Politik

Kampflustig: Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende, Martin Schulz, auf dem SPD-Sonderparteitag in Dortmund. (Foto: Guido Kirchner/dpa)

26.06.2017

Seehofer: "Kandidat Schulz verliert die Nerven"

"Anschlag auf die Demokratie": Die Reaktionen auf die scharfe Attacke auf Merkel und die Union

Die heftige Kritik von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz an CSU und CDU zeigt nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer dessen aktuelle Verzweiflung. "Er scheint zu einem relativ frühen Zeitpunkt des Wahlkampfes die Nerven verloren zu haben", sagte Seehofer. Dies sei "kein gutes Zeichen für einen Kanzlerkandidaten, eigentlich unwürdig".

Schulz hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der gesamten Union am Wochenende auf dem SPD-Parteitag in Dortmund einen "Anschlag auf die Demokratie" vorgeworfen, indem sie sich vor inhaltlichen Aussagen drücke. Damit nehme die Union von Merkel bewusst in Kauf, dass weniger Bürger zur Wahl gingen. Schulz warf dem Koalitionspartner in Berlin zudem vor 600 Delegierten und tausenden Anhänger "Arroganz der Macht" vor. In Umfragen liegt die SPD bis zu 15 Punkten hinter der Union. Als Zeichen der Abgrenzung von der Union machte Schulz die Ehe für alle - auch für Homosexuelle - zur Bedingung für eine Regierungskoalition. Die Union ist der einzige potenzielle Koalitionspartner, der dagegen ist.

Neben der Union attackierte Schulz nur die rechtskonservative AfD, die er als "NPD light" bezeichnete. Die potenziellen Koalitionspartner Linke, Grüne und FDP verschonte der Kanzlerkandidat dagegen.

CDU-Generalsekretär Tauber spricht von "Grenzüberschreitung"

Von den Delegierten und Anhängern wurde Schulz mit neun Minuten dauernden Applaus und "Martin, Martin"-Sprechchören gefeiert. Die SPD war nach einem Umfragehoch nach der Kür von Schulz als Kanzlerkandidat wieder abgesackt und hatte die drei Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verloren. Zuletzt lag die SPD im ZDF-Politbarometer nur noch bei 25 Prozent - 14 Prozent hinter der Union.

Altkanzler Gerhard Schröder machte seiner Partei dennoch Mut. "Nichts ist entschieden", versicherte er. "Es ist noch viel Zeit, um die Stimmung zu drehen." Nötig seien Disziplin, Geschlossenheit, aber auch Selbstbewusstsein. Schröder erinnerte an den Bundestagswahlkampf 2005 - mit ihm als Spitzenkandidat. Die Umfragen seien damals auch schlecht gewesen, viele hätten die SPD bereits abgeschrieben. "Aber wir haben gekämpft und wir haben aufgeholt", sagte er.

Am Ende habe die CDU gerade mal 35,2 Prozent erreicht, die SPD 34,2 Prozent. Auch wenn es nicht gereicht habe, sei die Aufholjagd enorm gewesen. "Was damals ging, das geht heute auch", rief Schröder den Delegierten in Dortmund zu. "Auf in den Kampf! Venceremos!" (Spanisch für: Wir werden siegen) CDU-Generalsekretär Peter Tauber sah in der Attacke von Schulz eine Grenzüberschreitung. Auch der designierte CDU-Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, Armin Laschet, wies die Kritik von Schulz an Kanzlerin Merkel und der Union scharf zurück. "Das war schon starker Tobak", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Der Vorwurf, die Union nehme eine geringe Wahlbeteiligung in Kauf, sei falsch. "Das Gegenteil ist der Fall", sagte Laschet. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Saarland sei die Wahlbeteiligung wieder angestiegen.

Schulz macht die Ehe für alle zur Koalitionsbedingung

Die Ehe für alle zur Koalitionsbedingung zu machen, mache die Lage "noch absurder", sagte Laschet Man könne nicht aus einem Wahlprogramm mit 30, 40 Punkten einen herausgreifen und zur Bedingung machen. "Dass wir jede Form von Diskriminierung bekämpfen müssen, das ist auch Position der CDU." CSU-Chef Horst Seehofer bedauerte die Forderungen von SPD, FDP und Grünen zur Ehe für alle als Grundbedingung für eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl. "Wir werden uns jetzt mit der CDU in aller Ruhe unterhalten, wie wir mit diesen Äußerungen umgehen", sagte er. Aus seiner Sicht sollten so "höchstpersönliche Entscheidungen" nicht Teil einer Parteipolitik werden. "Wir werden jetzt sehr sachlich ohne Parteipolitik die Debatte führen." Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Linder warf Schulz vor, mit überzogener Kritik an der Union die wahren Feinde der Demokratie zu verharmlosen. "Wenn man so scharfes Vokabular wie Herr Schulz verwendet, dann zweifellos besteht die Gefahr einer Verharmlosung der echten Feinde der Demokratie", sagte er der "Heilbronner Stimme". Kritik äußerte Lindner aber auch an der Union: "Ich finde die Aufregung in der Union allerdings auch etwas gekünstelt. Denn natürlich bleibt die CDU aus taktischen Gründen unkonkret und unambitioniert."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigte die Attacke seines Parteivorsitzenden. "Wahlkampf ist nicht das Hin- und Herwerfen von Wattebäuschen, sondern da muss man auch mal konkret werden. Ich finde das ist in diesem Fall gelungen", sagte Oppermann im ARD-"Morgenmagazin". SPD-Kanzlerkandidat Schulz sei der richtige Mann, um unentschlossene Wähler abzuholen. "Es gab noch nie eine so große Übereinstimmung zwischen Person, Programm und Partei."
(dpa)

