Politik

Einfahrt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig. Der unter Terrorverdacht festgenommene Dschaber al-Bakr war hier am Mittwoch in seiner Zelle erhängt aufgefunden worden. (Foto: dpa)

13.10.2016

Viele offene Fragen

Wie kann es sein, dass sich ein dringend Terrorverdächtiger in seiner Gefängniszelle umbringen kann? Politiker sprechen von einem Fiasko

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat eine schnelle und umfassende Aufklärung des Todes des Terrorverdächtigen Dschaber Al-Bakr in einer Gefängniszelle gefordert. Was in der Nacht in Leipzig passiert sei, verlange danach, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin". Innenpolitiker des Bundestags drangen auf eine schonungslose Fehleranalyse der Behörden. Man müsse jetzt genau schauen, wer die Verantwortung für dieses "Fiasko" der sächsischen Justiz trage, sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz im Deutschlandfunk. Der Pflichtverteidiger Al-Bakrs sprach von einem "Justizskandal".

Der unter Terrorverdacht festgenommene 22-jährige Syrer war am Mittwochabend erhängt in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Leipzig gefunden worden. Um 11.00 Uhr wollen die sächsischen Behörden über den Fall informieren.

Der Bundesinnenminister sagte, die Ermittlungen zu dem mutmaßlich durch den anerkannten Flüchtling geplanten Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen würden dadurch erschwert. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von einer "Tragödie". Da Al-Bakr ja wohl bereit gewesen sei auszusagen, verliere man "eine wichtige Informationsquelle". Es gebe viele offene Fragen, "um die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten". Die Verantwortlichen in Sachsen müssten nun Fehler eingestehen. Er gehe aber davon aus, dass es am Ende wieder heißen werde, man habe alles richtig gemacht. Notz sagte, in der kommenden Woche werde sich auch der Innenausschuss des Bundestages mit den Hintergründen des Falles befassen.

Verteidiger: Suizid-Risiko war bekannt

Al-Bakrs Verteidiger, der Dresdner Rechtsanwalt Alexander Hübner, sagte "Focus-Online", der Justizvollzugsanstalt Leipzig sei das Suizid-Risiko des Mannes bekannt gewesen. Al-Bakr habe in der Zelle zuvor bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert. Die Umstände der Haft seien besorgniserregend gewesen, sagte Hübner am Morgen im Deutschlandfunk. "Ich spreche nur mal den Hungerstreik an und auch das Verweigern von Flüssigkeiten. Das ist ja schon was, dass sich jemand wohl offensichtlich selbst schädigen will." Hübner hatte demnach noch nachmittags mit dem JVA-Leiter telefoniert. Dieser habe ihm versichert, dass Al-Bakr ständig beobachtet werde.

Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über den Tod des Syrers berichtet. Die Zeitung schrieb, seine Zelle sei offenbar nur einmal pro Stunde kontrolliert worden.

Al-Bakr war am Montag in Leipzig festgenommen worden. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte der anerkannte Flüchtling einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant und bereits weitestgehend vorbereitet. Der Anschlag wäre binnen Tagen möglich gewesen, sagte Behördenpräsident Hans-Georg Maaßen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Hat sich Al-Bakr nach seiner Flucht radikalisiert?

Drei syrische Landsleute hatten Al-Bakr am Montag erkannt, überwältigt und der Polizei in Leipzig gefesselt übergeben. In seinen Vernehmungen bezichtigte Al-Bakr nach dpa-Informationen die drei Syrer der Mitwisserschaft. Inwieweit diese Aussage von den Ermittlern als glaubhaft eingestuft wird, blieb zunächst unklar.

Am Samstag war ein erster Versuch der Polizei, Al-Bakr in Chemnitz festzunehmen, gescheitert. In der Wohnung dort fand die Polizei 1,5 Kilogramm des hochgefährlichen Sprengstoffs TATP. Der Wohnungsmieter wurde als mutmaßlicher Komplize verhaftet.

Al-Bakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder in Syrien. Das habe die Familie des 22-Jährigen mitgeteilt, berichtete das Magazin "Exakt". Mitbewohner aus dem nordsächsischen Eilenburg hätten ebenfalls von seinem Aufenthalt in Idlib berichtet. Sie hätten den 22-Jährigen aber nicht als besonders religiös beschrieben. Nach seiner Rückkehr soll er sich jedoch verändert haben. (dpa)

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