Politik

28.09.2023

Soll es ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer*innen geben?

Die SPD plädiert für ein kommunales Wahlrecht für Menschen, die nicht aus der EU sind, aber schon länger in Deutschland leben. Philipp Seitz, Präsident des Bayerischen Jugendrings, ist ebenfalls dafür. Dagegen spricht sich Joachim Herrmann (CSU), der bayerische Innenminister, aus

JA

Philipp Seitz, Präsident des Bayerischen Jugendrings

Seit 2013 fordern wir als Bayerischer Jugendring das kommunale Wahlrecht für sich rechtmäßig in Bayern aufhaltende Nicht-EU-Bürger*innen. Der Bayerische Jugendring steht für eine inklusive Gesellschaft, in der die Teilhabe aller Bürger*innen am demokratischen Prozess gefördert wird. Daher sprechen gute Gründe für die Erweiterung des Kommunalwahlrechts auf Nicht-EU-Bürger*innen, so wie das bereits in 14 von 27 EU-Staaten gelebte Praxis ist.

Erstens fördert ein solches Wahlrecht die Integration. Die Möglichkeit, an kommunalen Wahlen teilzunehmen, stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit und die Identifizierung mit der Gesellschaft. Nicht-EU-Bürger*innen werden von den Kommunen als gleichberechtigte Mitglieder anerkannt. Auch die Migrationsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass das Wahlrecht für alle ein wichtiger Grundstein der Integration ist und die Demokratie stützt.

Zweitens spiegelt ein erweitertes Kommunalwahlrecht die Realität unserer Gesellschaft wider. Viele Nicht-EU-Bürger*innen leben seit Jahren in Bayern und bringen sich in vielerlei Hinsicht ein: durch Steuern, Beiträge zur wirtschaftlichen Stabilität und ihr Engagement, zum Beispiel in der Jugendarbeit. Es ist nur fair, ihnen auch bei der Gestaltung ihrer unmittelbaren Lebensumgebung eine Stimme zu geben.

Drittens stärkt ein solches Wahlrecht die Kommunen. Die Einbeziehung von Nicht-EU-Bürger*innen in den demokratischen Prozess kann zu einer breiteren Vielfalt von Perspektiven und Ideen führen, die Wahlprogramme differenzieren und die Demokratie stärken. 

Der Bayerische Jugendring sieht das Kommunalwahlrecht für alle in Bayern als einen Schritt in die richtige Richtung. Ein nächster Schritt wäre der Zugang zu Landtagswahlen – eine weitere Forderung der bayerischen Jugendarbeit. Der Bayerische Jugendring ermutigt zu einer offenen Debatte über dieses Thema und hofft auf eine Lösung, die unsere gemeinsamen Werte von Inklusion und Demokratie widerspiegelt. 

NEIN

Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gewährt das Kommunalwahlrecht aus guten Gründen nur deutschen Staatsangehörigen und – im Interesse der europäischen Integration – auch bei uns lebenden Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern. Die bayerische SPD will dagegen auch allen anderen Nicht-EU-Ausländern nach drei Jahren Aufenthalt ohne weitere Voraussetzungen das Wahlrecht für Kommunalwahlen zusprechen, egal, ob jemand Deutsch sprechen oder verstehen kann, egal, ob jemand Straftaten begangen hat.

Das halte ich nicht nur für verfassungswidrig, sondern auch – wie eine breite Mehrheit der Menschen in unserem Land – für falsch. Vor dem Recht, wählen zu dürfen, sollten eine gelungene Integration und ein klares Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Beides dokumentiert die Einbürgerung.

Mit ihrem Vorschlag konterkariert die SPD nebenbei auch die Reformpläne der eigenen Bundesregierung, den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit künftig mehr Menschen zu ermöglichen, die von ihrer eigenen Arbeit leben können. Wenn der Zugang zum Wahlrecht schon ohne Einbürgerung möglich wäre, könnte man sich eine Einbürgerung sparen. Das setzt falsche Anreize und entwertet die deutsche Staatsangehörigkeit.

Insbesondere in einer Zeit, in der die Bundesregierung dringend notwendige Maßnahmen für eine Begrenzung der Zuwanderung ergreifen müsste, sendet die SPD mit diesem Vorschlag Signale in die entgegengesetzte Richtung, nämlich von einem Land, das die Ansprüche an Zuwanderer immer weiter herunterschraubt, anstatt sie strenger auszulegen.

Der Integration erweist sie damit einen Bärendienst. Denn mit solchen Ideen, das Wahlrecht schon auf den bloßen dreijährigen Aufenthalt zu stützen, schürt die SPD Aversionen gegen Flüchtlinge und spielt den Rechtsextremisten in die Karten. Dieser Vorschlag ist nur ein offensichtlicher Versuch, auf Kosten der Integration neue Wählergruppen zu erschließen.
 

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