Politik

Volles Haus bei der CSU beim Politischen Aschermittwoch. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

06.03.2019

Scharfe Zungen und platte Polemik

Der politische Aschermittwoch dreht sich heuer nicht nur um Bayern und den Bund, sondern auch um Europa. Dabei gab es gut gezielte Pointen - und platte Polemik. Die besten Sprüche

Mit klaren Bekenntnissen zu Europa haben sich die traditionellen Parteien beim politischen Aschermittwoch für den EU-Wahlkampf warmgelaufen. Scharfe innenpolitische Attacken galten bei den rhetorischen Fernduellen in mehreren Orten Niederbayerns der AfD. Tausende Menschen reisten auch in diesem Jahr zu den Redeschlachten, die auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken.

Knapp drei Monate vor der Europawahl warnte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder gleich zu Beginn seiner Rede in Passau vor den Gefahren, die der EU derzeit drohten. "Bei aller Kritik im Detail: Ich bin nicht bereit, wir sind nicht bereit, Europa Nationalisten, Populisten oder Extremisten zu überlassen. Das ist unser Europa der Freiheit, und dafür kämpfen wir!"

Gemäßigte Mitglieder der AfD rief Söder vor mehreren tausend Anhängern zum Austritt auf. "Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD." Die AfD sei keine Partei der vereinsamten Konservativen. Insbesondere der Flügel um den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke sei klar auf dem Weg ins Rechtsextreme.

Bei der Zuwanderung versprach Söder der Schwesterpartei CSU, nach dem großen Krach in der Vergangenheit künftig eng zusammenzuarbeiten. Zudem appellierte er an den Bund, die Städte und Gemeinden bei den Integrationskosten nicht allein zu lassen. Zwar funktioniere die Migration im Moment besser als gedacht. Doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) denke darüber nach, die Ausgaben für die Integration zu senken. Söders Forderung: "Wir brauchen einen nationalen Integrationsplan, damit Städte und Kommunen darauf nicht sitzenbleiben."

Interessant ist, was Weber nicht anspricht

Auch die Grünen, die in Bayern inzwischen die zweitstärkste Kraft sind, watschte Söder - unrasiert und ohne Krawatte - ab. Eine Zusammenarbeit schloss er wegen Differenzen in der Flüchtlingspolitik auf absehbare Zeit aus. Die SPD warnte Söder, mit unrealistischen Reformplänen die Zukunft der Bundesregierung zu gefährden. Dabei wiederholte er seine Ablehnung für die Pläne der SPD zur Grundsteuer und zur Grundrente und unterstrich seine Forderung nach einem vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags.

Mit ruhigeren Tönen trat zuvor Manfred Weber auf. Seinetwegen waren rund 40 internationale Medien nach Passau gereist. Der Grund: Weber ist nicht nur CSU-Vize, sondern auch der gemeinsame Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl. Erstmals in der Geschichte der CSU-Traditionsveranstaltung wurden daher die Reden simultan ins Englische übersetzt.

Der sachorientierte Politiker spannte in seiner Rede den großen Bogen, von den Ursprüngen der EU bis zu aktuellen Entwicklungen. US-Präsident Donald Trump drohte er mit spürbarem Gegenwind für den Fall, dass dieser tatsächlich Strafzölle auf deutsche Fahrzeuge einführe. "Wir lassen uns als Europäer nicht erpressen."

Interessant war, was Weber nicht ansprach: Den aktuellen, hoch brisanten Konflikt innerhalb der EVP. Am 20. März könnte der Vorstand der Europäischen Volkspartei die ungarische Regierungspartei Fidesz ausschließen, nachdem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban den Bogen mit seiner aktuellen Anti-Brüssel-Kampagne offenbar endgültig überspannt hat. Kritiker werfen ihm schon lange vor, in Ungarn Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen, kritische Medien zum Schweigen zu bringen und die Opposition durch Repressalien zu schwächen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley von der SPD warf der CSU Versagen im Umgang mit Fidesz vor. "Wer Viktor Orban so lange so hofiert hat, wie das die CSU getan hat, ihn immer wieder auf ihre Parteitage eingeladen hat, so jemand will kein funktionierendes Europa, das auf einem solidarischen Geben und Nehmen beruht", sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl in Vilshofen, dem Geburtsort des politischen Aschermittwochs.

Grüne freuen sich auf Söder in Jesuslatschen

Orban sei in der EVP, die längst "linke Politik" mache, nicht mehr zu Hause, kommentierte AfD-Chef Jörg Meuthen in Osterhofen und betonte: "Ich würde ihm den roten Teppich ausrollen." Er und andere AfD-Redner holten zum verbalen Rundumschlag gegen alle anderen Parteien, Medien, Kirchen, den Verfassungsschutz, die EU und demonstrierende Schüler aus. Dabei schreckte der niederbayerische AfD-Bezirkschef Stephan Protschka auch vor persönlichen Angriffen nicht zurück. So bezeichnete er die erst 16 Jahre alte schwedische Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg als "autistische Greta".

