Politik

02.01.2020

Soll es eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder geben?

Viele Radler missachten Verkehrsregeln. Könnte man mit einer Kennzeichenpflicht die Zahl der Verkehrsverstöße eindämmen? Der Bund der Fußgänger und der Fachverband für Fußverkehr sind sich da nicht einig

JA

Bernd Irrgang, Vorsitzender des Bunds der Fußgänger

Wir, die Lobby von 82 Millionen Fußgängern, fordern seit über 30 Jahren Kennzeichen für Fahrräder, die Radfahrende zu verkehrsgerechterem Verhalten anhalten – wie übrigens auch der Verkehrsgerichtstag. Denn bereits 1990 stellte das Bundesamt für das Straßenwesen fest, dass 92 Prozent aller Radler Verkehrsregeln missachten. Daran hat sich bis heute nur insoweit etwas geändert, dass sich die Anzahl der Pedaleure stark erhöhte und immer mehr von ihnen ihren Autofrust am schwächsten Verkehrsteilnehmer auslassen, indem sie auf Gehwege ausweichen, Passanten herrisch beiseiteklingeln und ihr sperriges Gefährt dort behindernd abstellen – in einer älter werdenden Gesellschaft ist so ein Verhalten inakzeptabel. Selbst Ordnungsbehörden haben inzwischen die Verfolgung der Verkehrsvergehen anonymer Radler aufgegeben.

Wenn auch mittlerweile zwei Bundesverkehrsminister unser verständliches Verlangen nach Fahrradkennzeichen mit äußerst fadenscheinigen Gründen wie den Verwaltungsaufwand ablehnten, so bleiben wir als einzige bundesweite reine Fußgängerschutzorganisation am Thema dran. Was bei 44 Millionen Kraftfahrzeugen funktioniert, sollte für 77 Millionen Fahrräder auch möglich sein: Jedes neu gekaufte Fahrrad erhält ein festes Nummernschild. Damit entfiele auch der illegale Verkauf gestohlener Räder, da der rechtmäßige Vorbesitzer jederzeit feststellbar wäre und somit ein Drahtesel ohne Nummernschild unverkäuflich wäre.

Der Fahrradbesitzer muss eine Haftpflichtversicherung haben, deren Jahresvignette zusammen mit dem Verkehrssicherheits-Aufkleber des Händlers auf dem Kennzeichen klebt. Dieses Prozedere wird jährlich wiederholt, verbunden mit einem angemessenen Obolus für die erneute Überprüfung und einem einstelligen Eurobetrag für die Stadtkasse zum Bau und Unterhalt von Radwegen. Bereits vorhandene Fahrräder müssen bis zu einem Stichtag ebenfalls bei einem Händler oder in einer Fachwerkstatt geprüft und mit einem Kennzeichen registriert werden.

NEIN

Roland Stimpel, Vorstand des Fachverbands für Fußverkehr Fuss

Ein Radfahrer taucht auf, wo er nicht hingehört. Er klingelt, drängelt, gefährdet, pöbelt. Und verschwindet dann unerkannt. Keine Chance auf Anzeige – man fühlt sich hilflos, wütend und ruft nach Nummernschildern auch am Fahrrad.

Kein Zweifel: Verkehrsverstöße von Radfahrern müssen eingedämmt werden. Aber es ist fraglich, ob Kennzeichen das richtige Mittel sind. Der Vorfall geht oft so rasch, dass man sie kaum lesen könnte. Das zeigt die Erfahrung mit Mofas und den neuen Elektrorollern, die Schilder haben müssen. Und um als Opfer ein Kennzeichen zu erfassen, ist man gerade nach dem übelsten Vorfall kaum in der Lage, dem Unfall mit Fahrerflucht. Zugleich müsste man sich das Aussehen des Radfahrers merken, denn der Eigentümer könnte später behaupten, nicht er sei gefahren. Eine Anzeige muss aufwendig erstattet werden. Und man braucht gute Zeugen, damit nicht später vor Gericht Aussage gegen Aussage steht und alles vergebens war.

Kennzeichen haben auch nur begrenzten Einfluss auf die Disziplin von Verkehrsteilnehmern und den Fußgängerschutz. Allzu viele Auto- und Motorradfahrer brechen trotz Nummernschildern regelmäßig Tempolimits, fahren noch bei „Dunkelgelb“ oder halten am Zebrastreifen einfach nicht an. Für mehr Sicherheit müssen wir ohnehin zuerst bei Motorfahrzeugen ansetzen: Bei Unfällen mit ihnen sterben 140 Mal mehr Fußgänger als durch Fahrräder.

Kennzeichen am Fahrrad würden also wenig helfen, aber sie würden auch Radfahrern Aufwand machen, die sich regeltreu und rücksichtsvoll verhalten.

Gezielt gegen Übeltäter richtet sich das französische Modell: Dort kostet eine Vielzahl von gefährdenden Verkehrsdelikten ein abschreckendes Bußgeld von 135 Euro – auch das Gehweg-Radeln. Für die Behörden ist es ein größerer Kontrollanreiz als der lächerliche deutsche 15-Euro-Satz. Und es hat Erfolg: Obwohl auch in Frankreich der Radverkehr wächst, kann man auf den Boulevards fast ungestört flanieren.

