Politik

23.05.2019

Soll es einen EU-weiten verbindlichen Mindestlohn geben?

Einen europaweiten Mindestlohn von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Landes fordert Kathrin Falch Gomez, Spitzenkandidatin der bayerischen Linken. CSU-Europa-Politiker Markus Ferber dagegen sagt: Europäische Gleichmacherei schade am Ende vor allem den europäischen Arbeitnehmern

JA

Kathrin Flach Gomez, Spitzenkandidatin der bayerischen Linken bei der Europawahl

Wir fordern einen europaweiten Mindestlohn, der bei 60 Prozent des durchschnittlichen Verdienstes im jeweiligen Land liegen muss und damit vor Armut schützt und ein gutes Leben ermöglicht.

Gute Löhne und soziale Mindeststandards sorgen für eine gesellschaftliche Teilhabe. Dazu gehört es, dass alle Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, einer guten Energie- und Wasserversorgung, Bildung, Gesundheit und Pflege haben.

In Deutschland läge ein armutsfester Mindestlohn bei 12 Euro in der Stunde. Der derzeitige Mindestlohn in Deutschland ist nicht armutsfest und im Angesicht der hohen Produktivität im Land nicht hinnehmbar. Die Niedriglöhne sind ein Faktor, der in Deutschland zu großen Exportüberschüssen führt. So wird die Wirtschaft in anderen EU-Staaten niederkonkurriert, indem Deutschland eine Spirale des EU-weiten Lohndumpings initiiert. Diese Spirale muss durchbrochen werden, und darum fordern wir gemeinsame Standards, die sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer*innen in der EU von ihrer Arbeit auch leben können.

Es darf nicht sein, dass Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können und sich die Konzerne eine goldene Nase verdienen, indem sie die Löhne immer noch weiter drücken. Hand in Hand damit geht unsere Forderung nach einem Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen, die ein gutes Leben und eine planbare Zukunft für die betroffenen Arbeitnehmer*innen verhindern und Armutslöhne mit geringen Sozialstandards verknüpfen.

Für uns Linke bedeutet eine gute Europapolitik darum eine soziale Integration der EU-Staaten, um dem Ziel gleichwertiger und guter Lebensbedingungen endlich näherzukommen. Eine rein wirtschaftliche und finanzmarktorientierte Integration lehnen wir ab, denn eine gute EU-Politik sieht sich den Bürger*innen verpflichtet und nicht den Profitinteressen der Banken und Konzerne!

NEIN

Markus Ferber (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament

Gute Arbeit muss auch fair bezahlt werden – daran besteht kein Zweifel. Was fair ist, hängt jedoch sehr stark vom jeweiligen Kontext ab. Niemand wird bestreiten, dass das allgemeine Lohnniveau, die Arbeitsproduktivität, die Lebenshaltungskosten, die Arbeitsmarktsituation und die allgemeine wirtschaftliche Situation zwischen den Mitgliedstaaten sehr stark variiert. All diese Faktoren sind jedoch beim Setzen eines Mindestlohns zu berücksichtigen.

Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bereits heute einen Mindestlohn, der sinnvoll ins nationale Lohngefüge passt. Die Spanne reicht hier von 1,72 Euro in Bulgarien bis zu 11,97 Euro in Luxemburg. Bei einem Mindestlohngefälle, das so weit auseinanderklafft, wie es in der Europäischen Union derzeit der Fall ist, würde ein verbindlicher EU-weiter Mindestlohn zwangsläufig nur für eine kleine Gruppe von Mitgliedstaaten perfekt passen.

Für alle anderen Mitgliedstaaten, bei denen der EU-Mindestlohn zu weit vom nationalen abweicht, würde es erhebliche Probleme geben. Entweder würde ein solcher EU-weiter Mindestlohn so hoch angesetzt, dass er in Mitgliedstaaten mit niedriger Arbeitsproduktivität und allgemein niedrigem Lohnniveau zu Arbeitslosigkeit oder Schwarzarbeit führen würde. Würde man sich hingegen für einen niedrigen einheitlichen Mindestlohn aussprechen, würde er in Ländern mit hoher Arbeitsproduktivität und höherem Lohnniveau das bereits bestehende Mindestlohnniveau drücken. Weder das eine noch das andere würde den Arbeitnehmern in der EU helfen.

Daraus ergibt sich ganz klar, dass die Frage, ob es einen Mindestlohn geben sollte und wie hoch dieser ausfallen sollte, in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben sollte. Europäische Gleichmacherei über einen verbindlichen EU-weiten Mindestlohn schadet am Ende vor allem den europäischen Arbeitnehmern. Deswegen lehne ich einen EU-weiten Mindestlohn ab.

Kommentare (1)

  1. Awoffm am 25.06.2019
    Richtig abenteuerlich ist die linke Forderung, Werkverträge schlichthin zu verbieten.

    Jeder Handwerker "schuftet" im Werkvertrag. Ist die normalste Sache der Welt. Wie anders will man denn vorgehen, wenn irgendwo irgendwas nicht funktioniert?

    Jeder halbwegs klar denkende Mensch ruft den Handwerksbetrieb seines Vertrauens und schließt damit einen Werkvertrag ab. Die Handwerker schulden den Erfolg, der Auftraggeber das Entgelt. Wo ist das Problem?

    Viele Grüße, André
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