Politik

Einkaufen kann Spaß machen – sofern man genügend Geschäfte zur Auswahl hat und dort das Richtige findet. (Foto: dpa/Javier Sanchez)

16.05.2025

Hopping zum Shopping

Der Weg der Bayern zum nächsten Laden wird immer länger. Die Zahl der Geschäfte ist massiv gesunken

Für manchen modebewussten Münchner ist es eine Hiobsbotschaft. Ende August schließt das Stammhaus des Traditionsmodehauses Eckerle in der Theatinerstraße – und das nach 75 Jahren. Zwar existieren bundesweit noch einige Filialen. Doch bereits im vergangenen Jahr machte der zu Hirmer gehörende Herrenausstatter auch eine Augsburger sowie eine Nürnberger Filiale dicht. Die Umsätze hatten einem Firmensprecher zufolge zumindest in München das Niveau von vor der Corona-Pandemie nicht wieder erreicht. Der zunehmende Wettbewerbsdruck sowie die teuren Mieten machten Eckerle zunehmend zu schaffen. „Vielen bayerischen Modegeschäften geht es schlecht – manche haben bereits das Handtuch geworfen“, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern (HBE).

Besonders mies sei die Situation auch bei Spielzeug- und Blumenläden. Gab es 2002 bundesweit noch fast 20.000 Floristen, sind es heute nur mehr halb so viele. Onlinehandel und Billigtrend machen den drei Branchen massiv zu schaffen. „In anderen Segmenten des Einzelhandels läuft es seit Jahren ebenfalls nicht gut“, weiß Ohlmann. Zwar sei oft die Rede von Karstadt – doch wegen des Strukturwandels hätten vor allem kleine und mittlere Läden dichtgemacht. „Die sterben einen leisen Tod.“

Laut Landesamt für Statistik ist die Zahl der Einzelhändler in Bayern seit 2015 von knapp 56.400 auf rund 44.490 gesunken. Ein Minus von mehr als einem Fünftel. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Das bayerische Wirtschaftsministerium unter Führung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geht allerdings davon aus, dass die Zahl der Einzelhändler seither nicht weiter gesunken ist. Ohlmann sieht mehrere Ursachen für die Krise: etwa die seit Jahren miese Konjunktur und die damit einhergehende Kaufzurückhaltung. Zentral sei die Onlinekonkurrenz. Einer Prognose zufolge soll der über das Internet generierte Handelsumsatz in Bayern in diesem Jahr um 3 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro zulegen. Seit 2020 kletterte der Umsatzanteil des Online-Geschäfts laut HBE im Freistaat von 14 auf 18 Prozent.

Zahl der Menschen ohne Supermarkt wächst

Aufgrund des Ladensterbens gibt es dem Verband zufolge nicht nur in Dörfern, sondern auch in manchen Stadtvierteln keine Läden mehr, um die Grundversorgung etwa mit Lebensmittel abzudecken. Von Fachhändlern ganz zu schweigen. Ohlmann sagt: „Die Zahl der Menschen ohne Supermarkt wächst.“

Mittlerweile gibt es laut der Grünen-Landtagsfraktion in Bayern 206 Gemeinden ohne Lebensmittelgeschäft – 2019 waren es den Angaben zufolge erst 190. „Das stellt vor allem ältere oder wenig mobile Menschen vor große Probleme“, sagt deren wirtschaftspolitische Sprecherin Barbara Fuchs. HBE-Mann Ohlmann erkennt allerdings an: „Die Nahversorgung in Bayern ist im Vergleich zu vielen Bundesländern, etwa im Osten, noch verhältnismäßig gut.“ Doch klar ist: Fehlen Geschäfte in einer Gegend, bestellen die Menschen dort noch mehr bei Versandhändlern, was wiederum das Ladensterben verschärft. Denn nur etwas mehr als ein Drittel der bayerischen Einzelhändler verkauft laut HBE auch über das Internet.

Langfristig kann die Abhängigkeit von Amazon und Co auch für junge Kunden Risiken bieten. Würde ein Versandriese beschließen, unattraktive Regionen plötzlich nicht mehr zu beliefern, wäre dies ein immenses Problem. Die Opposition sieht die Staatsregierung in der Pflicht. Diese tue zu wenig, um den Trend zu stoppen. Fuchs kritisiert: „Die Staatsregierung hat dem Sterben der Ortskerne noch den Weg bereitet.“ Durch die Ausweitung der Möglichkeiten im Landesentwicklungsprogramm habe der Freistaat „der Ansiedlung von Supermärkten auf der grünen Wiese Tür und Tor geöffnet“. Fuchs sagt: „Unsere Ortskerne bluten jetzt aus.“

Nahversorgung zur Pflichtaufgabe machen

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Florian von Brunn, fordert, der Freistaat müsse „Nahversorgung zur Pflichtaufgabe machen und die Kommunen gezielt unterstützen“. Das Problem verschärft sich aus Sicht des HBE aufgrund des Fachkräftemangels. Jeder dritte Ausbildungsplatz werde nicht besetzt. Doch wenn die Läden schon um 18 Uhr schließen oder die Fleischtheke dichtgemacht hat, würde der Präsenzhandel im Vergleich zum Onlinehandel noch mehr ins Hintertreffen geraten. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagt: „Die Grundversorgung in ländlichen Regionen hat zwar abgenommen, da immer mehr Gemeinden keinen Lebensmitteleinzelhandel mehr haben, ist jedoch weiterhin gesichert.“

Um Abhilfe zu schaffen, habe man unter anderem einen Leitfaden für Gründung und Betrieb von Dorfläden entworfen. Darüber hinaus gebe es Fördermaßnahmen, um den wirtschaftlichen Betrieb der Dorfläden zu unterstützen. „Allerdings müssen die Kunden auch dort kaufen.“ Vielen sind die Kleingeschäfte zu teuer.

Das Ministerium verweist auch auf das geplante Ladenschlussgesetz, das mehr Flexibilität für Firmen schaffe. Die Grüne Fuchs beklagt: „Vorgaben wie die Begrenzung der Ladenfläche von digitalen Kleinstsupermärkten auf 150 Quadratmeter schränken die Möglichkeiten für innovative Konzepte ein.“ Für die geschlossenen Eckerle-Läden kommt die Reform ohnehin zu spät.
(Tobias Lill)

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