Politik

18.01.2024

Soll das Bürgergeld abgeschafft beziehungsweise komplett reformiert werden?

Nicht nur bei der CDU gibt es die Forderung, das Bürgergeld wieder abzuschaffen. Auch in der CSU gibt es dafür Sympathien. Paul Lehrieder, gesellschaftspolitischer Sprecher der Landesgruppe der CSU-Bundestagsfraktion, erklärt, warum. Argumente gegen eine Abschaffung liefert Bernd Rützel, der sozialpolitische Sprecher der Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion

JA

Paul Lehrieder, gesellschaftspolitischer Sprecher der Landesgruppe der CSU-Bundestagsfraktion

Die zunehmende Erosion des Lohnabstandsgebots stellt eine fundamentale gesellschaftliche Gerechtigkeitsfrage und lässt den Respekt vor denjenigen vermissen, die jeden Tag zur Arbeit erscheinen und unseren starken Sozialstaat überhaupt erst möglich machen. Für die CSU im Deutschen Bundestag gilt: Wer arbeitet, muss deutlich mehr haben als jemand, der nicht arbeitet.

Hohe Regelsätze verringern den Abstand zu unteren Lohngruppen und verringern die Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung. Der Nettoarbeitslohn muss immer höher sein als die Kombination von verschiedenen Sozialleistungen. Dieses Leistungsversprechen unserer Gesellschaft wollen wir verteidigen und dafür das Lohnabstandsgebot wieder herstellen.

Außerdem muss die Bürgergeld-Reform der Ampel zurückgenommen und der Vermittlungsvorrang wieder eingeführt werden. Geringqualifizierte sollen auch in Ausbildung vermittelt werden können, wenn damit ihre Arbeitsplatzsicherheit nachhaltig erhöht wird. An allen Ecken und Enden fehlen Fach- und Arbeitskräfte. Es gibt in Deutschland derzeit circa 1,8 Millionen unbesetzte Arbeitsstellen.

Das Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik sollte deshalb eine bessere Vermittlung und Eingliederung in Arbeit oder Ausbildung sein. Wir wollen die Arbeitsmarktpolitik wieder am Prinzip „Fördern und Fordern“ ausrichten, die Mitwirkungspflichten der Bürgergeldempfänger verbindlich regeln und Sanktionen einfacher durchsetzen. Dazu sind effiziente Verwaltungsstrukturen die Grundvoraussetzung.

Wir wollen dafür sorgen, dass erwerbsfähige Bürgergeldempfänger eine verfügbare Arbeit annehmen müssen und dass diejenigen, die sich der Mitwirkung beharrlich verweigern, mit Leistungsstreichungen sanktioniert werden. Eine Maximaldauer für Leistungsstreichungen lehnen wir ab. Es muss so lange Leistungsstreichungen geben, wie ein Bürgergeldempfänger sich weigert, zumutbare Arbeit anzunehmen. 
 

NEIN

Bernd Rützel, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher der Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales

Nein! Denn jeder Mensch kann in Not geraten. Manchen trifft es aus heiterem Himmel. Dann hilft das Bürgergeld. Es sorgt dafür, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben und nicht im Kalten sitzen müssen. Es sorgt dafür, dass sie Essen haben und einigermaßen am Leben teilhaben können. Die zweite Aufgabe des Bürgergelds ist aber vielleicht noch wichtiger: Betroffene wieder in Arbeit zu bekommen. Denn Arbeit ist mehr als Broterwerb.

Fast zwei Millionen Menschen bis zum 30. Lebensjahr haben keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Diese Menschen gehören nicht in Aushilfsjobs, sonst stehen sie in wenigen Wochen wieder im Jobcenter. Das Bürgergeld hilft ihnen, einen Berufsabschluss nachzuholen.

Das Bürgergeld ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, es gibt Mitwirkungspflichten. Menschen müssen oftmals unterstützt und gecoacht werden, um sie in Arbeit zu bringen. Manche sind krank an Leib oder Seele, andere sind alleinerziehend und finden keine Unterbringung für ihre Kinder, andere wohnen auf dem Land und sind nicht unbedingt mobil, weil sie sich kein Auto leisten können, wieder andere müssen qualifiziert werden. 

In einem Viertel aller Haushalte, an die Bürgergeld ausbezahlt wird, wird gearbeitet. Die Erwerbstätigen bekommen aber so wenig Lohn, dass sie aufstocken müssen. Sonst können sie ihre Mieten und ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder nicht bestreiten. Die Löhne sind in Deutschland zu gering, die Tarifbindung ist im freien Fall und sechs Millionen Menschen arbeiten für den Mindestlohn. Deshalb sind sie auf Bürgergeld angewiesen.

99 von 100 Bürgergeldbeziehenden wirken mit, sie haben ein echtes Interesse und ihnen gilt unsere volle Solidarität. Einer von 100 verweigert sich, das sind die Fälle, die immer exemplarisch für alle im Vordergrund stehen. Diese ganz kleine Gruppe darf nicht auf unsere Unterstützung hoffen. Auch sie in Arbeit zu bringen, ist unsere Aufgabe. 
 

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