Politik

Wegen der Impfpflicht im Gesundheitsbereich gibt es erste Kündigungen von ungeimpften Krankenschwestern und -pflegern. (Foto: dpa/Bodo Schackow)

21.01.2022

Suche Job, bin ungeimpft ...

Die Impfpflicht für Pflegekräfte tritt am 15. März in Kraft – das führt schon jetzt zu Kündigungen der Betroffenen

Die Leserschaft des Traunsteiner Tagblatts traute am vergangenen Wochenende ihren Augen kaum: Obwohl in kaum einem anderen Berufsstand solcher Personalmangel herrscht wie in der Pflege, hatten rund 30 Krankenschwestern und -pfleger dort Annoncen geschaltet: Sie suchen alle eine neue Stelle; viele sind am örtlichen Klinikum beschäftigt. Überall steht ausdrücklich dabei, dass der oder die Jobsuchende ungeimpft sei.

Schon jetzt ist klar: Die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Impfpflicht für den Gesundheits- und Pflegebereich – sie soll am 15. März dieses Jahres in Kraft treten – dürfte die Krankenhauslandschaft erschüttern. Auch wenn sie ihre Fachkräfte gern behalten würden, bleibt den Kliniken keine andere Wahl. „Arbeitgeber, auf deren Unternehmen die Impfpflicht zutrifft, haben am 15. März die Pflicht, ihre ungeimpften Beschäftigten dem Gesundheitsamt zu melden. Wenn Beschäftigte binnen einer vom Gesundheitsamt festgelegten Frist keinen Impfnachweis vorlegen, verhängt das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot“, erläutert Sabine Karg, Sprecherin des Landesverbands Bayern beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Werde ein Beschäftigungsverbot erteilt, so seien die Betroffenen unbezahlt freigestellt, erhalten keine Bezüge mehr und sind auch nicht mehr sozialversichert, so Sabine Karg. Noch nicht geklärt sei, ob die Beschäftigten dann ein Anrecht auf Arbeitslosengeld 1 haben. Man habe zwar sowohl beim Bundesarbeits- als auch beim Bundesgesundheitsministerium nachgefragt, berichtet die Sprecherin. Aber die beiden Ressorts hüllen sich in Schweigen. Ob das Hausrecht des Klinikums oder das Recht der Krankenschwester höher zu bewerten ist, werde von den vom Verband befragten Jurist*innen unterschiedlich eingeschätzt.

Nach Erteilen des Beschäftigungsverbots können Beschäftigte laut Berufsverband auch nicht mehr gegen den Arbeitgeber klagen. Sie könnten allenfalls Verfassungsbeschwerde einreichen. Klagen kann nur, wer bereits jetzt unbezahlt freigestellt wurde.

Die Impfpflicht im Pflegebereich verschieben?

Immerhin: Einige Kliniken waren so kulant, Ungeimpfte bezahlt freizustellen, berichtet Sabine Karg. Das Kalkül dahinter: Sollte eine Klage gegen die Impfpflicht erfolgreich sein – und die Freigestellten theoretisch wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können –, dann würden sie das auch tun.

Unter den Beschäftigten der Kliniken und Heime herrscht vor allem Unverständnis darüber, dass nicht nur diejenigen, die unmittelbar Kontakt zu Patient*innen haben, sich impfen lassen sollen. Sondern alle Mitarbeitenden, also beispielsweise auch der Hausmeister oder die Sachbearbeiterin in der Buchhaltung. Doch hilft das eben Krankenhausbetreibenden, sich vor möglichen Klagen von Angehörigen abzusichern. Wer beispielsweise an einer Krebs- oder Herzerkrankung leidet, hat meist auch ein geschwächtes Immunsystem und ist anfälliger für sämtliche Infektionen. Sollte eine solche Person nach einer Ansteckung durch ungeimpfte Beschäftigte womöglich sterben, drohen dem Krankenhaus hohe Schadenersatzforderungen – unabhängig davon, ob die Ansteckung durch geimpfte Beschäftigte nicht den gleichen tragischen Verlauf genommen hätte.

Bei manchen Kliniken geht freilich trotzdem die Angst um, sich langwierige Arbeitsrechtsprozesse einzuhandeln. „Bereits jetzt mehren sich Anfragen von Unternehmen, wie sie mit sich weigernden Beschäftigten rechtlich verfahren sollen“, sagt Michael Fuhlrott, Sprecher des Bundesverbands der Fachanwälte für Arbeitsrecht und Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Er geht aber davon aus, dass vermehrt arbeitgeberseitige Kündigungen folgen werden. Laut Fuhlrott haben inzwischen auch Betrugsfirmen eine Marktlücke gewittert und locken Impfunwillige aus der Pflege mit gefälschten Impfnachweisen oder Attesten, dass man die Impfung nicht vertrage. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft versucht inzwischen, sich den drohenden Ärger mit dem Verweis, Omikron sei ja nicht so gefährlich wie frühere Mutationen und deshalb brauche es gar keine Impfpflicht, vom Leib zu halten.

Derweil hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Bundesregierung aufgefordert, die Frist zur Einführung einer Impfpflicht für Pflegekräfte und Beschäftigte in Kliniken, Altenheimen oder Arztpraxen „gegebenenfalls noch einmal kritisch zu überdenken“. Der Bund müsse zunächst noch offene Fragen klären, sagte Holetschek.

Mit einer steigenden Anzahl an Prozessen – freilich aus einem anderen Grund – rechnet auch Sabine Lotz-Schimmelpfennig, die Sprecherin des bayerischen Landesverbands der Verwaltungsrichter. Und zwar wegen sogenannter Kontraindikationen. Das heißt: Zwar könnte sich eine Fachkraft in der Pflege aus Angst um den Job impfen lassen – aber spätere Erkrankungen auf eben diese Impfung zurückführen und ebenfalls Schadenersatz fordern. Die Chancen dafür stünden nicht schlecht: Die langfristigen Folgen der Impfstoffe sind noch unbekannt, Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.

Während die Vertretungen von Pflegekräften, Klinikbetreibern und Arbeitsjurist*innen angesichts des nahenden Termins zur Impfpflicht angespannt sind, bleibt man im bayerischen Sozialministerium entspannt. Auf Nachfrage ist zu erfahren, es sei „noch nicht absehbar, ob und inwieweit es im Zuge der Einführung der berufsbezogenen Corona-Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen tatsächlich zu einer Klagewelle an den bayerischen Arbeitsgerichten kommen wird“. Eine Überlastung der Arbeitsgerichte in Bayern sei „aktuell jedenfalls nicht erkennbar“. (André Paul)

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