Politik

Ein Stofftier in einem Zimmer des SOS-Kinderdorfes auf einem Bett - die SOS-Kinderdörfer haben im vergangenen Jahr mehr als 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. (Foto: dpa)

22.02.2016

SOS-Kinderdorf: Asylpaket gefährdet Kindeswohl

Geschäftsführerin Birgit Lambertz fordert, den Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge weiter zu erlauben

Der in München beheimatete Verein SOS-Kinderdorf hat an den Bundestag appelliert, im Asylpaket II den Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge weiter zu erlauben. Das Grundgesetz benenne den Schutz der Familie, die UN-Kinderrechtskonvention den Vorrang des Kindeswohls, sagte Geschäftsführerin Birgit Lambertz. Die aktuellen Gesetzespläne gefährdeten sowohl die Einheit der Familie als auch das Kindeswohl. "Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, diese Grundsätze im Gesetz zu berücksichtigen", sagte Lambertz. Der Bundestag berät an diesem Freitag erstmals über das zweite Asylpaket, das Schnellverfahren für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive, niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker und die Aussetzung des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter vorsieht. Es wird damit gerechnet, dass auch syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in diese Kategorie des untergeordneten Schutzes fallen. Lambertz zufolge haben die SOS-Kinderdörfer im vergangenen Jahr mehr als 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. "Die Kinder und Jugendlichen stehen unter einem hohen Druck", berichtete die Vereins-Geschäftsführerin. Sie hätten Schuldgefühle, weil sie in Sicherheit sind, und gleichzeitig große Sorgen um die Familie, die zurückgeblieben ist. "Sie spüren Verantwortung etwa für Geschwister", sagt Lambertz. Wenn sie dann das Gefühl bekämen, die Gesellschaft helfe ihnen nicht dabei, "suchen sie sich manchmal auch falsche Orientierung, um vermeintliche Hilfe zu finden", erklärte die promovierte Psychologin.

"Für junge Menschen ist das eine hochgradig belastende Situation"

Dazu gehöre etwa der Wunsch, schnell Geld zu verdienen, um die Familie zu unterstützen. Das Risiko durch Gefährdungen wie Extremismus, Diebstahl und Drogen sei höher. "Für junge Menschen ist das eine hochgradig belastende Situation", sagte Lambertz. Der Verein mit Sitz in München fürchtet zudem, dass das Gesetz vielen derzeit noch Minderjährigen ganz die Chance auf ein Nachholen der Eltern nimmt. Ein großer Teil von ihnen seien Jugendliche. Die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre sowie die ohnehin langen Verfahren würden in vielen Fällen dazu führen, dass Betroffene dann selbst volljährig sind und keine Möglichkeit mehr für den Familiennachzug haben, erklärte Lambertz. Unabhängig davon, ob die jungen Menschen in Deutschland bleiben oder später in ihre Heimat zurückgehen, bräuchten sie jetzt das Gefühl der Zugehörigkeit und Wertevermittlung, die am einfachsten in der Familie gelinge, sagte Lambertz: "In dem Alter braucht man eine klare Orientierung." Diese Phase lasse man ungenutzt verstreichen, wenn man nur die Versorgungssituation sichere. "Die Jugendlichen werden dadurch dauerhaft beeinträchtigt, ihr Leben gut in den Griff zu bekommen", sagte sie. (Corinna Buschow, epd)

Kommentare (4)

  1. Familie Scheffler am 05.03.2016
    Unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) können nur in Ausnahmefällen in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden. "Im Jahr 2015 wurden 21 Zurückweisungen, zehn Zurückschiebungen und keine Abschiebung von allein reisenden minderjährigen ausländischen Staatsangehörigen vollzogen" heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion (DIE WELT, www.welt.de) :
    http://www.welt.de/politik/deutschland/article152826568/Wie-Nordafrikas-Problemkinder-das-System-austricksen.html

