Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat sich für eine Aufhebung aller Corona-Einschränkungen ausgesprochen, sobald alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot bekommen haben. "Damit ist im Laufe des August zu rechnen", sagte Maas der Deutschen Presse-Agentur und der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot haben, gibt es rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für irgendeine Einschränkung."
Für den Vorstoß bekam Maas viel Zustimmung aus der Union und der FDP. Zuvor hatte sich schon der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, so ähnlich wie Maas geäußert. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov befürwortet eine knappe Mehrheit der Deutschen eine Aufhebung aller Corona-Maßnahmen für vollständig Geimpfte ab September.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat versprochen, dass bis zum 21. September alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot erhalten. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht inzwischen sogar davon aus, dass das schon Ende Juli der Fall sein kann.
Der frühere Justizminister Maas hatte bereits im Januar kurz nach dem Start der Impfkampagne für eine Aufhebung von Beschränkungen für Geimpfte geworben. Dafür musste er damals noch viel Kritik einstecken, weil nicht klar war, ob Geimpfte das Virus weiter verbreiten können. Mittlerweile ist klar, dass die Impfung das Risiko einer Virusübertragung zwar stark vermindert, aber es kann trotzdem zu Ansteckungen kommen.
Auch Unions-Politiker sind für die Aufhebung der Schutzmaßnahmen
Der KBV-Vorsitzende Gassen hatte die Diskussion über Lockerungen am Montag wieder in Gang gebracht. "Spätestens im September wird für jeden Impf-Willigen ein Impfangebot verfügbar sein, dann müssen eigentlich nahezu alle Corona-Maßnahmen weg", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Jeder kann dann immer noch individuell entscheiden, ob er oder sie weiter Maske tragen will - Pflicht sollte es dann aber nicht mehr sein."
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zeigt sich offen dafür. Wenn genügend Impfstoff zur Verfügung stehe, müsse man auch wieder "zu einer neuen Normalität zurückkehren", erklärte er. Ungeimpfte könnten dann zunehmend weniger erwarten, dass die Gesellschaft an Maßnahmen festhalte, um auch diejenigen zu schützen, "die sich nicht haben impfen lassen". Ähnlich äußerten sich weitere Unions-Politiker. "Die Aufhebung von Schutzmaßnahmen ist verfassungsrechtlich zwingend", sagte beispielsweise der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak.
Auch der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, forderte: "Die Bundesregierung muss den Menschen verbindlich sagen, wann und wie sie ihre Freiheitsrechte zurückbekommen. Das ist der beste Turbo gegen Impfmüdigkeit!"
Gegen eine generelle Befreiung von den Einschränkungen sprach sich in der "Welt" die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche aus. Die Aufrechterhaltung der Einschränkungen müsse sich an der aktuellen Corona-Situation orientieren, und in diesem Zusammenhang sei die Delta-Variante "besorgniserregend".
In der am Dienstag veröffentlichen YouGov-Umfrage sprachen sich 51 Prozent für eine Aufhebung der Corona-Auflagen für Geimpfte aus, 39 Prozent lehnten das ab, 11 Prozent machten keine Angaben.
(Michael Fischer, dpa)
Ex-Ethikrat-Vorsitzender kritisiert Maas für Vorstoß zu Maßnahmenende
Der Erlanger Theologieprofessor und frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, kritisiert Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) für dessen Äußerungen zum Ende der Corona-Maßnahmen. Er sei "fassungslos" gewesen, als er gehört habe, dass Maas sich für eine baldige Aufhebung aller Corona-Einschränkungen ausgesprochen habe, wenn voraussichtlich im August alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot bekommen hätten, sagte er am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.
"Ich verstehe einfach nicht, wie man eine Aussage tätigen kann und sagen kann: Wir haben für alle Menschen ein Impfangebot." Dabei würden zehn Millionen Menschen, die nicht geimpft werden könnten, vergessen, sagte Dabrock mit Blick auf die Kinder. Gerade sie müssten von der Gesellschaft geschützt werden.
Dabrock plädierte für eine Beibehaltung gewisser Maßnahmen. "Wir müssten eigentlich Masken tragen, auf denen draufsteht: Für die Kinder aus Solidarität für die junge Generation." Man sollte die Maske nach seinen Worten nicht "als Fetisch behandeln" und an ihr nicht die Einschränkungen bürgerlicher Freiheit festmachen.
"Es darf nicht nochmal ein zweites Katastrophenschuljahr geben", betonte der ehemalige Ethikrat-Vorsitzende. Er erwarte, dass die Politik trotz Wahlkampf und Sommerpause erkenne: "Wir haben unsere Hausaufgaben bisher nicht gemacht. Es ist nichts vorbereitet für das neue Schuljahr."
Dabrock kritisierte dabei exemplarisch den Umgang mit Luftfiltern. Hier sehe es "desaströs" aus, die Verantwortung werde von der Bundeskanzlerin über die Länder an die Kommunen weitergeschoben. "Und wer leidet am Ende? Es sind die Kinder." Wenn bis zur Bundestagswahl hier nichts getan werde, werde es eine "erhebliche Quittung" geben.
(dpa)
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