Der bayerische Heimatpflegeverein schlägt Alarm: Wegen der aktuellen Corona-Entwicklung sei der soziale Frieden in großer Gefahr. „Zwischen Impfverweigerern und Geimpften ist ein tiefer Riss entstanden, der sich leider auf sehr vielen Ebenen bemerkbar macht“, sagt der Vorsitzende Olaf Heinrich. Das gelte im Privatbereich, aber auch für das Ehrenamt. Ganze Vereine seien in ihrem Fortbestand bedroht, weil Mitglieder eine Impfung ablehnen oder sich nicht testen lassen wollten.
Tatsächlich zeigt eine bundesweite Erhebung der Zivilgesellschaft in Zahlen (Ziviz) aus dem Sommerhalbjahr, dass bei rund 30 Prozent der zivilgesellschaftlichen Organisationen die Mitgliederzahlen seit Beginn der Corona-Pandemie stagnieren. Weitere 13 Prozent verlieren sogar Mitglieder. In der aktuellen Situation dürften die Zahlen wohl noch gestiegen sein.
Viele bayerische Vereine bestätigen das. Allerdings machen sie nicht nur die Impfquote für die Probleme verantwortlich. „Die G-Regeln zu überprüfen stellt viele Vereine vor eine große Herausforderung“, klagt der Präsident des bayerischen Landes-Sportverbands, Jörg Ammon. Viele Mitgliedsverbände könnten auch den Sinn von 2G plus bei Sport im Freien nicht nachvollziehen. Zusätzlich sei das regelmäßige Testen ein großer Zeitaufwand. Ammon plädiert daher dafür, beim Sport auf das zusätzliche Testen zu verzichten.
Einsatzbereitschaft nicht gefährdet
Bei den bayerischen Feuerwehren gilt die 3G-Regel. Der Feuerwehrverband betont deshalb, dass die Einsatzbereitschaft nicht gefährdet sei. Durch 3G blieben auch Ungeimpfte „feuerwehrtauglich“. Einen Mitgliederschwund habe es bis Oktober nur im Jugendbereich gegeben. „Insbesondere der Übungs- und Ausbildungsbetrieb sowie die Pflege der Kameradschaft waren und sind aber eingeschränkt“, sagt der Vorsitzende Johann Eitzenberger. Laut der neuen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gilt für Teilnehmende an Präsenzveranstaltungen der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung bayernweit 2G.
„Die langen Lockdown-Phasen haben auch bei uns ihre Spuren hinterlassen“, klagt Andreas Horber vom bayerischen Blasmusikverband. Viele Mitglieder seien einfach bequemer geworden und fühlten sich unwohl, sich mit vielen Menschen gemeinsam in einem Raum aufzuhalten. „Dies hat zu Mitgliedsverlusten geführt, die bei kleineren Vereinen vereinzelt auch existenzgefährdend sind.“
Horber wünscht sich von der Politik, die relativ kurze Übergangsfrist für ungeimpfte Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren zu überdenken. Denn ab nächstem Jahr gilt auch für sie 2G plus. Die geplante Impfpflicht für die jungen Leute gefährde die Teilnahme am sozialen Leben und auch die Freundschaften innerhalb der Vereine. So sieht das auch die Initiative Familien in Bayern. Und auch die Grünen im Freistaat plädieren im Fall aller Minderjährigen für 3G – die FDP zumindest beim Sport.
Spannungen im Vereinsleben
Die 2G- beziehungsweise 3G-Regelungen haben auch Auswirkungen auf die ehrenamtliche Arbeit des Sozialverbands VdK in Bayern. Die Maßnahmen stoßen zwar „im Großen und Ganzen“ auf Verständnis. „Viele unserer Mitglieder sind aber gesundheitlich vorbelastet und haben sich wegen der Pandemie stark zurückgezogen“, sagt Sprecherin Bettina Schubarth. Auch neue Ehrenamtliche zu gewinnen sei unter Pandemiebedingungen schwierig, weil die persönliche Ansprache fehle.
In einem Punkt geben aber fast alle Vereine dem Heimatpflegeverein recht: Die Diskussion über die Impfung führt zu Spannungen im Vereinsleben. Die Lösungen dafür sind unterschiedlich. Die Mehrheit unterstützt laut Ziviz-Studie Aufrufe zur Corona-Impfung oder stellt Impfinformationen bereit. Andere rufen zur Versachlichung der Diskussion auf. Jede zehnte Organisation sieht die Lösung darin, das Thema Impfung bewusst nicht zu thematisieren.
Für den Psychologen Dieter Frey von der Uni München kommt gerade den Menschen mit Führungsposition in Vereinen eine wichtige Aufgabe beim Impfen zu. Sie könnten aufgrund ihrer Stellung sachlich mit den Menschen reden. „Wichtig ist, dass man die Bedenken ernst nimmt, denn nur so ist ein Dialog möglich.“ Druck führe nur dazu, dass die Spaltung zwischen Geimpften und Ungeimpften und damit die Vorurteile weiter zunähmen.
(David Lohmann)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!