Politiker haben in der Regel qua Amt ein dickes Fell. Doch als Pegida-Chef Lutz Bachmann zwei fränkische Bürgermeister auf Facebook als „Bunt-Bürgermeister-Deppen“ beschimpfte, weil sie syrischen Flüchtlingen halfen, platzte den beiden der Kragen: Sie verklagten den Rechtspopulisten auf Unterlassung – mit Erfolg. „Dieses Urteil soll anderen Kommunalpolitikern Mut machen, sich nicht alles gefallen zu lassen“, betonte Margetshöchheims Gemeindechef Waldemar Brohm (CSU) nach der Urteilsverkündung. Doch so einfach ist das leider nicht.
Schon vor einem Jahr hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) von den Anbietern verlangt, beanstandete Posts innerhalb von 24 Stunden zu entfernen – ohne Erfolg. Aktuell werden laut nordrhein-westfälischer Medienanstalt auf Facebook nach Beschwerden nur 46 Prozent der Beiträge gelöscht – bei Twitter ist es sogar nur ein Prozent. Maas hat den Konzernen jetzt eine letzte Frist bis Frühjahr eingeräumt – danach droht er mit gesetzlichen Maßnahmen. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) fordert im Gespräch mit der Staatszeitung für Hass-Kommentare härtere Strafen als nach aktuell geltendem Recht. „Zugleich müssen auch die Plattformen wie Facebook und Co gesetzlich stärker in die Verantwortung genommen werden.“
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wiederum kritisiert, dass Drohungen nur dann verfolgt werden, wenn ein Verbrechen angekündigt wird. „Wir wissen, wo dein Kind zur Schule geht“, reiche dafür zum Beispiel nicht aus. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg verlangt daher, das Strafgesetz um den Tatbestand des „Politiker-Stalkings“ zu erweitern.
Insgesamt haben laut einer Forsa-Studie zwei Drittel der Deutschen bereits Erfahrungen mit Hass-Kommentaren gemacht. Nach Angaben des Bundeskriminalamts hat sich deren Zahl 2015 im Vergleich zum Vorjahr auf 3084 fast verdreifacht. Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen „Volksverhetzung und Gewaltdarstellung mittels Internet“ ist im Vergleich zu 2014 um 500 auf 2300 gestiegen. In Bayern gab es heuer bis zur Jahresmitte mit 185 bereits mehr Verfahren als im gesamten Jahr 2014.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) bekommt sogar regelmäßig Morddrohungen. „In den sozialen Medien ist die Masse und Heftigkeit der Beschimpfungen, Gewaltfantasien und sexistischen Bedrohungen kaum zu bändigen“, bestätigt die Augsburgerin der BSZ.
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat sich der Ton seit der Flüchtlingskrise verschärft. Seitdem sind auch auf der Facebook-Seite der Staatsregierung zu bestimmten Themen Hass-Kommentare zu lesen, bestätigt die Staatskanzlei. „Die Hemmschwelle, Politiker zu beschimpfen oder mit Verschwörungstheorien zu überschütten, scheint fast wöchentlich zu sinken“, berichtet der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-Grünen, Thomas Gehring. Oft hätten die Beleidigungen nicht mal etwas mit der Debatte zu tun.
Bundesjustizministerium: Polizei und Justiz ermitteln und halbherzig
Auch die Landtags-SPD nimmt vor allem auf Facebook einen deutlich raueren Ton wahr – insbesondere beim Thema Migration. „Mittlerweile lese ich diese Kommentare aber nicht mehr, um mir nicht den Tag zu vermiesen und mich weiter auf meine Arbeit zu konzentrieren“, erzählt der Abgeordnete Arif Tasdelen.
Bei den Freien Wählern gibt es ebenfalls immer wieder Hass-Postings. Persönlich habe FW-Chef Hubert Aiwanger in sozialen Netzwerken aber noch keinen Hass-Kommentar erhalten. „Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit, mal Dampf Ablassen und Beleidigung“, erklärt er.
Die CSU-Fraktion stellt hinter Unmutsäußerungen in sozialen Netzwerken „nur in ganz wenigen Fällen“ tatsächlich Hass fest. „Meistens bedeuten sie eher Unzufriedenheit im Umgang mit bestimmten politischen Themen“, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer Josef Zellmeier. Allerdings hat auch die CSU schon strafrechtlich relevante Kommentare erhalten und zur Anzeige gebracht. Der Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU) berichtet von Morddrohungen, weshalb alle Mitarbeiter seines Büros vorsorglich ihre Fingerabdrücke abgegeben haben.
Doch nicht alle Anzeigen sind erfolgreich. „Ich habe es schon erlebt, dass selbst eindeutig volksverhetzende Äußerungen von Staatsanwaltschaften als einfache Meinungsäußerung eingestuft wurden“, sagt Grünen-Frau Roth. Konsequenteres Handeln der Behörden verlangt auch das Bundesjustizministerium. Staatssekretär Gerd Billen warf der Polizei sogar vor, die Urheber von Hass-Kommentaren mitunter nur halbherzig zu ermitteln.
Hinzu kommt: Amerikanische Firmen wie Facebook müssen Ermittlern ihre Nutzerdaten nicht mitteilen. Und selbst Rechtshilfeersuchen an amerikanische Behörden laufen ins Leere: Bisher wurden sie in 99 Prozent der Fälle abgelehnt. (David Lohmann)
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