Politik

Laut einer Umfrage würden sich derzeit 60 Prozent der Befragten gegen Corona impfen lassen. (Foto: dpa/Jens Kalaene)

27.11.2020

Schutzimpfung – und dann?

Bald werden Vakzine gegen Covid-19 auf den Markt kommen – die Maskenpflicht wird aber noch länger bleiben

In Sachen Corona-Impfung herrscht Aufbruchstimmung. Nach den Erfolgsmeldungen der Impfstoff-Hersteller Biontech aus Mainz und Moderna (USA) sowie Astra-Zeneca (Oxford) sind auch die bayerischen Wissenschaftler*innen optimistisch. Mitte Dezember sollen die Impfzentren stehen, rund 100 davon im Freistaat. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält einen Start noch in diesem Jahr für möglich. Zuerst sollen Risikogruppen und Pflegebedürftige, dann Gesundheitspersonal und systemrelevante Berufsgruppen einen Impfschutz gegen Corona bekommen. Doch wie wird es weitergehen?

In ihrer Zwischenmeldung gaben Biontech und Moderna eine 95-prozentige Wirksamkeit ihres Impfstoffs bekannt. Bei dem neuartigen mRNA-Verfahren erhält der Körper Teile der Erbinformation des Virus, eine Art genetischen Bauplan, der ihm hilft, gegen Corona immun zu werden. Auch der Infektiologe Arne Kroidl vom Tropeninstitut München ist von den „starken Zwischenergebnissen“ positiv überrascht. „Über 90 Prozent, das war mehr, als man erwartet hat“, so der Prüfleiter der Münchner Corona-Impfstoffstudien für die Tübinger Firma CureVac.

Am Tropeninstitut sucht man jetzt Probanden von 18 bis über 60 Jahre für die letzte Phase der mRNA-Impfstoffstudie. Insgesamt sollen 30 000 Personen getestet werden, die Hälfte von ihnen erhält ein Placebo. „Wir fangen Mitte Dezember an zu impfen“, so Kroidl. Es sei denkbar, dass es dann im Frühjahr bereits Studienergebnisse gebe.

Auch am Münchner Tropeninstitut wird vermutlich ein Impfzentrum eingerichtet werden, erwartet Kroidl. „Wir werden den Impfstoff regulär bekommen und dazu werden parallel die Impfstoffstudien laufen.“ Trotzdem werde es weiterhin eine Kombination aus Impfstoff und den derzeit empfohlenen Schutzmaßnahmen wie etwa Maske und Hygienemaßnahmen geben, um die Corona-Situation bis zum Sommer zu meistern, meint Kroidl.

Krankheiten, die von Tieren übertragen werden, bleiben ein Problem

Er gehe davon aus, dass im nächsten Halbjahr sicher fünf bis sechs Impfstoffe zugelassen würden, die dann voraussichtlich gut wirken. Dass nächsten Herbst ein Leben ohne Masken und Abstandsregeln möglich ist, hält der Infektiologe für gut vorstellbar.

Als „riesige Herausforderung auf allen Ebenen“ bezeichnet Allgemeinmediziner Jörg Schelling die bevorstehende Massenimpfung. „Da sind Kreativität und Beweglichkeit gefragt, auch bei den Behörden“, so Schelling, Mitglied der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Impfen. „Man sollte die Patienten und Patientinnen digital erfassen, damit später die Impfung gut nachvollziehbar ist.“

Pro Zentrum schafften 20 Ärzte und Ärztinnen schätzungsweise um die 1400 Impfungen pro Tag, im Monat also 40 000 Menschen, rechnet Schelling, ehemaliger Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Uni München, vor. Insgesamt seien es bundesweit 40 Millionen gefährdete Personen, die den Impfschutz bräuchten. Das sei eine enorme Anzahl und werde mindestens bis zum Herbst nächsten Jahres dauern. Schelling ist aber zuversichtlich, dass man das schaffe, auch wenn es im Moment eine enorme Lernkurve sei. „Wir machen das ja alles zum allerersten Mal.“ Engpässe sieht der Leiter der Gemeinschaftspraxis in Martinsried beim Impfpersonal. „Damit Corona nicht mehr ansteckend ist, müssen etwa 60 Prozent der Bevölkerung geimpft werden.“ Es werde sicher ein Jahr dauern, bis man in die Nähe eines Impfschutzes komme, so Schelling.

Nach einer vom Magazin Spiegel in Auftrag gegebenen Studie würden sich derzeit rund 60 Prozent der Befragten gegen Corona impfen lassen. Auch Schelling hat die Beobachtung gemacht, dass etwa 30 bis 40 Prozent erst einmal zögern. „Aber es gibt auch die Risikopatienten, Hochbetagten oder chronisch Kranken, die gerne zeitnah geimpft werden wollen“, so Schelling, der es für möglich hält, dass das Coronavirus womöglich mutiert. Es sei gut vorstellbar, dass es dann so wie bei der Grippe jedes Jahr eine Impfung gegen Corona gebe.

Auch Studienleiter Kroidl hält eine jährliche Corona-Impfung für denkbar. Der Vorteil der mRNA-Impfstoffe sei aber, dass man diese sehr schnell anpassen könne. Das Virus werde sicherlich auch in fünf Jahren noch da sein. „Aber dann haben wir Möglichkeiten, schwere Erkrankungen zu verhindern.“ Trotzdem werden Zoonosen, also Virenübertragungen von Wildtieren auf Menschen, ein großes Problem bleiben.

Auch bei den von Coronaviren verursachten Krankheiten Sars (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) und Mers (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus), aber auch bei Ebola gelten Wildtiere als Überträger. „Mers ist auch ein Coronavirus, ebenso wie Sars-CoV-1“, so Kroidl. „Es gab schon schwere Erkrankungen, aber es hatte nicht die pandemische Auswirkung, die man befürchtete.“ Es gebe auch einen Mers-Impfstoff aus München, der in Studien publiziert worden sei. „Diese Impfstoffe in den ersten Frühphasen, etwa gegen Sars-CoV-1, sind aber bisher noch nicht zugelassen, auch weil die epidemiologische Situation und die Marktanalyse hier bisher keine Dringlichkeit nahegelegt hat.“ Allerdings konnte die Forschung nun von diesen Erfahrungen für den neuen Impfstoff profitieren.
(Lucia Glahn)

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