JA
Jakob Maske, Kinderarzt und Bundespressesprecher des Bundesverbands für Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
Kinder und Jugendliche sind die einzige relevante Gruppe, die zu anlasslosen Corona-Tests gezwungen ist, auf der anderen Seite aber auch die einzige Gruppe, die durch die Infektion nur in absoluten Ausnahmefällen schwere Komplikationen erfährt.
Anlasslose Tests, also Tests bei gesunden Kindern und Jugendlichen, haben nur eine Sensitivität von knapp 40 Prozent, diese wird nochmals durch falsche Anwendung gerade bei kleineren Kindern reduziert. Dies führt sowohl zu falsch negativen als auch zu falsch positiven Testergebnissen.
Dabei führen falsch negative Testergebnisse in der Regel zu einem falschen Sicherheitsgefühl, was dazu führt, dass die Grundhygienemaßnahmen nicht mehr konsequent eingehalten werden.
Falsch positive Ergebnisse führen dagegen zu einer fälschlichen Isolierung der Kinder und teilweise auch ihrer Familien, die erneut zum Abbruch sozialer Kontakte und zu einer weiteren Reduzierung des schulischen Lernens führt.
Viel schlimmer sind jedoch die negativen psychologischen Auswirkungen, die sich zunehmend häufig in Form von psychiatrischen Erkrankungen in unseren Praxen zeigen. Nicht nur unsere Beobachtungen in der Praxis, sondern auch zahlreiche Untersuchungen zeigen mittlerweile sehr genau, dass die Zahl der Jugendlichen mit depressiven Symptomen, Essstörungen, Suizide, Zwangsstörungen et cetera dramatisch zugenommen haben. Und dies alles nur, um die Gruppen derer zu schützen, die tatsächlich schwer durch das Coronavirus erkranken.
Damit muss jetzt endlich Schluss sein! Kinder und Jugendliche dürfen nicht mehr für den Schutz der Erwachsenen herhalten, diese haben mittlerweile ausreichend eigene Möglichkeiten, sich selbst zu schützen, und sind auf die Solidarität der Minderjährigen nicht mehr angewiesen. Politik und Gesellschaft müssen endlich wieder die Rechte der Kinder und Jugendlichen respektieren und dafür sorgen, dass auch sie wieder ein nahezu normales Leben führen können.
NEIN
Stephan Pilsinger, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag
Ein sofortiger Stopp der Testungen von Kindern und Jugendlichen in Kindergärten und Schulen wäre verfrüht und verantwortungslos. Auch wenn wir den Scheitelpunkt der Omikron-Welle hinter uns haben, sind die derzeitigen Zahlen der täglichen Neuinfektionen noch klar zu hoch, um diesen Schritt jetzt gehen zu können.
In einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik konnte im Zeitraum Ende Januar 2021 bis Mitte Mai 2021 nachgewiesen werden, dass die anlasslosen Tests in Schulen und Kitas die sogenannte Entdeckungsrate deutlich erhöht haben. Das heißt, dass infizierte Kinder, die vorher keine Symptome gezeigt oder sich nicht in ärztliche Behandlung begeben hatten, erst durch die Tests als „positiv“ erkannt wurden. Je häufiger die Tests an Schulen und Kitas durchgeführt wurden, desto eher wurden Infizierte erkannt und in Quarantäne geschickt, womit die Zahl der Neuinfektionen deutlich zurückging. Ließ man die Tests weg, stieg die Zahl der Neuinfizierten wieder signifikant an. Durch die Schultests werden darüber hinaus auch Infektionen bei Kindern erkannt, bei denen Testungen im Elternhaus keine Rolle spielen. Das sollte man auch bedenken.
Bei dem anhaltend kalten Wetter und den derzeit noch häufig bestehenden Übertragungsgelegenheiten in Innenräumen wie eben den Schulen und Kindergärten ist es mehr als geboten, die Osterferien plus einer Zusatzwoche abzuwarten, also noch bis Ende April flächendeckend zu testen, wie es etwa Bayern handhaben wird. Ab Mai ist die Erkrankungssaison für Atemwegserreger, wie das Coronavirus nun einmal auch einer ist, mit Sicherheit ausgeklungen. Dann können wir mit wärmeren Temperaturen und entsprechend niedrigen Infektionszahlen rechnen, sodass wir mit gutem Gewissen die anlasslosen Tests an den Schulen und Kitas einstellen können. Das haben unsere Jüngsten auch wirklich verdient.
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