Politik

Im Wahlkreis sind viele unzufrieden mit ihrem Minister Christian Schmidt. (Foto: dpa)

11.09.2017

Unnahbarer Agrarminister

Insektengift in Eiern, Milchpreisverfall, Geflügelpest - als Landwirtschaftsminister muss man viele Krisen meistern. Nicht alle Bauern sind jedoch mit der Figur zufrieden, die der CSU-Minister aus ihrem Wahlkreis dabei abgibt

Auch heute muss Bauer Max Engewald das Schild an den Hofladen hängen: "Eier von fröhlichen Hühnern ausverkauft". Der 31-Jährige setzt seit sechs Jahren auf Eier von gut 400 Hühnern, die auf einer riesigen Wiese frei herumlaufen dürfen. Seit dem Skandal um das Insektengift Fipronil sind seine Eier noch gefragter. Der Landwirt aus Oberasbach im Landkreis Fürth war wegen der Geflügelpest allerdings kurz davor, alles hinzuschmeißen. Von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) fühlte er sich während der Krise im Stich gelassen. Auch andere Bauern aus Schmidts Wahlkreis sind unzufrieden mit "ihrem" Minister.

"Schmidt hörte nur auf seine Experten, ohne sich gerade bei den kleinen Betrieben vor Ort ein Bild zu machen. Er ist eher ein Minister für die großen landwirtschaftlichen Betriebe", kritisiert Engewald. Der aus Emskirchen stammende Milchviehhalter Peter Meyer sagt: Am Anfang habe er gedacht, der Mann passe. Schmidt komme vom Land, der wisse um die Probleme der Landwirte. Inzwischen denke er anders. Früher habe man mit Schmidt problemlos in Kontakt treten können, doch jetzt als Minister sei er unnahbarer geworden.

Konkret erlebt hat Meyer das während der Milchpreiskrisen 2015 und 2016. Der Landwirt war Mitorganisator einer Dauerkundgebung vor Schmidts Wahlkreisbüro in Neustadt/Aisch. Gut zwei Wochen lang kampierten Meyer und seine Mitstreiter vor dem Eingang in einem Wohnwagen und forderten Anpassungen am Milchmarkt. Schmidt sei da gewesen, habe aber lieber ein Feuerwehrhaus eingeweiht, anstatt mit den Demonstranten zu reden. Erst sehr spät sei es schließlich zum Dialog gekommen. Das hätten viele Landwirte Schmidt übel genommen. Da habe er sehr viel Sympathie bei den Bauern verspielt, sagt Meyer.

Der Minister habe nicht einmal gegrüßt

Max Engewald berichtet Ähnliches: Bei einem Auftritt von Schmidt im Landkreis Fürth demonstrierte der 31-Jährige mit anderen Landwirten gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Der Minister sei mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei gelaufen, habe nicht einmal gegrüßt.

Schmidts Ministerium kann diese Kritik nicht nachvollziehen. "Der Austausch und stetige Gespräche sowohl mit Landwirten vor Ort wie ihren Verbandsvertretern gehören selbstredend zum Alltagsgeschäft des Bundeslandwirtschaftsministers", teilte eine Sprecherin mit. Zum Agrarminister wurde Schmidt, der kürzlich seinen 60. Geburtstag feierte, Anfang 2014. In seinem Wahlkreis, zu dem die Landkreise Fürth und Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim gehören, freuten sich damals viele Landwirte über die Personalie.

Peter Köninger aus Wilhermsdorf zeigt auch heute Verständnis: "Jedem Landwirt kann man es wohl als Minister nicht Recht machen." Köninger hat einen Milchviehbetrieb und ist Vorsitzender des Bauernverbandes im Kreis Fürth. Er lobt Schmidt für dessen "sachorientierte Politik". Besonders gut findet er, dass Schmidt "nicht polarisiert" und die konventionelle Landwirtschaft nicht gegen die Bio-Betriebe ausspielt.

Mehr Aufklärung der Verbraucher nötig

Auch Meyer findet nicht alles schlecht, was Schmidt gemacht hat. Der 53-Jährige lobt etwa das Milch-Reduktions-Programm. Dabei wurden finanzielle Hilfen für Landwirte daran geknüpft, dass eine bestimmte Milchmenge nicht überschritten wird. Die Beantragung der Hilfen sei auch sehr unbürokratisch möglich gewesen. Allerdings habe Schmidt sehr spät reagiert.

Max Engewald vermisst vor allem mehr Aufklärung der Verbraucher durch Schmidts Ministerium - anstatt eines neuen Tierwohl-Labels, das keinen erkennbaren Nutzen habe. Bestes Beispiel sei die Diskussion um das Schreddern männlicher Küken. Jeder habe nur über die süßen kleinen Küken gesprochen. Dass die Tiere für saftiges Hühnchenfleisch nach nur 28 Tagen Mast auch getötet werden, interessiere niemanden.

Das Ministerium verweist dagegen auf eine "umfassende" Aufklärungsarbeit mit Broschüren, Veranstaltungen, im Internet und mit Videos. Und um das Kükenschreddern zu verhindern, habe Schmidt die Forschung zur Geschlechtsbestimmung im Ei mit mehreren Millionen Euro Förderung vorangetrieben. Damit könnten männliche Küken aussortiert und somit gar nicht erst ausgebrütet werden. Dies sei auch für die Brütereien "wirtschaftlich attraktiv".

Während der Geflügelpest musste Engewald seine an Freilauf gewohnten Hennen mehrere Wochen lang auf wenigen Quadratmeter einsperren. Viele Tiere verletzten sich gegenseitig, etliche starben. Schmidts Sprecherin rechtfertigt die damaligen Maßnahmen: "Alle Fachleute waren und sind sich einig, dass die Verschärfung der Biosicherheitsmaßnahmen gerade auch bei den kleinen, nicht gewerblichen Geflügelhaltungen eine wichtige Rolle zur Vermeidung der Verschleppung der Tierseuche spielt." Grundsätzlich gelte bei der Bekämpfung der Vogelgrippe "Vorsorge statt Nachsorge".

Engewald erzählt, die Behörden hätten ihm dem Rat gegeben, er solle seine Tiere einfach schlachten. "Schadenersatz hätte ich nur bekommen, wenn in meinem Betrieb tatsächlich die Geflügelpest ausgebrochen wäre." (dpa) Foto (dpa): Der Geflügelbauer Max Engewald fühlt sich von Landwirtschaftminiser Schmidt im Stich gelassen. 

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