Politik

05.08.2021

Soll es eine Versicherungspflicht für Naturkatastrophen geben?

Marcel Thum, Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts, fordert eine Versicherungspflicht, auch um das Samariterdilemma des Staatses zu verkleinern. Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland dagegen meint: "Eine Versicherungspflicht schafft mehr Probleme als sie löst."

JA

Marcel Thum, Leiter der Dresdner Niederlassung des Ifo-Instituts

Eine Versicherungspflicht für Schäden aus Naturkatastrophen kann aus zweierlei Gründen sinnvoll sein. Erstens wird damit das Samariterdilemma des Staates verkleinert. Das Samariterdilemma besagt, dass dem Staat – egal was er vorher ankündigt – nach einer Naturkatastrophe gar nichts anderes übrig bleibt, als unversicherten Opfern finanziell unter die Arme zu greifen. Das ist nicht nur teuer für die Steuerzahler, es mindert auch die Anreize, die eigene Immobilie adäquat zu versichern und gegen mögliche Naturkatastrophen so gut wie möglich abzusichern.

Zweitens kann eine Versicherung Anreize setzen, dass in besonders gefährdeten Gebieten weniger gebaut wird. Wenn die Versicherung in sicheren Gebieten günstiger ist als in gefährdeten, wird die Neubautätigkeit sich tendenziell in Gegenden verlagern, wo weniger Schäden zu erwarten sind. Die Resilienz, die angesichts des Klimawandels immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird erhöht.

Das „Ja zur Versicherungspflicht“ muss aber unbedingt mit der Forderung nach der richtigen Ausgestaltung einhergehen. Sonst ist das Endergebnis schlechter als gar keine Regelung. Erstens müssen die Prämien nach Risiken differenziert werden. Nur so entsteht der Anreiz, gefährdete Gebiete bei Neubauten zu meiden. Bei einer Einheitsprämie würde die Allgemeinheit sogar noch die Kosten des besonders riskanten Verhaltens tragen. (Falls sich die Politik um Altbesitzer von Immobilien sorgt, die sich die sprunghaft angestiegenen Kosten nicht mehr leisten können, kann sie die Versicherungspflicht mit risikoadäquaten Prämien auch nur auf alle Neubauten beschränken. Damit wäre der erwünschte Umlenkungseffekt des Neubaus in sicherere Lagen schon erreicht.)

Zweitens müssen die Versicherungen mit einem spürbaren Selbstbehalt versehen werden. Nur so machen sich die Immobilienbesitzer ausreichend Gedanken, wie sie selbst die im Katastrophenfall drohenden Schäden durch Vorsorgemaßnahmen begrenzen können.


NEIN

Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland

Die jüngste Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat es wieder gezeigt: Bei all der Not können die Eigentümer etwas beruhigter in die Zukunft blicken, die eine Elementarversicherung abgeschlossen haben. Alle anderen sind auf den guten Willen des Staates angewiesen. Was liegt also näher, als eine verpflichtende Elementarversicherung für alle Hauseigentümer einzuführen? Was auf den ersten Blick sinnvoll scheint, hat zahlreiche Nachteile.

Eine Pflichtversicherung mit einem einheitlichen Beitrag ist der falsche Ansatz, weil es dann keinen Anreiz gäbe, Risikogebiete zu meiden oder Schutzvorkehrungen zu treffen. Eine solche Einheitsversicherung einzuführen würde bedeuten, dass die Risikoscheuen die Risikofreude der anderen bezahlen. Deswegen müsste die Versicherung so gestaltet werden, dass die Versicherungsprämien je nach individuellem Risiko unterschiedlich hoch ausfallen. Diejenigen, die beispielsweise in einem Gebiet mit hohem Hochwasserrisiko leben, müssten deutlich mehr bezahlen. Selbst wenn es Unternehmen gäbe, die eine solche Versicherung anböten, wäre die Prämie inklusive hoher Selbstbeteiligung für viele Eigentümer unbezahlbar.

Und was ist mit jenen Hauseigentümern, die mit größter Wahrscheinlichkeit nie einen Elementarschaden erleiden werden? Bei denen stieße eine Pflichtversicherung auf wenig Verständnis. Warum sollten nur sie im Falle einer Hochwasserkatastrophe für die Schäden aufkommen und nicht vielmehr die Gesamtheit aller Steuerzahler in Form von staatlichen Hilfsaktionen.

Eine Versicherungspflicht schafft mehr Probleme als sie löst. Deshalb sollte es bei einer freiwilligen Versicherung bleiben. Diese auch tatsächlich abzuschließen – dafür muss die Politik werben. Hauseigentümer sollten bedenken, dass eine Elementarversicherung nicht nur bei Großkatastrophen einspringt, sondern sich auch lohnt, wenn man von einem Einzelereignis alleine betroffen ist.

(Fotos: ifo Institut, Die Hoffotografen)

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