Kommentare (8)

  1. SR 1 am 03.11.2020
    Nochmal ja zur Kennzeichenpflicht!

    Es geht nicht darum alle Fahrradfahrer über einen Kamm zu scheren oder sie alle zu bestrafen, aber es gibt einfach zu viele die durch ihr rücksichtsloses Verhalten sich selber und andere im Straßenverkehr gefährden und andere nötigen.
    Natürlich haben alle Kraftfahrzeuge ein Kennzeichen und es halten sich auch deren Fahrer nicht immer an die Regeln(nicht alle, aber einige) Aber das Fahrzeug Fahrrad wird immer attraktiver und es muss Ordnung in den Fahrradverkehr, wenn man dem Fahrrad schon Platz macht(Fahrradstraßen, Radschnellwege usw.)
  2. Jolien am 19.10.2020
    Also mal ehrlich, wo und wie genau soll denn ein solches auch vor allem lesbares Kennzeichen montiert werden? Ich denke, dass keiner, der hier seinen Zeigerfinger schriftlich erhebt, mal auf einem Fahrrad gesessen hat. An dem Sattel hinten? Es gibt von den Herstellern der Sattelmontierungen bisher keine Vorrichtung dafür. Am Rahmen seitlich auch nicht denkbar, da viele Rahmen schräg verlaufen und zudem beim Fahren durch die Beine verdeckt werden, also nicht lesbar. Am Fahrradkorb wäre die einzige Lösung, da auch das Schutzblech viel zu instabil ist (meist Plastik und schlackernd und daher bei stärkeren Windverhältnissen eher Sicherheit gefährdend). Zudem sind auch da keine sicheren Montierungsvorrichtungen eingerichtet um eine Schutzblech halten zu können. Der Fahrradkorb wäre eine Möglichkeit, aber den hat nicht jeder. Gleiches gilt für den Gepäckträger. Also ist die Begründungen , die dahinter stecken sind zwar durchaus nachvollziehbar, aber es ist nicht umsetzbar, da eine Montierung nicht möglich ist, die einem Fahrradfahren das Fahren nicht dadurch erschwert , behindert oder gar gefährlich (Wind!) macht. Selbst wenn neueste Fahrräder so hergestellt werden würden, dass eine Montierungsmöglichkeit von vornherein geschaffen wird, kann keinem Fahrradfahrer zugemutet werden, sich ein neues gutes Fahrrad, STVO-Sicher etc. (Kosten rund 500,- 1000€) zu kaufen. Ein Autofahrer würde sich das nicht gefallen lassen. Ich fahre das ganze Jahr!!! (bei jeder Wetterlage) über mit dem Fahrrad und bin auch nicht erfreut, mich mit schlechten ungeübten Fahrradfahrern auseinander zu setzen. Aber wir wollen das mit den roten Ampeln-Überqueren mal nicht so sehr nur bei Fahrradfahren rügen. Wer kann schon von sich behaupten, als Fußgänger nicht schon über eine rote Ampel oder quer über die Fahrbahn gelaufen zu sein, nicht wahr? ! Was kommt dann als nächstes, wollen wir uns allen als Fußgänger auch ein Nummernschild umhängen? Worum geht es denn also wirklich? Es spricht hier doch letztlich nur der Unmut der Autofahrer, denen das Autofahren wegen Überfüllung den Spaß nimmt. Ein Fahrrad ist und bleibt aber nun mal platzsparend, umweltfreundlicher, weil auch geräuschlos. Nur Fahrradfahren muss man auch können. Auch hier gibt es sog. "Sonntags-/Schönwetterfahrer". Aber letztlich werden wir nicht jedes Vergehen und rechtswidrige Taten von vorn herein durch "Kennzeichnung" des potenziellen Täters verhindern können.
  3. Rolf am 04.10.2020
    Hindern Kennzeichen Autofahrer daran mit weniger als dem Mindestabstand zu überholen, Radwege durchgehend zu zuparken, auf Fahrradstraßen zu drängeln, etc? Nein.. Die Straßen sind einfach für eine Autoinfrastruktur gebaut! Und jetzt versucht man gezwungenermaßen Radfahrer mit auf diese engen und zugeparkten Straßen zu quetschen, in dem man Radstreifen markiert.. Es ist einfach Idiotie! Pkw's raus aus der Innenstadt!
  4. Käfer am 22.09.2020
    Ich kann mich nur den den ausführlichen Vorschreiben anschließen. Ja es ist dringend notwendig Fahrräder mit Kennzeichen zu versehen. Ich bin selbst Auto- und Fahrradfahrer , aber die Entwicklung speziell der rücksichtslosen Radfahrer gehört dringend in den Griff zu bekommen. Auch Pflicht-Theoriestunden im Verkehrsrecht würde vielen Radfahrern nicht schaden.
  5. Gofy am 20.09.2020
    Ich bin der Meinung das alle Fahrräder ein Nummernschild haben sollten, denn nur so kann man einen auch mal zur Rechenschaft ziehen, wenn wieder die Autos beschädigt werden. Die meisten Radfahrer halten sich nicht an Verkehrsregel. ( rote Ampeln, falsche Seite Radweg, quer über die Straße). Bei uns gibt es sehr viele Fahrradnadel für das Rad. Drum herum liegt jede Menge Dreck, den keiner wegmacht. Diese Nadeln stehen auch im öffentlichen Raum. Der Autofahrer muss für das Parken bezahlen und so wäre es nur fair das der Radfahrer auch für den Stellplatz bezahlt. Dann ständen auch nicht so viele Leichen an den Fahrradnadeln.
  6. Danijel am 11.09.2020
    Ich bin der Meinung, dass Radfahrer ein Nummernschild haben sollten, so wie Mofas auch das kostet ca. 60 € und man kann bei vergehen jemanden das vergehen zuweisen. Mir persönlich ist einer mit seinem Pedal gegen das Auto gefahren und ist dann abgehauen (Schaden 800€ Dreischichtlack) und das passiert nicht selten das auch Radfahrer schaden an Personen und Fahrzeugen machen und verschwinden. Deshalb bin ich für ein Nummernschild Pflicht. Ich darf ja meine Fahrzeuge auch nicht auf der Straße ohne bewegen.
  7. SR 1 am 24.07.2020
    Fahrrad Kennzeichenplicht JA!
    Ich halte die Kennzeichenplicht für Fahrräder sinnvoll weil,jetzt(2020)der Fahrradverkehr stark zu nimmt und das Fahrzeug Fahrrad aktraktiver wird.

