Politik

30.01.2020

Soll der Staat in sozialen Netzwerken nach Steuersündern fahnden dürfen?

Immer mehr Finanzämter suchen mit Fake-Profilen in sozialen Netzwerken nach Vergehen – auch in Bayern. Der Bund der Steuerzahler sieht das äußerst kritisch. Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt, rechtfertigt die CSU die Methode

JA

Josef Zellmeier (CSU), Chef des Haushaltsausschusses im Bayerischen Landtag

Steuern sind wichtig. Sie finanzieren unser Gemeinwesen. Der Staat kümmert sich mit diesem Geld um die Menschen von der Kinderbetreuung bis zur Altenpflege. Steuerbetrug ist deshalb kein Kavaliersdelikt. Wer Steuern hinterzieht, betrügt nicht nur den Staat, sondern schadet der ganzen Gesellschaft.

Entscheidend ist für mich, dass der ehrliche Bürger nicht der Dumme sein darf. Deswegen erwarte ich, dass der Staat Steuersünder konsequent ermittelt. Dazu muss er mit allen online wie offline zur Verfügung stehenden Informationen arbeiten können und dürfen. Das war auch in der Vergangenheit schon der Fall, beispielsweise durch die Auswertung von Nachrichten und Anzeigen in den Lokalzeitungen. In einer digitalen Welt ist es deshalb legitim, dass die Steuerverwaltung alle einsehbaren Daten auf Facebook, Instagram, Linkedin & Co verwendet.

Eine Online-Recherche kann dem erfahrenen Steuerfahnder zum Beispiel zeigen, wo jemand seinen tatsächlichen Wohnsitz hat. Oder dass jemand regelmäßig eine Ferienwohnung vermietet, ohne die Einkünfte zu versteuern. Ebenso ist es für das Finanzamt interessant, wenn jemand seine handwerklichen Leistungen anbietet, weil daraus gewerbliche Einkünfte entstehen können.

Wichtig ist mir dabei die Feststellung: Es wird niemand illegal ausgespäht. Es gibt keinen Finanzamt-Trojaner und es werden keine Daten abgesaugt. Die Fahnder beachten den Datenschutz und halten sich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Doch gilt natürlich auch, dass jeder selbst dafür verantwortlich ist, wie viel er online von sich preisgibt beziehungsweise welche Freundschaftsanfragen er in den sozialen Netzwerken annimmt.

Online die Werbetrommel zu rühren und analog sein Geschäft nicht zu versteuern, ist zu billig, als dass der Staat darauf hereinfallen darf. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das gilt auch für das Steuerrecht!

NEIN

Klaus Grieshaber, Bund der Steuerzahler Bayern

Datenschutz genießt heute eine hohe Priorität. Jeder Bürger soll wissen, wer welche Informationen über ihn speichert und verarbeitet. Auf fast jeder Internetseite finden sich nun umfangreiche Datenschutzerklärungen, die dem Nutzer genau seine Rechte erläutern. Viel Aufwand, Zeit und Geld haben die Unternehmen investieren müssen, um die Vorgaben des Datenschutzes umzusetzen. Und wie hält es der Staat mit dem Schutz der Privatsphäre der Bürger?

Die Finanzverwaltung zumindest geht davon aus, dass steuerliche Ermittlungen unter Verwendung eines sogenannten Fake-Profils in Portalen oder auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Linkedin die Rechte der Steuerzahler nicht beeinträchtigen. Das Vorspiegeln einer falschen Identität, um an steuerrelevante Informationen zu kommen, soll von den allgemeinen Ermittlungsbefugnissen abgedeckt sein. Der Bund der Steuerzahler sieht dies kritisch.

Unabhängig davon, ob es rechtlich zulässig ist, wird das Vertrauen der Steuerzahler in die Finanzverwaltung geschädigt. Wer Informationen im Netz in einen Bereich einstellt, der nicht allgemein zugänglich ist, will bewusst selbst entscheiden, wem er diese Daten zugänglich macht. Wenn er einem Nutzer so weit vertraut, dass er ihn als Freund oder Follower akzeptiert, ist der Ärger vorprogrammiert, wenn herauskommt, dass er das Finanzamt eingeladen hat. Oftmals wird der Nutzer wohl nie merken, mit wem er seine Privatsphäre teilt, eine Informationspflicht ist nicht vorgesehen.

Das Vertrauen in den Staat wird so sicherlich nicht gefördert. Aktuell ist die Anonymität im Internet wegen der Hasskriminalität in die Kritik geraten. Erste Stimmen werden laut und fordern eine gesetzliche Pflicht, offen unter dem echten Namen im Netz unterwegs zu sein. Der Bund der Steuerzahler meint, dies wäre ein guter Anlass, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Ermittlungen mit Fake-Profilen einzustellen.

Kommentare (4)

  1. Obacht am 03.02.2020
    Die Finanzämter sollten erstmal die Listen, mit Firmen, die nicht so besonders sorgfältig geprüft werden dürfen/sollen, abschaffen.

    Hier geht es nicht um Steuerhinterziehung im großen Stil, sondern um Ottonormalverbraucher. Die größten Steuerbetrüger sitzen in den Bankvorständen und Aufsichtsräten der Großindustrie.
  2. Frank am 02.02.2020
    Steuerhinterziehung/-verkürzung ist eine Straftat (AO §§ 369, 370), die Täter sind kriminelle Elemente die den Staat parasitär schädigen! Die öffentliche Hand muss Investitionen tätigen für Straßenbau, Schulen, Krankenhäuser, Polizei, etc., wer hier als Steuerkrimineller nicht bereit ist Steuern zu entrichten muss hart und gerecht bestraft werden. Leider wird der Freiheitsentzug viel zu selten gerichtlich angewendet. Es ist vollkommen legitim, wenn Strafverfolgungsbehörden das Internet oder andere Medien zur Überführung eines Straftäters heranziehen. Fazit: Es ist vollkommen in Ordnung, dass auch alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beweisführung ausgeschöpft werden. Ich selbst zahle gerne Steuern, denn diese werden richtig eingesetzt. Übrigens der BdSt-Zahler ist eine arbeitgebernahe Organisation, deshalb versucht man hier die Strafverfolgung zu konterkarieren, da es leider sehr viele Vermögende und Unternehmer gibt, die geplant und willentlich Steuern hinterziehen/verkürzen. Es werden bis zu 159 Mrd. Euro in der BRD jährlich Steuer hinterzogen, diesem muss ein Ende gesetzt werden.
  3. Stasi 3.0 am 31.01.2020
    George Orwell "1984"

    Willkommen in unserem Überwachungsstaat

    Wenn die sonst nichts gebacken bekommen, aber wie man der eigenen Bevölkerung hinterherspioniert, das wissen die Damen und Herren und Diversen Parlamentarier
  4. Bruce am 30.01.2020
    No. If you do, you might as well reinstitute the STASI. Besteuerung ist Diebstahl.
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.