    Wir meinen, dass jugendliche Intensivtäter doch zu ihren Herkunftsfamilien zurück in ihr Heimatland geschickt werden sollen. Denn die Familie ist gewiss der ideale Ort zum Aufwachsen für Kinder und Jugendliche - in diesem Punkt geben wir der Geschäftsführerin des SOS-Kinderdorf e.V. , Frau Dr. Birgit Lambertz, einmal recht.
  2. Ulrich Werner S. am 04.03.2016
    Die Geschäftsführerin und Pädagogische Leiterin des SOS-Kinderdorf e.V. , Dr. Birgit Lambertz, muss aufgefordert werden, den SOS-Kinderdorfmüttern, Erziehern und Sozialpädagogen in den deutschen SOS-Kinderdörfern unverzüglich Arbeitshilfen mit pädagogischen und psychologischen Hinweisen für den Umgang mit traumatisierten unbegleiteten minderjährigen Ausländern und ihre Erziehung zur Verfügung zu stellen, um dem Drogenhandel und der Kriminalität bei den dort betreuten Jugendlichen entschieden entgegen treten oder vorbeugen zu können. Mit ihrem Gesamtbudget von weit über 40.000 € täglich für dieses Klientel ist Derartigs für Dr. Birgit Lambertz und den SOS-Kinderdorf e.V. gewiss sehr leicht umsetzbar - und dies dürfen die deutschen Jugendämter auch als Selbstverständlichkeit erwarten, dass es bei ihren Beauftragungen des SOS-Kinderdorf e.V. bereits inkludiert ist. Qualitätsentwicklung ist ja ein sehr wichtiger Baustein im deutschen Kinder- und Jugendhilfegesetz ! Im Übrigen müssen große Teile der von SOS-Kinderdorf-Dienstleistungen in Deutschland Betroffenen immer noch auf die Veröffentlichung des bereits vor weit über einem Jahr angekündigten, neuen Leitbilds dieses gemeinnützigen Vereins warten.
  3. Markus H. am 01.03.2016
    Richtig! Und es erhebt sich auch die Frage, warum die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge (MUFL) überhaupt allein nach Deutschland kommen, wenn für sie die Einheit der Familie doch so wichtig ist. Ganz gewiss ist das Kindeswohl hier in Deutschland gar nicht gefährdet - da irrt Dr. Birgit Lambertz ganz gealtig. Denn die MUFL werden allem Anschein nach ja sehr gut betreut in Deutschland: mit Tagessätzen von durchweg mehr als 100 €, die die Jugendämter an Freie Jugendhilfeträger wie den SOS-Kinderdorf e.V. von Dr. Birgit Lambertz ja zahlen müssen. So viel bekommt KEIN deutsches Kind vom Staat, das bei seinen deutschen Eltern lebt!

    Sollte dennoch einer der MUFL erst jetzt feststellen, dass für ihn die Familie im Heimatland doch so wichtig ist, dass er in Deutschland sogar kriminell wird, um Geld für seine Familie zu beschaffen, gehört er ausgewiesen: zurück zu seiner Familie in seinem sicheren Herkunftsland! Und das ist auch vollkommen richtig so.

    Für alle anderen MUFL, die tatsächlich nicht nur einen subsidiären Schutz-Status haben, gilt der Familiennachzug ja auch weiterhin, auch mit dem Asylpaket II. Offenbar hat Dr. Birgit Lambertz das Asylpaket II falsch verstanden!
  4. Familie Scheffler am 27.02.2016
    Die Pädagogin, Psychologin und Geschäftsführerin des SOS-Kinderdorf e.V. , Frau Dr. Birgit Lambertz, ist bekanntlich immer sehr schnell dabei, den Hoheitsbereich aufzufordern angeblich notleidende Kinder oder Jugendliche noch besser zu unterstützen oder unsere Gesellschaft anzuklagen zu wenig Hilfe für Bedürftige zu leisten. Vor etlichen Monaten wollten die Führungskräfte dieses gemeinnützigen Vereins ja sogar Kinderrechte explizit in das deutsche Grundgesetz mit aufnehmen lassen; sie starteten eine groß angelegte Kampagne dafür und ließen sogar die dem SOS-Kinderdorf anvertrauten Kinder vor dem deutschen Justizminister skandieren: "Kinder haben recht...Kinder haben Rechte". Ganz peinlich ist das! Dieser Plan ging seinerzeit schief.

    Wir fordern Dr. Birgit Lambertz auf, Abstand von ihrem aktuellen Ansinnen zu nehmen, denn unser Staat gibt ganz offensichtlich bereits sehr viel mehr Geld für Flüchtlinge und speziell für unbegleitete minderjährige Jugendliche aus als er sich eigentlich leisten kann. Auch SOS-Kinderdorf e.V. betreut bereits sehr viele jugendliche Flüchtlinge. In ganz Deutschland werden aber die Etats für Soziales dramatisch und lang andauernd überzogen. Weitere Steuererhöhungen sind bereits absehbar, und zweifellos besteht die Gefahr, dass sich die Flüchtlingskrise in Deutschland bei Weitergewährung des Familienachzugs verschärfen oder sogar zu einem ganz großen Finanzdebakel für unseren Staat ausweiten könnte.

    Wir fordern Frau Dr. Birgit Lambertz auf sich zu mäßigen und in die Realität zurück zu kehren!
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