Möglichst wirtschaftlich mit öffentlichen Mitteln umgehen. Das ist das Prinzip des Vergaberechts, nach dem staatliche Bauaufträge vergeben werden. Das Bauamt schreibt einen Auftrag aus, Baufirmen können sich innerhalb einer bestimmten Frist mit einem Angebot bewerben. Und das Bauamt wählt dann das geeignetste Angebot aus. Kein schlechtes Prinzip, wenn sich alle an die Regeln halten. Wenn also weder die Baufirmen heimlich Preisabsprachen untereinander treffen, noch die Beamten bestechlich sind.
Aber auch, wenn alles regelkonform läuft, kommt es zunehmend zu Problemen. Bayerische Baufirmen haben derzeit sehr gut zu tun. Es kommt vor, dass sie sich gar nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Oder es bewirbt sich nur eine Firma, und dann mit gepfefferten Preisen. Die Behörden müssen dann entweder mehr zahlen oder lange nach einem geeigneten Angebot suchen.
Faire Unternehmen müssen mit Billiganbietern konkurrieren
Dass Baukosten im Angebot häufig höher ausfallen als von den Bauämtern angenommen, liegt indessen nicht an gierigen Baufirmen, argumentiert Josef Wallner vom Bayerischen Bauindustrieverband: „Speziell die Kommunen planen oftmals lange und kalkulieren dann mit völlig veralteten Kostenansätzen.“ Dies betreffe hauptsächlich die Baumaterialpreise, die Energiekosten und etwa gestiegene energetische Anforderungen. „Naturgemäß“, so Wallner, weiche ein „realistisch kalkulierter, aktueller Baupreis“ dann von den Vorstellungen der Kommunen ab.
Aber das müssten die Kommunen doch auch wissen? „Die Bauherrenkompetenz der Kommunen lässt oft sehr zu wünschen übrig“, entgegnet Wallner. Personalabbau in den Bauämtern führe dazu, „dass dort niemand mehr in der Lage ist, eine gute Ausschreibung durchzuführen“. Die Folge: Der Auftrag gehe am Ende nicht an den besten Anbieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot, sondern an den billigsten.
Ein Problem, über das sich die Münchner Bauunternehmerin Elisabeth Renner seit mehr als zwei Jahrzehnten ärgert. „Wir zahlen unseren Angestellten sehr gute, übertarifliche Löhne. Und zwar das ganze Jahr mit Weihnachts- und Urlaubsgeld, obwohl sie witterungsbedingt nicht das ganze Jahr für uns arbeiten“, sagt Renner. Wer als Unternehmer so agiert, gilt als vorbildlich. Die Stadt München hat das Bauunternehmen Renner 2006 mit dem Erasmus-Grasser-Preis geehrt für herausragende Leistungen in der Lehrlingsausbildung. „Wir verhalten uns absolut korrekt“, sagt Elisabeth Renner.
Der Wettewerb ist völlig verzerrt, klagen Bauunternehmer
Aber genau deshalb sei ihr Unternehmen nicht in der Lage, mit Billiganbietern am Bau zu konkurrieren. „Nach unserer Erfahrung bekommt immer der Billigste den Zuschlag. Das sind Firmen, die mit Subunternehmern arbeiten, Billiglöhne bezahlen und nur einen Bruchteil der Abgaben zahlen, die wir an den Staat abführen“, sagt Renner. Der Wettbewerb sei mittlerweile „völlig verzerrt“.
Elisabeth Renner war nicht untätig. Sie hat Briefe geschrieben. Den ersten 1994 an Münchens damaligen Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) mit der Bitte, die Vergabeordnung zu ändern: Nicht der niedrigste Preis dürfe allein entscheidend sein, sondern auch Termin und Qualität. Geändert hat die Stadt die Vergabeordnung nicht.
Vor zwei Jahren hat sie sich noch einmal beschwert. 18 Baufirmen hatten sich für den Bau von 40 städtischen Wohnungen beworben. Den Auftrag bekam ein Unternehmen, das als einziges 50 Prozent günstiger gewesen sei. „Die meisten Angebote lagen zwei, drei Prozent auseinander“, erinnert sich Renner. Eine seriöse Baufirma könne gar nicht so viel billiger sein. „Wir zahlen alle dasselbe für Beton und Stahl. Um auf so einen Dumpingpreis zu kommen, muss man die Löhne drücken.“ Das sehr günstige Bauunternehmen ging ein paar Monate später pleite. Der städtische Bauauftrag musste neu ausgeschrieben werden „und hat den Steuerzahler einen dicken Batzen Geld gekostet“, sagt Renner. Gelernt habe aber niemand daraus.
Einerseits soll der Staat für faire Löhne und Arbeitsbedingungen sorgen. Andererseits soll er sparsam sein und nicht zu teuer bauen. Ein Dilemma, das sich verschärft, wenn immer mehr gebaut wird und die Bauämter ihr Personal nicht aufstocken.
Beschwert hat sich Elisabeth Renner vor zwei Jahren auch bei Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Sie erhielt einen Anruf aus dem Ministerium, Aigner werde sich bald telefonisch bei ihr melden. „Aber“, sagt Renner, „dieser Anruf kam nie.“ (Jan Dermietzel)
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