Politik

München, von oben gesehen. Auch die Landeshauptstadt und das Umland sind vom LEP betroffen. (Foto: dpa/Felix Hörhager)

09.06.2023

Stadt und Land, quo vadis?

Das neue Landesentwicklungsprogramm: Was es bringt

Jahrelang wurde in unzähligen Gremien um die Inhalte gerungen, zuletzt ging es sogar wegen einzelner Begriffe heiß her. Dient das Grundwasser in Bayern bevorzugt der Trinkwasserversorgung? Oder nur insbesondere? So stand es im Februar plötzlich in einem von CSU und Freien Wählern eingebrachten Antrag für die neueste Fassung des bayerischen Landesentwicklungsprogramms (LEP). Opposition, Kommunen und Umweltschutzverbände witterten eine Aufweichung des strengen Trinkwasserschutzes zugunsten der Getränkekonzerne. Angesichts des anhaltenden Protests zogen die Fraktionen den Antrag einen Monat später zurück.

Das Beispiel zeigt: Was im LEP steht, hat Konsequenzen für unseren Alltag. Wirtschaft, Verkehr, Klimaschutz, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Energie, Landwirtschaft: Es gibt keinen Bereich des Lebens, der nicht davon betroffen ist.

Seit 1. Juni gilt das von Schwarz-Orange erarbeitete bayerische Landesentwicklungsprogramm in seiner neusten Fassung. Auf 133 DINA4-Seiten legt es fest, auf welchen Flächen welche Nutzung wann erlaubt ist. Das reicht von Vorgaben zur Erhaltung von Almen über das Anbindegebot für neue Siedlungsflächen – dass man also Baugebiete nur direkt an vorhandenen Siedlungen errichten darf – bis zum Ziel, Flächen für den Naturschutz zu reservieren. Inhaltlich und räumlich konkretisiert werden diese Vorgaben dann in den Regionalplänen. Dafür sind die 18 regionalen Planungsverbände zuständig.

Den ländlichen Raum gestärkt

2013 wurde das LEP zum bisher letzten Mal komplett überarbeitet, seither gab es nur teilweise Änderungen. In der jetzigen Fassung ging es um die Stärkung des ländlichen Raumes, Reaktionen auf den Klimawandel, Umweltschutz und nachhaltige Mobilität, etwa durch einen Ausbau des Bahnschienennetzes.

Die Landtags-Grünen kritisieren das Programm als „rückwärtsgewandt“ und als „Fußtritt für den Klimaschutz“. Statt verbindlich bayernweite Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger und eine Begrenzung des Flächenverbrauchs auf 5 Hektar pro Tag zu verankern, sei lediglich eine „Schmalspur-Teilfortschreibung“ verabschiedet worden. Tatsächlich existiert seit 2021 die Vorgabe, den Flächenverbrauch bis 2030 auf 5 Hektar zu begrenzen. Allerdings auf freiwilliger Basis. Momentan beträgt der Verbrauch etwa das Doppelte. Die Grünen fordern auch mehr Vorgaben zum Klimaschutz, zur Energiewende und zum Grundwasserschutz. Und sie vermissen eine klare Absage an eine dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen.

Die Staatsregierung sieht das freilich anders. Das LEP sei „ein Meilenstein für den Klimaschutz“, heißt es aus dem bei der Teilfortschreibung federführenden Wirtschaftsministerium. In keinem anderen Bundesland gebe es bisher festgelegte Vorranggebiete für Klimaschutz. Künftig könne man zudem auch nicht mehr so einfach Gewerbegebiete ohne Anschluss an Siedlungsflächen errichten. Das sei nun nur noch bei Logistikbetrieben mit hohem Verkehrsaufkommen möglich, und zwar an Autobahnausfahrten.

Der Gemeindetag wünscht sich die Grundsteuer C

Bewusst habe man starre Vorgaben, etwa zum Flächensparen, vermieden, um den Kommunen Spielraum zu lassen. Das von Hubert Aiwanger (FW) geführte Ministerium sieht im neuen LEP auch eine Stärkung der regionalen Planungsverbände. Diese sollen etwa festlegen, wo Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für Windenergie, Bodenschätze oder Landwirtschaft sind.

Vor einem Jahr hatte der Bayerische Gemeindetag noch heftige Kritik geäußert. Die Angst vor einem möglichen Entwicklungsstopp in vielen Kommunen war einer der Gründe. „Es gab eine Verbesserung seit dem ersten Entwurf“, lobt Matthias Simon, Referent für Landesplanung beim Gemeindetag. Dennoch: Der Gemeindetag wünscht sich mehr Steuerungsrechte und weniger Beschränkungen für die Kommunen. Auf der Wunschliste des Verbands stehen ein Vorkaufsrecht der Gemeinden bei Baulücken sowie die Grundsteuer C. Mit dieser Steuer könnten Kommunen unbebaute, aber baureife Grundstücke mit einem gesonderten Hebesatz höher belasten als die anderen unbebauten Flächen und so womöglich Anreize zum Bebauen schaffen. Bayerns Staatsregierung bezweifelt die Wirksamkeit der Grundsteuer C und hat ihr deshalb wiederholt eine Absage erteilt.

Einen „Kompromiss ohne Biss“ nennt Landesentwicklungs-Experte Holger Magel das neue LEP. Magel, Ehrenpräsident der bayerischen Akademie Ländlicher Raum, vermisst beispielsweise individuelle Orientierungswerte für die Gemeinden beim Flächenverbrauch. Außerdem wünscht er sich Vorgaben, wie man großen Unternehmen Standorte abseits von München schmackhaft machen könnte.

Ist das LEP nun ein Meilenstein oder ein Rückschritt? Das wird sich erst in ein paar Jahren zeigen.
(Thorsten Stark)

 

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