und investieren dreimal mehr als Kommunen im Saarland. „Investitionen in die Infrastruktur heute sind die Wirtschaftskraft von morgen. Bayern setzt sich weiter vom Durchschnitt ab“, so Kirsten Witte von der Bertelsmann Stiftung.

Und trotz des wirtschaftlichen Rückgangs sind die Ausgaben der bayerischen Kommunen für die Arbeitslosigkeit nur wenig gestiegen. Im Ländervergleich ist die Belastung aus Hartz IV im Freistaat seit jeher am geringsten und beträgt je Einwohner nur ein Drittel des Niveaus in Nordrhein-Westfalen.

Kommunen entschulden? Braucht’s nicht, sagen die FW

Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) als Präsident des Deutschen Städtetags kommt angesichts des Berichts zu düsteren Prognosen: „Die Nachbeben der Corona-Pandemie drohen in den Städten großen Schaden anzurichten. Bund und Länder müssen noch einmal die Gewerbesteuerausfälle ausgleichen.“

Die Frage ist nur, ob das für den Bund verfassungsrechtlich zulässig wäre. Dass dieser den Kommunen unter die Arme greifen konnte, war nur dank einer Aussetzung des Artikels im Grundgesetz (GG) möglich. Dort steht, dass für das Wohl der Städte die jeweiligen Bundesländer zuständig sind.

Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) beweist derweil, dass er mit dem aktuellen kommunalen Finanzausgleich (FAG) auf dem Rekordniveau von 10,4 Milliarden Euro plus zusätzliche Mittel für Investitionen in Höhe von 400 Millionen Euro klotzen und nicht kleckern möchte.

Der großzügige FAG hat schon in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass Bayerns Städte nahezu keine Kassenkredite – das sind kurzfristige Kreditaufnahmen, um überhaupt noch die verpflichtenden Leistungen bezahlen zu können – aufnehmen mussten. In Nordrhein-Westfalen dagegen haben sich diese Kassenkredite inzwischen auf rund 20 Milliarden Euro summiert.

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will mit Bundesmitteln die Kassenkredite begleichen, um die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen. Dagegen laufen die Staatsregierung und die kommunalen Spitzenverbände im Freistaat Sturm. Das sollten gefälligst – siehe den erwähnten GG-Artikel – die jeweiligen Länder übernehmen. Keine der großen Parteien bringt der Plan von Scholz so in die Bredouille wie die Bayern-SPD. Die CSU hat in anderen Ländern keine Ambitionen, die Grünen stellen vergleichsweise wenige Bürgermeister.

Wohl aber die SPD. Und deren kommunalpolitischer Sprecher im Landtag, Klaus Adelt, findet den Plan von Scholz richtig. Solidarität müsse sein. Nicht alle seine Parteifreunde in Bayerns Rathäusern teilen seine Einschätzung.

Adelt betont: Manche Gemeinden – gerade im reichen Oberbayern – hätten von Bundesmitteln stark profitiert. „Der Bund hat allen gleich stark die Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge ersetzt. Aber viele der Empfänger, etwa Freising oder Miesbach, stehen wirtschaftlich sehr gut da. Es profitieren also jene Gemeinden, die eben nicht sozial gebeutelt sind.“ Überhaupt helfe der Freistaat zwar den schwächeren Städten – unternehme aber kaum etwas, damit sich die Schere zu den reicheren Orten langfristig verkleinere.

Und weil auch Adelt sich sicher ist, dass es nicht erneut zu einer Aussetzung des Grundgesetzes kommt, „muss der Freistaat einen Rettungsschirm für seine schlechter gestellten Kommunen aufspannen“. Eine konkrete Summe mag er nicht nennen. Die Finanzierung der Kommunen gehöre jedenfalls auf ein „überarbeitetes Fundament“ gestellt. Möglich wäre hier nur ein höherer Anteil an der Einkommensteuer – auch wenn Adelt das so nicht explizit fordert.

Dagegen sehen die Freien Wähler für einen Rettungsschirm des Freistaats keine Notwendigkeit. Sinnvoller, sagt FW-Fraktionsvize Bernhard Pohl, sei punktuelle Hilfe. Er verweist etwa auf die Zahlungen des Freistaats an die Kommunen beim Digitalpakt. Im Übrigen glaubt er anders als Adelt nicht, dass der Bund den Kommunen nicht erneut unter die Arme greifen werde. „Die Pandemie dauert ja noch an, also sind die Voraussetzungen für die Aussetzung der entsprechenden Regelung im Grundgesetz weiterhin gegeben.“

Als „wirklich dreist“ bewertet der FWler die Forderung des Sozialdemokraten, der Bund möge Städte mit Kassenkrediten entschulden. Für Pleite-Kommunen in Nordrhein-Westfalen sei die Regierung in Düsseldorf zuständig – nicht die in München.
(André Paul)

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