"Europa ist zu wichtig, um es den Populisten zu überlassen", betonte die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nicola Beer, in Dingolfing. "Egal ob von rechts oder von links." Auch die Linke in Person des ehemaligen Parteivorsitzende Klaus Ernst forderte in Passau ein solidarisches, starkes Europa.

Die Freien Wähler griffen in erster Linie die Opposition im bayerischen Landtag an. "Rot, Grün und Gelb - was Ihr in den letzten 50 Jahren in Bayern bewegt habt, das haben wir in den ersten drei Wochen unserer Regierungsbeteiligung erledigt", sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in Deggendorf.

Die Grünen nutzten den Aschermittwoch ebenfalls zu landespolitischen Attacken und warfen der CSU Scheinheiligkeit in der Klima- und Umweltpolitik vor. So sagte die Chefin der bayerischen Landtags-Grünen, Katharina Schulze, mit Blick auf Söder: "Ich warte ja nur darauf, dass er irgendwann pressewirksam in Latzhose, Jesuslatschen und mit Jutebeutel in die Staatskanzlei marschiert."
Die Fernduelle der Parteien finden traditionell nahezu zeitgleich statt. Ausnahme ist CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die - wie in den Vorjahren Kanzlerin Angela Merkel - am Abend im mecklenburgischen Demmin auftritt.

Der politische Aschermittwoch feiert in diesem Jahr seinen 100. Jahrestag: 1919 hatte der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts im niederbayerischen Vilshofen erstmals zu einer Kundgebung geladen - das Politspektakel war geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, bevor die CSU und auch alle anderen Parteien folgten.
(dpa)

Die besten Sprüche:

"Kehrt zurück und lasst die Nazis alleine in der AfD."
(Der CSU-Vorsitzende Markus Söder gemäßigte Mitglieder der AfD zum Austrit)

"Es gibt eine neue Linie der CDU, die die alte der CSU ist."
(Markus Söder über die Zuwanderungspolitik der Schwesterparte)

 „Ich hätte so gern für FJS während Latein demonstriert.“
(Markus Söders Kommentar zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen)

"So lässig wie der sind wir schon lange. Nur wächst bei uns mehr, das ist der Unterschied."
(Markus Söder über Grünen-Chef Robert Habeck und den Bartwuchs der beiden.)

"Euer Franz-Josef Strauß hat 35 Jahre lang gesprochen, da haben wir noch lang hin." (Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger zur Kritik aus der CSU, dass seit Jahren immer nur er als Parteichef im Mittelpunkt seiner Partei stehe) 

"Rot, Grün und Gelb - was Ihr in den letzten 50 Jahren in Bayern bewegt habt, das haben wir in den ersten drei Wochen unserer Regierungsbeteiligung erledigt."
(Hubert Aiwanger über die Opposition im Landtag)

"Geht nach Hause. Ihr habt es nicht kapiert."
(Hubert Aiwanger zur SPD-Politik in der großen Koalition)

"Ich warte ja nur darauf, dass er irgendwann pressewirksam in Latzhose, Jesuslatschen und mit Jutebeutel in die Staatskanzlei marschiert."
(Die Chefin der bayerischen Landtags-Grünen, Katharina Schulze, über Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Umweltpolitik)

"Die CSU ergrünt, ohne zu erröten."
(Die bayerische Europa-Spitzenkandidatin der Grünen, Henrike Hahn, über die Umweltpolitik der CSU)

"So ganz plötzlich wird die CSU zur Europa-, zur Klima- und zur Umwelt-Partei. Ja, wer's glaubt. Eher werden alle Muslima in Bayern zu katholischen Pfarrerinnen."
(Henrike Hahn über die Politik der CSU)

"Hat er gesagt: Wir müssen wieder auf die helle Seite der Macht kommen. Ja, wenn er auf die helle Seite der Macht kommen will, wo steht er denn dann?"
(Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, über Markus Söder)

"Für die Grünen aber sind die sechs Wochen Fastenzeit ein Vorbild für das ganze Jahr. So wollen sie es gerne haben. Nach Lust und Laune verbieten - alles, was Spaß macht."
(Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nicola Beer, über die Grünen)

"Die Wirtschaftspolitik in Bayern bräuchte ein Update. Bekommen hat sie Hubert Aiwanger. Der tingelt jetzt durch die Lande und verteilt Förderbescheide für Wirtshäuser im ländlichen Raum. (...) Aber wir stehen vor so großen Herausforderungen, als Land, als Volkswirtschaft. Da reicht ein Wirtshausminister nicht aus."
(Der Fraktionschef der bayerischen FDP, Martin Hagen, über Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und das Gaststätten-Modernisierungsprogramm)

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