Politik

16.11.2023

Soll die Bundeswehr an Schulen um Nachwuchs werben dürfen?

André Wüstner, der Chef des Bundeswehrverbands, fordert mehr Personal für die Truppe und hat dabei auch mehr Werbung in Schulen ins Spiel gebracht. Josef Rauch, Vorsitzender des Verbands in Süddeutschland, teilt diese Sicht. Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern, lehnt das dagegen strikt ab

JA

Josef Rauch, Vorsitzender des Landesverbands Süddeutschland des Bundeswehrverbands

Es wird Sie nicht überraschen: Auch ich würde gerne in einer Welt ohne Krieg und Militär leben. Auch ich würde meine Kinder gerne vor allem Übel der Welt beschützen. Aber die Zeiten geben das nicht her, und eine Änderung ist nicht in Sicht. Und wie es bei schwierigen und gefährlichen Tätigkeiten immer so ist: Irgendjemand muss es machen.

Auch die Bundeswehr braucht Nachwuchs, Menschen, die Dienst leisten wollen, für uns alle. Diesen Menschen schulden wir Anerkennung und Dankbarkeit. Und wir müssen uns darum kümmern, dass es genug von Ihnen gibt. Keine leichte Aufgabe in Zeiten des demografischen Wandels und der Vollbeschäftigung. Aktuell gelingt das jedenfalls nicht.

Umso mehr sind wir alle – nicht nur die Bundeswehr, sondern wir alle – darauf angewiesen, junge Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. Wir können nicht warten, bis sie zu uns kommen – wir müssen auf sie zu gehen. Und ja: Auch in Schulen. Einen besseren Ort kann ich mir kaum vorstellen: Begleitet von Lehrpersonal und gemeinsam mit ihren Mitschülern können die Schüler ihr eigenes Bild von der Truppe und der Notwendigkeit des Dienstes bekommen. Und diejenigen, deren Interesse dann groß genug ist, sollten dann auch Infomaterial und Kontakte bekommen dürfen.

Das heißt: Angesichts der heutigen Herausforderungen ist es aus meiner Sicht nicht entscheidend, wie die Trennung von Information (Jugendoffizier) und Werbung (Karrierecenter) aktuell geregelt ist.

Entscheidend ist, dass wir zu einem vernünftigen Umgang im Interesse aller kommen. Und dass auch die Kultusministerien ihren Beitrag zu einer besseren und engeren Verbindung von Bundeswehr und Gesellschaft leisten. Wer das anders sieht, hat in den letzten Jahren keine Zeitung gelesen. 

NEIN

Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern

Nachwuchswerbung der Bundeswehr ist bereits jetzt Realität an bayerischen Schulen. Die Besuche von Jugendoffizieren stellen eine Anwerbung dar, da sie in Uniform auftreten und in Rekrutierungskampagnen eingebettet sind. Laut der Bundeswehr soll damit dem Personalmangel entgegengewirkt werden. Politische Bildung sollte nicht von Fachfremden, sondern von ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden.

Die seit 2010 bestehende Kooperationsvereinbarung sieht Soldaten im Klassenzimmer und in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften vor und ist ein Bruch mit dem Neutralitätsgebot. Die Bundeswehr ist weder pädagogischer Akteur noch „normaler“ Arbeitgeber. Von Depressionen, Traumata, Verkrüppelung und Tod wird im Klassenzimmer wenig berichtet.

Die gesamte Rekrutierungsstrategie lenkt von diesen Gefahren ab und wirbt stattdessen mit Abenteuer, Spaß, kostenfreiem Studium, guter Bezahlung und so weiter – auch in den sozialen Medien, in Jugendzeitschriften, in Videos oder auf Messen. Im Politikunterricht müssen die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens beachtet werden: Um Lernende in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden, gilt ein Überwältigungsverbot. Gleichzeitig gilt das Gebot der Kontroversität, demzufolge gegensätzliche Ansichten dargestellt und diskutiert werden müssen.

Nachwuchswerbung ist damit nicht vereinbar. Bei den in den Schulen Geworbenen handelt es sich oft um Minderjährige: Im Jahr 2022 traten 1773 ihren Dienst in der Bundeswehr an. Seit Jahren wächst die Kritik an dieser Rekrutierungspraxis. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention überprüft, hat Deutschland schon mehrfach aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen und jegliche militärische Werbung bei Minderjährigen zu verbieten. Von den EU-Staaten ist Deutschland der einzige Staat, der Minderjährige noch in großen Zahlen rekrutiert. 
 

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