Politik

Auch im Bundestag gibt man viel Geld für externe Beratung aus – ein Ärgernis. (Foto: dpa/Christophe Gateau)

29.07.2022

Teure Ratschläge

Externe Politikberatung kostet viel Geld – der Mehrwert ist umstritten

Guter Rat ist teuer – schlechter aber auch. Die EU-Kommission gibt jedes Jahr rund eine Milliarde Euro für externe Beratung aus – knapp 0,6 Prozent des Haushalts. Hilfe benötigte die Kommission zum Beispiel bei der Erfassung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in Bosnien und Herzegowina – was verwundert. Denn was Behinderte brauchen, sollten Fachleute der Kommission eigentlich selber herausfinden können.

Bei über 32.000 Personen, die für die EU-Kommission arbeiten, ist es jedenfalls erstaunlich, dass für Kernaufgaben wie Außen-, Umwelt- und Klimaschutzpolitik zusätzliches Know-how eingekauft wird. Die EU-Kommission verteidigt die Ausgaben. „Die nur vorübergehend benötigte Einstellung von Spezialisten und Experten würde im Laufe der Zeit zu passiven Ressourcen führen“, sagt eine Sprecherin der BSZ. Es würde ohne Externe also noch teurer werden.

Der Europäischen Rechnungshof sieht das ein wenig anders. „Gewisse Aufgaben auszulagern kann natürlich nützlich und mitunter notwendig sein“, erklärt Prüfer François-Roger Cazala. Bei dem neuen Bericht stellten er und sein Team allerdings „Schwachstellen“ beim Mehrwert der Beratungsleistungen fest. Beispielsweise gebe es kein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis. Zusätzlich existierten „erhebliche Lücken“ bei der Rahmenregelung. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sich die EU-Kommission auf bestimmte Anbieter konzentriere und sich finanziell abhängig mache. Nicht zuletzt könnte es zu Interessenkonflikten kommen. Gegen geltende Vorschriften wurde laut Rechnungshof aber nicht verstoßen.

Über eine Milliarde Euro für Beratungsleistsungen

Viel Geld gaben auch die Bundesregierungen für externe Beratungsleistungen aus. Laut Bundesfinanzministerium waren es in der letzten Legislaturperiode über eine Milliarde Euro. Vielen dürfte noch folgende Berateraffäre in Erinnerung sein: Die damalige CDU-Bundesverteidigungsministerin und heutige Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, investierte 2019 mehr Geld für externe Beratung als alle anderen Ministerien zusammen. Zusätzlich stand der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags sah die Schuld aber lediglich bei „führenden Soldaten und Beamten“.

Sparsam war bisher auch die neue Ampel-Koalition nicht. Laut einer Anfrage der Linken wurden in sechs Monaten 305 Verträge im Wert von mindestens 271 Millionen Euro für externe Beratung und Unterstützung abgeschlossen. Externer Sachverstand sei „von erheblicher Bedeutung“, antwortet das Bundesinnenministerium stellvertretend für die Bundesregierung auf Anfrage der Staatszeitung. Insbesondere bei Aufgaben, „die nicht den üblichen Verwaltungstätigkeiten entsprächen“ – beispielsweise IT-Fragen. Natürlich sei man aber etwa durch Schulungen bemüht, den Anteil externer Unterstützung so gering wie möglich zu halten.

Der Bundesrechnungshof kann zwar in seinen Prüfungsberichten „keinen übermäßigen Einsatz externer Berater“ feststellen, fordert aber eine permanente kritische Überprüfung. „Der Staat muss zumindest seine Kernaufgaben stets durch genügend eigenes kompetentes Personal selbst wahrnehmen können“, sagt ein Sprecher im Gespräch mit der BSZ. Ansonsten komme es „zu einer schleichenden Erosion staatlicher Handlungsfähigkeit“ und insbesondere beim Verfassen von Gesetzen zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Zuletzt sei das Bundesumweltministerium negativ aufgefallen, weil es 2019 bei vielen geprüften Fällen „ministerielle Kernaufgaben“ an externe Dienstleister abgegeben habe.

Die bayerische Staatsregierung kann nicht sagen, wie viel Geld sie aktuell für Beratungsleistungen ausgibt. Zwischen 2017 und Februar 2019 waren es jedoch laut einer AfD-Landtagsanfrage 106 Aufträge im Wert von fast elf Millionen Euro, die Gesamtkosten beliefen sich bis dahin seit 2010 auf 19 Millionen Euro. Nichts sagen wollte die Staatskanzlei dazu, inwieweit die Forderungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofs umgesetzt wurden, der strengere Maßstäbe für die Vergabe von Gutachtenaufträgen gefordert hat – dabei war es um Beratungsleistungen zu allgemeinen Rechtsfragen gegangen, die der Rechnungshof wegen der vielen juristischen Fachkräfte in den Ministerien als „im Regelfall unnötig“ kritisiert hatte. „Externe Expertise wird zu Rate gezogen, wenn sie für Aufgaben dringend gebraucht wird und zugleich Mehrwert bringt“, betonte ein Sprecher knapp.

Mehrere Fachleute aus Politik- und Rechtswissenschaft wollten sich zu dem Thema überhaupt nicht äußern. Denn dazu müsse man sich die Gutachten anschauen, die vorhandene eigene Expertise des Staates und die konkrete Thematik prüfen. Die Grünen im Landtag hingegen fordern, die Abteilungen für Innenrevision in den Ministerien zu erweitern. Diese sind dafür zuständig, dass Beratung und Ausführung strikt getrennt werden. „Es kann nicht sein“, so Grünen-Finanzexperte Tim Pargent, „dass sich externe Gutachterinnen oder Gutachter selbst den nächsten Auftrag zuschustern.“ (David Lohmann)

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