Politik

In Heilbädern kann man nicht einfach die Wassertemperatur absenken, denn diese ist Teil des Heilplans. (Foto: dpa/Patrick Seeger)

12.08.2022

Sportbad vor Spaßbad

Das Gas wird nicht für alle heizintensiven Wasser-Einrichtungen reichen – deshalb muss der Staat Prioritäten setzen

Bei Außentemperaturen von rund 30 Grad Celsius sind die Schwitzkammern derzeit zwar nur was für Hartgesottene – aber es dürfte ein Vorgeschmack sein auf den Herbst, wenn das dann nasskalte Wetter eher zu einem Besuch einlädt: Seit Monatsbeginn sind die städtischen Saunalandschaften in München geschlossen; bis auf Weiteres. Und in den Freibädern wird es kälter: Die trotz des Hochsommers beheizten Becken werden erneut um ein weiteres Grad herabgekühlt auf nun 27 Grad Celsius. Zwei Grad weniger – von 30 auf 28 Grad – sind es bei den Außenbecken der Hallenbäder. Das Dantebad macht es am knackigsten: Künftig kann dort nur noch bei 22 statt zuvor molligen 30 Grad geschwommen werden.

Gut so. Denn die Kommunen sind zwar nicht verantwortlich für den Gasmangel, sie müssen aber die Konsequenzen im wahrsten Sinne des Wortes ausbaden. Und wenn die Alternative lautet: Hallenbäder (und andere Sporteinrichtungen) ganz schließen oder nur ein wenig kühler machen – dann ist letzteres die sinnvollere Entscheidung. Nach fast drei Jahren der Pandemie den Menschen auch noch die Möglichkeit zum Sport zu nehmen, wäre rücksichtslos und kurzsichtig; von den gesundheitlichen Schäden nicht zu reden. Hallenbäder sind nicht zum Planschen da, sondern zum Schwimmen. Und bei sportlichen Wettkämpfen ist die Wassertemperatur auch niedriger; gesünder für den Kreislauf ist es allemal.

„Ein Moorbad bei 20 Grad? Bringt nix und ist Unsinn!“

Doch was für Gesunde noch angeht, wird für Kranke zum Problem. Davon ein Lied singen kann Peter Berek. Der CSU-Politiker ist Landrat des Landkreises Wunsiedel und Vorsitzender des Bayerischen Heilbäder-Verbands. „In Heilbädern kann man nicht einfach die Wassertemperatur absenken, denn diese ist Teil des Heilplans“, erläutert Berek im Gespräch mit der Staatszeitung. „Kälteres Wasser würde zu einer Veränderung der Therapieform führen. Einen Menschen mit Muskel- und Gelenksbeschwerden in ein 20 Grad kühles Moorbad setzen – das ist sinn- und wirkungslos.“

Die Energiekrise trifft derzeit die Heilbäder am heftigsten. „Wir können unsere gestiegenen Kosten auch nicht weiterreichen, denn mit den Krankenkassen sind feste Heil- und Kostenpläne vereinbart“, klagt Berek. Die Kassen jammern ohnehin seit Jahren, wie teuer sie die Kuren und Rehamaßnahmen zu stehen kommen.

Anders als die durch die öffentliche Hand bezuschussten städtischen Hallenbäder sind die Heilbäder ein echter Wirtschaftsfaktor. Nach Angaben ihres Verbandsvorsitzenden sorgen sie im Freistaat für rund 100.000 Arbeitsplätze und gerieren einen jährlichen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro. Sie einfach stillzulegen, ginge schon rein technisch nicht. „Wenn man beispielsweise die Europa Therme in Bad Füssing energetisch komplett auf Null schalten würde, dann ginge sie kaputt“, so Berek.

Kein Infektionsrisiko bei kaltem Wasser

Kaltes Wasser stellt kein Infektionsrisiko dar und richtig heißes auch nicht. Gefährlich wird es dagegen bei lauwarmer Plörre, in der viele Sporteinrichtungen jetzt ihr Heil suchen. „Dadurch steigt die Legionellen-Gefahr“, erläutert die Verbraucherschützerin Ute Gröblinghoff. Dieses Bakterium wiederum kann zu einer schweren Lungenentzündung führen. Ideale Bedingungen für die Vermehrung von Legionellen herrschen laut Ute Gröblinghoff bei Temperaturen ab 25 Grad Celsius.

Bleiben als dritte öffentliche Wassereinrichtung die Erlebnisthermen und Spaßbäder. Bei einer Gas-Triage könnten sie, da verzichtbar, hintenanstehen müssen. Die Therme Erding möchte das gar nicht erst riskieren. Man wolle „energietechnisch komplett autark werden. Gerade laufen die finalen Verhandlungen zur Auftragsvergabe für Photovoltaikanlagen“, sagt Geschäftsführer Jörg Wund.

Lutz Hertel vom Deutschen Wellness Verband vermutet, dass seine Mitgliedsfirmen langfristig zwei Strategien fahren werden, um dem Kostendruck zu begegnen: entweder besonders heizintensive Teilbereiche und spezielle Attraktionen schließen – oder weiter das gewohnte Angebot offerieren, aber zu höheren Preisen.

Das Überleben ist damit freilich nicht gesichert – was man beim Deutschen Sauna-Bund schon gecheckt und deshalb in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Wirtschaftshilfen und Kurzarbeitergeld gefordert hat. Doch in dem Verbund sind nicht nur öffentliche Saunen organisiert, sondern auch private Luxusresorts. Dass diese mit Steuergeld gerettet werden, während das städtische Hallenbad schließen muss – das kann die Politik kaum vermitteln.
(André Paul)

 

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