    Punkt 1 : Ein Fahrrad ist genauso ein Fahrzeug wie jedes andere auch(egal ob Kraftfahrzeug oder E-Scooter die auch ein Kennzeichen haben müssen) das am Strassenverkehr teil nimmt.

    Punkt 2: Es wird im Strassenverkehr immer mehr Freiraum für das Fahrrad gemacht(Fahrradstrassen,Schutzstreifen,Radschnellwege usw) Richtig ABER!!!!Wenn ein Verkehrsmittel immer mehr Rechte bekommt,muss es auch Pflichten bekommen!Es ist auch nicht der richtige Weg auf den KFZ Verkehr immer draufzuknüppeln und das Fahrrad immer hochzuloben.

    Punkt 3 : Das Verhalten vieler Fahrradfahrer:Rote Ampeln überfahren,auf der falschen Seite fahren,durch die Fussgängerzone fahren,wildes parken usw.Wenn ein Fahrradfahrer einen Unfall verursacht,kann er nicht ermittelt werden.

    Punkt 4 : Der verkehrssichere Zustand von Fahrrädern.Nachts mit defekter Beleuchtung unterwegs ist eine häufige Unfallursache.Defekte Bremsen,keine Klingel(Eine art kleiner Tüv für Fahrräder für die genannten Punkte)

    Wie umsetzen?
    Hier sollte es eine Frist geben von ca 2 Jahren

    Welcher Rahmen?(damit nicht jedes Kinderrad ein Kennzeichen haben muss)

    -Kinderräder(Laufräder),Einräder die keine Fahrräder im Sinne der STVZO sind,sind von der Kennzeichenplicht befreit (Kinder bis zum 12 Lebensjahr sind von der Kennzeichenpflicht befreit)

    -Das Kennzeichen muss am Gepäckträger oder am Schutzblech lesbar montiert sein oder an der Sattelstütze wenn ersteres nicht vorhanden(Rennrad,MTB)

    -Anhänger müssen ein Folgekennzeichen des ziehenden Fahrrades haben

    Zum Schluss Politische Zweifel Bürokratiemonster? Nein! Ein heutiges Smartphone kann schon etliche Nummern speichern.

    Kennzeichen an Fahrrädern ändern nicht das Verhalten des Fahrers? Ich vermute mal doch,weil(allein das Wissen"mein Fahrzeug Fahrrad"hat jetzt auch ein Kennzeichen,und mein Fehlverhalten im Strassenverkehr kann ermittelt und auch bestraft werden)
  8. Aschaffenburg am 24.04.2020
    Sehr geehrte Damen/Herren,

    ich halte eine Kennzeichenpflicht für Fahrräder aus rechtlicher Sicht für zwingend notwendig!

    Jede/Jeder Fahrzeughalterin/Fahrzeughalter sollte über das Fahrzeugkennzeichen von der Polizei auch zu ermitteln sein.

    Von jeder/jedem Verkehrsteilnehmerin/Verkehrsteilnehmer solle es zumindest zu erkennen und ggf. zur Ermittlung der/des Fahrzeughalterin/Fahrzeughalters bei notwendigen Bedarf gemeldet werden können.

    Humoristische Anmerkung:
    Wären alle Fahradnutzer männlich, wäre dies eine weitere rechtlich unzulässige und ahndungspflichtige Diskriminierung aller weiblichen Fahrzeughalterinnen/Fahrzeugnutzerinnen. :-)

    Mit freundlichen Grüßen an alle Verkehrsteilnehmerin/Verkehrsteilnehmer.

    Mit freundlichen Grüßen
    Aschaffenburger
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