Politik

04.03.2021

Soll in Bayern ein Corona-Bürgerbeirat eingesetzt werden?

Susanne Socher von Mehr Demokratie in Bayern fordert, die Kompetenzen der Bürger*innen bei der Bekämpfung der Pandemie einzubinden - in Form eines Corona-Beirats. Der Freie-Wähler-Mann Alexander Hold dagegen hält ein solches Gremium für wenig passend

JA

Susanne Socher, Geschäftsführerin von Mehr Demokratie in Bayern

Seit fast einem Jahr befinden wir uns in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Diese Situation hat massiven Einfluss auf unser Leben, auf unsere Freiheit und auf unsere Bürgerrechte. Die Entscheidung, Grundrechte einzuschränken, wird zum Teil hinter verschlossenen Türen getroffen, die Exekutive hat dabei einen deutlichen Machtzuwachs erhalten. Dringend sollten die Maßnahmen durch parlamentarische, zivilgesellschaftliche und breite wissenschaftliche Debatten legitimiert werden.

Ebenso sollte in die Bekämpfung der Pandemie dringend die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger eingebunden werden. So können alltagsuntaugliche und wenig wirksame Maßnahmen vermieden oder wieder korrigiert werden. Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger kann helfen, getroffene Maßnahmen auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen oder auszubauen und somit das Vertrauen in die Politik zu stärken.

Die Einsetzung eines Corona-Bürgerbeirats kann einen neuen Akzent bei der Pandemiebekämpfung setzen. Modell könnte der bereits berufene Beirat in Baden-Württemberg, Thüringen und auch in Augsburg sein. Auch für Bayern sollte zunächst breit und offen dazu aufgerufen werden, Themen zu benennen, für die vonseiten der Bürgerinnen und Bürger Gesprächsbedarf besteht. Ein im Losverfahren berufener Corona-Bürgerbeirat sollte sich dann die drängenden Fragen vornehmen und Empfehlungen an die Politik formulieren – in engem Austausch mit Landtag und Landesregierung.

Der Diskussionsprozess im Corona-Bürgerbeirat und die Reflexion der Ergebnisse im Landtag und der Landesregierung würden zu mehr Vertrauen in die Politik beitragen, und daraufhin beschlossene Maßnahmen und der Umgang mit den Folgen der Pandemie würden mehr Akzeptanz in der Bevölkerung finden. Bürgerinnen und Bürger einzubinden ist das beste Mittel, um dieser Situation gerecht zu werden und tragfähige und akzeptierte Lösungen für die Zukunft zu finden.
 

NEIN

Alexander Hold (FW), Vizepräsident des Bayerischen Landtags

Nach einem Jahr mit der Corona-Pandemie wird die Geduld der Menschen und auch die Zustimmung zu den tiefgreifenden Einschränkungen, die mit den Schutzmaßnahmen verbunden sind, zunehmend auf eine harte Probe gestellt. Es wird immer schwieriger, das Vertrauen und die Akzeptanz der Menschen für die getroffenen Maßnahmen zu erhalten und einer Spaltung unserer Gesellschaft vorzubeugen. Daher ist jede Bürgerbeteiligung willkommen, die es erleichtert, die Sorgen und Nöte unserer Bürger ernst zu nehmen und stärker in politische Abwägungs- und Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen.

Aber kann ein Bürgerbeirat das leisten? Als Spiegelbild der Gesellschaft müsste ein solches Gremium alle gesellschaftlichen Gruppen repräsentieren, was eine Einigung auf gemeinsame Positionen erschweren könnte. Außerdem käme einem solchen Bürgerbeirat nur eine beratende Funktion zu. Seine Empfehlungen hätten für politische Entscheidungsträger keine bindende Wirkung. Wer derzeit Bürger oder Interessenverbände zu coronarelevanten Themen befragt, erhält mit großer Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl verschiedener Ansichten. Es ist daher absehbar, dass Empfehlungen des Bürgerbeirats kontrovers gefasst würden. Sofern sie sich anschließend nicht in politischen Entscheidungen widerspiegeln, könnte dies bei den Menschen eher zu Frustration anstatt zu mehr Vertrauen und Akzeptanz führen.

Politik und Bürgerschaft werden aber bei der Bewältigung der Corona-Pandemie dringend benötigt. Es ist und bleibt daher Aufgabe aller gewählten Volksvertreter und politischen Entscheidungsträger, die Anregungen unserer Bürger gerade in dieser schwierigen Zeit ernst zu nehmen und in den parlamentarischen Diskurs einzubringen. Zugleich müssen sie klarmachen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, gewünschte Korrekturen am Corona-Kurs selbst und auf Basis von Fakten und wissenschaftlicher Expertise zu treffen.

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