Politik

Zutritt nur für Geimpfte und Genesene: Geschäft in der Münchner Innenstadt. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

14.01.2022

Schnittblumen ja, Eheringe nein?

2G im Einzelhandel: Was zum täglichen Bedarf gehört, ist reine Auslegungssache – nicht nur deshalb ergibt die Regel keinen Sinn

„Totaler Schrott!“ Für den Handelsverband Bayern ist klar: Die 2G-Regel für den Einzelhandel muss weg. Weil der Handel kein Pandemietreiber sei. „Anders als in der Gastro gibt es hier eine FFP2-Maskenpflicht und die Aufenthaltszeit ist viel kürzer“, betont Verbandssprecher Bernd Ohlmann. Außerdem stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) zu Spielwaren- und Bekleidungsgeschäften im Dezember klar: Obwohl sie in der Positivliste der Verordnung der Staatsregierung nicht ausdrücklich aufgezählt wurden, fallen auch sie unter die Kategorie „Deckung des täglichen Bedarfs“. Die Geschäfte kontrollierten 2G also völlig unnötig.

Was bedeutet also täglicher Bedarf? „Das kann Ihnen niemand konkret sagen“, betont der Wasserburger Rechtsanwalt Stefan Theurer, der das Normenkontrollverfahren zu den Spielzeugläden angestrengt hatte. „Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der ausgelegt werden muss.“ Mit ihrer Positivliste, auf der Baumärkte und Blumenläden stehen, habe die Staatsregierung den Maßstab so niedrig angesetzt, dass nun praktisch alles darunter fallen könne. „Der VGH führt aus, dass der Begriff des täglichen Bedarfs so auszulegen ist, dass weder täglich jeden Tag meint, noch Bedarf etwas Zwingendes“, erläutert Theurer. „Vielmehr ist er so zu verstehen, dass es um etwas geht, das täglich eintreten kann und als Bedarf der Wichtigkeit etwa des Blumenkaufs entspricht.“ Beispiel Juweliere: Ist der Kauf eines Eherings weniger dringlich als der von Blumen, wenn die Hochzeit ansteht? Und was ist mit dem Erwerb eines Kühlschranks, wenn der alte kaputt ist? „Ich bin mir relativ sicher, eine gerichtliche Überprüfung würde zugunsten der Elektrogeschäfte ausgehen“, so Theurer.

Wirtschaftsministerium: "Handel war nie Infektionstreiber"

Klage eingereicht hat MediaMarkt-Saturn zwar noch nicht – seine Märkte in Bayern aber setzten die 2G-Regel nach den VGH-Entscheidungen aus. „Aus unserer Sicht zählen auch Elektronikprodukte und die dazugehörigen Services zur Grundversorgung“, so ein Unternehmenssprecher. Aktuell allerdings gilt in den meisten Läden von MediamarktSaturn die 2G-Regel wieder. Wohl auch, weil das Kreisverwaltungsreferat München bereits Märkten in der Stadt ein Bußgeldverfahren angedroht hat. Die Behörde beruft sich auf das bayerische Gesundheitsministerium, das nach den VGH-Entscheidungen seine Positivliste zwar um Bekleidungs- und Spielwarengeschäfte erweitert hat, Elektromärkte aber weiterhin nicht zum täglichen Bedarf zählt. Und Kreisverwaltungsbehörden anhält, sich an seine Liste zu halten, obwohl der VGH schreibt, dass diese „ausdrücklich eine nicht abschließende Auflistung“ sei. Für Anwalt Theurer ein Unding. „Die Behörden legen hier die Verordnung falsch als abschließend aus."

Ebenfalls äußerst misslich: In der bayerischen Verordnung findet sich keine Begründung für die 2G-Maßnahme. „Festzustellen, Corona sei schlimm, reicht nicht“, betont Theurer. So sieht das auch das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen. Es kippte dort Mitte Dezember die 2G-Regel, unter anderem, weil nachvollziehbare Feststellungen zur Infektionsrelevanz im Einzelhandel fehlten. Die gibt es auch in Bayern nicht.

Im Gegenteil: Aus dem FW-geführten Wirtschaftsministerium heißt es: „Der Handel war nie als Infektionstreiber in Erscheinung getreten.“ Das Ministerium war stets gegen die 2G-Regel im Einzelhandel. Grund: „Die Unterscheidung zwischen Geschäften des täglichen Bedarfs und sonstigen Geschäften ist sehr schwierig.“ In der Tat.
(Angelika Kahl)

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