Von Homo-Ehe bis Obergrenze: Rote Linien im Wahlkampf 2017
Deutlicher hätte Martin Schulz es nicht sagen können: "Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem die Ehe für alle nicht verankert ist." Damit hat der SPD-Chef und Kanzlerkandidat auf dem Dortmunder Bundesparteitag eine rote Linie gezogen für die Verhandlungen nach der Bundestagswahl. Andere Parteien haben das auch schon getan.

OBERGRENZE für Einwanderer: Ohne sie will CSU-Chef Horst Seehofer keine Koalition eingehen. Umgekehrt hat Grünen-Chef Cem Özdemir kategorisch ausgeschlossen, dass es mit den Grünen so eine Grenze gibt. Ob sie überhaupt verfassungsmäßig wäre, ist zweifelhaft: Im Grundgesetz ist das Recht auf Asyl verankert.

EHE FÜR ALLE: Außer Union und AfD sind alle dafür, aber SPD und Grüne schließen eine Koalition kategorisch aus, die Schwule und Lesben nicht heiraten lässt. FDP-Chef Christian Lindner will seiner Partei an dieser Stelle ebenfalls eine rote Linie empfehlen.

VERMÖGENSTEUER: Ohne die Wiedereinführung dieser Steuer will die Linke nicht mitregieren, wie Parteichef Bernd Riexinger gesagt hat.

KAMPFEINSÄTZE der Bundeswehr: Darf es aus Sicht der Linken nicht mehr geben - sonst unterschreiben sie keinen Koalitionsvertrag.

ÖFFENTLICHE DASEINSVORSORGE: Gesundheitsversorgung, Wohnungen, Bildung, Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung und so weiter dürfen nach dem Willen der Linken nicht privatisiert werden.

SOZIALABBAU: Ist für die Linken eine rote Linie - da machen sie nicht mit.

AFD: Was Koalitionsaussagen angeht, halten sie Parteien sich in diesem Wahlkampf bisher alle zurück - nur mit der AfD will niemand zusammenarbeiten.

ABSCHIEBUNG in Krisengebiete: Die Grünen schließen im Programm eine Koalition aus, die in Krisengebiete abschiebt, "die so unsicher sind wie z.B. Afghanistan momentan".

KOHLEAUSSTIEG: Der Abschied von der Kohleenergie ist eine Bedingung der Grünen, wie unter anderem Parteichef Cem Özdemir betont.
(dpa)

Kommentare (3)

  1. Logik78 am 26.06.2017
    "Aus seiner Sicht sollten so "höchstpersönliche Entscheidungen" nicht Teil einer Parteipolitik werden."
    Die Aussage Seehofers zur Eheöffnung ist natürlich der Knaller. Wenn es nicht um Parteipolitik gehen soll, dann kann der Bundestag ja am Freitag direkt abstimmen. Da war er wohl zu lange beim Frühschoppen. Wenn das keine Parteipolitik ist, was da in den letzten Jahren in dieser Frage betrieben wurde, was ist es bitte dann?

    Ach so: Gegen die Eheöffnung zu sein, ist diskriminierend, auch wenn man noch tausend Mal das Gegenteil behauptet. Wir benötigen in Deutschland keine zwei praktisch inhaltsgleichen familienrechtlichen Institute - außer zum Zwecke der Abwertung ("Ihr seid nicht verheiratet, nur verpartnert!")
    Wer das nicht diskriminierend findet, der sollte mal darüber nachdenken, ob getrennte Sitzplätze für Deutsche und Nichtdeutsche in öffentlichen Verkehrsmitteln dann auch keine Diskriminierung wären. Schließlich werden ja alle zum selben Preis an ihr Ziel gebracht.

    Also Ende der Parteipolitik?
  2. BSZ-Redaktion am 26.06.2017
    @Fred: Vollkommen richtig, danke für den Hinweis. Wir haben das entsprechend korrigiert.
    Beste Grüße aus der Redaktion
  3. Fred am 26.06.2017
    An den Autor: Peter Tauber ist CDU Generalsekretär.
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