Politik

Misshandelt und gequält, durch Verletzungen fürs Leben gezeichnet oder tot: Immer wieder schrecken Fälle von Kindesmisshandlungen auf. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

15.05.2020

Stumme Schreie

Wegen geschlossener Kitas und Schulen bleiben viele Kindesmisshandlungen im Verborgenen

Es muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein, der sich dem eintreffenden Notarzt am 21. April in einer Mönchengladbacher Wohnung bot. Ein fünfjähriger Junge lag tot auf dem Boden. Eine Obduktion der Leiche ergab später unter anderem massive Hämatome und eine Hirnschwellung. Der Lebensgefährte der Mutter soll das Kind totgeschlagen haben. Kinderschützer machten nach Bekanntwerden der Tat den durch die massiven Ausgangsbeschränkungen erhöhten Stress in Familien als vermutliche Ursache des Dramas aus.

Klar ist: Viele Eltern sind am Limit. Selbst gefährdete Kinder besuchen häufig noch immer keine Kitas. Es gibt Mütter oder Väter, die mit der 24-Stunden-Betreuung überfordert sind. Beengte Wohnverhältnisse und finanzielle Sorgen spitzten die Situation noch zu, heißt es bei der Kinderschutzstelle eines SOS-Kinderdorfs.

Michael Wagner, Leiter des Memminger Jugendamts, sagt: „Wenn sich Eltern um ihre berufliche Existenz Sorgen machen und nicht wissen, ob sie die nächste Miete bezahlen können, dann kann sich dieser Stress leicht auf die Kinder übertragen.“

Stress kann sich leicht auf Kinder übertragen

Arabella Gittler-Reichel, Leiterin des Jugendamts in Freising, mahnt ebenfalls, Konflikte könnten „angesichts der angespannteren Lebenssituation in manchen Haushalten nun schneller eskalieren und Kinder Gewalt oder Verwahrlosung erleben“. Dennoch verzeichneten viele Jugendämter in den Wochen der massiven Kontaktverbote eine rückläufige Zahl an gemeldeten Kindeswohlgefährdungen. Auch in Memmingen hat es laut Wagner in den vergangenen Wochen „deutlich weniger Meldungen gegeben als vor Corona“.

Doch dies heißt nicht, dass es weniger Fälle gibt. Experten gehen davon aus, dass in den vergangenen Wochen schlicht mehr Übergriffe gegen Kinder vor den zuständigen Behörden verborgen blieben. Denn jene Institutionen wie Kitas, Schulen oder Kinderarztpraxen, die in Normalzeiten oft auf mögliche Gefahren für die Mädchen und Buben aufmerksam werden, bekamen viele Kinder zuletzt überhaupt nicht mehr zu Gesicht. Mancherorts wie in Freising gingen allerdings jüngst viele durch die Polizei gemeldete Kindeswohlgefährdungen ein.

Ein Problem: Corona erschwert es den Jugendämtern, den Kontakt zu besonders überforderten Familien zu halten. In Freising etwa wurde deshalb mehr telefoniert oder Gespräche wurden an der Fensterscheibe geführt. „Aber am persönlichen Kontakt zum Kind führt kein Weg vorbei“, betont Gittler-Reichel. 
(Tobias Lill)

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