Politik

Kinderbetreuung zu Hause ist nur selten so harmonisch wie hier – dennoch entscheiden sich gerade mehr Eltern dafür. (Foto: dpa/Juanma Cuevas)

02.05.2025

Wahlfreiheit: Schön wär’s

Nicht zuletzt wegen schlechter Kita-Qualität betreuen wieder mehr Eltern ihre Kinder daheim

Für Kai Buder gibt es gute Gründe, ein Kind früh in die Kita zu geben: „Zum Beispiel, wenn die Eltern suchtkrank sind.“ Ist die Familie intakt, lautet ihre persönliche Überzeugung: Die Lebenswelt des eigenen Kindes mindestens drei Jahre lang intensiv zu teilen, ist besser.

Kai Buder befasst sich mit dem Thema Kinderbetreuung privat und persönlich. Sie ist Erzieherin und Mutter von vier Söhnen. Zum Tag der Kinderbetreuung am 12. Mai wünscht sie sich echte Wahlfreiheit für Eltern in puncto Betreuung.

20 Jahre ist es her, dass ihr erster Sohn zur Welt kam: „Ich war mitten in meiner Erzieherausbildung.“ In München hatte Kai Buder damals gelebt. Um die Ausbildung abzuschließen, gab sie ihren Sohn mit zehn Monaten in die Krippe: „Ich hatte eine gute, familiäre Einrichtung gefunden.“ Von der Krippe kam der Junge nahtlos in die Kita. Danach in einen Hort. Er war also lange fremdbetreut. Buder findet: „Das war nicht so gut für ihn.“ Ihr Sohn, hatte sie spät erkannt, hätte mehr Natur gebraucht. Und womöglich mehr Mutter.

Nur wohlhabendere Eltern haben eine echte Wahl

Viele Mütter, sagt die Erzieherin, können nicht wirklich frei wählen, wie sie ihr Kind betreuen möchten. In erster Linie stehen dem finanzielle Nöte entgegen. Das hatte sie selbst mit ihrem zweiten Sohn erlebt: „Irgendwann gingen mir die Finanzen aus.“ Zum Glück fand sie rasch eine Krippe als neue Arbeitsstätte. Die Vorgesetzten dort akzeptierten es, dass sie ihren damals neun Monate alten zweiten Sohn mit in die Gruppe nahm. Diese Chance haben die wenigsten Mütter, sagt die Pädagogin, die sich im Verband kinderreicher Familien engagiert und deshalb etliche Kontakte zu Müttern hat.

Natürlich sollen Kinder andere Kinder treffen. Und nicht ausschließlich mit ihrer Mami zusammen sein. Bei ihrem dritten Sohn, einem hochbegabten Jungen, fand Buder eine in ihren Augen perfekte Lösung: „Ich gab ihn drei Stunden am Tag in eine Spielgruppe.“ Während er dort war, konnte sie sich um ihr viertes Kind, damals ein Baby, kümmern.

Kinder, sagt Bernhard Kalicki von dem in München angesiedelten Deutschen Jugendinstitut (DJI), profitieren von Kindertagesbetreuung und früher Bildung. Und zwar vor allem dann, wenn es wenig familiäre Lernangebote gibt. Auf die Bindungsbeziehung zur Mutter habe die Kita-Betreuung Untersuchungen zufolge keinen negativen Effekt. Aktuell gebe es allerdings ein großes Problem: „Viele Träger schränken die Öffnungszeiten aufgrund hoher Personalausfälle ein oder schließen Kitas.“

Kalicki vermutet, dass mehr Eltern den Kita-Start ihres Kindes angesichts dieser Situation hinauszögern. Dies zeige sich aber noch nicht in repräsentativen Zahlen.
Familien sollen frei entscheiden können, wie sie ihr Kind betreuen, betont Andreas Klingebiel aus dem oberbayerischen Freising. Dafür engagiert sich der kaufmännische Angestellte im Vorstand der bundesweiten Initiative Familien. Aus seiner Sicht gibt es kein „richtig“ oder „falsch“. Geht er die Mitglieder der Initiative Familien durch, kann er keine grundsätzlichen Zweifel an einer relativ frühen Fremdbetreuung feststellen. Dass aktuell anscheinend länger zu Hause betreut wird, liegt auch nach seiner Beobachtung am Personalmangel und der dadurch bedingt oft unzureichenden Qualität der Kita-Betreuung. Klingebiel stimmt Kai Buder zu, dass nur betuchtere Eltern eine echte Wahl haben, ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in eine Kita geben. „In München müssen viele Mütter früh arbeiten, weil der finanzielle Druck hoch ist“, sagt der Oberbayer. Im ländlichen Raum hingegen könnten Mütter meist nicht freiwillig früh wieder in den Beruf einsteigen, weil die Kita am Mittag schließt.

Laut Annabel Staab, Leiterin der Schwangerenberatungsstelle von Donum vitae in Aschaffenburg, wäre es optimal für das Kind, könnte es in den ersten eineinhalb Lebensjahren in der Familie bleiben. Vorausgesetzt natürlich, dass die Familie einigermaßen intakt ist. Dies legen nach ihren Kenntnissen Studien zur Bindungsentwicklung nahe. „Viele Frauen genießen diese Zeit auch“, erfährt sie durch ihre Beratungen. Klar sieht aber auch sie, in welchem Maße der Faktor Geld in die Betreuungsfrage hineinspielt: „Verheiratete Frauen, deren Partner genügend Einkommen haben, um den Lebensunterhalt zu sichern, nehmen tendenziell eher länger Elternzeit.“ Ledige Frauen, erlebt sie, steigen trotz fester Partnerschaft tendenziell früher wieder ins Berufsleben ein: „Oft in Teilzeit.“ Deutlich benachteiligt seien Alleinerziehende. Viele müssten, ob sie wollten oder nicht, ein Jahr nach der Geburt wieder Vollzeit tätig werden.

Wie sich der Besuch der Krippe auf ein Kind auswirkt, könne man nicht voraussagen, erklärt Familienbegleiterin Franziska Fiedler aus Heilbronn. Das hängt nach ihrer Ansicht entscheidend davon ab, wie gut die Krippe ist: „Gute Krippen schaffen es, dass sich die Kinder geborgen und sicher fühlen.“ Wobei selbst gute Krippen nicht von jedem Kind geliebt werden. Auch Franziska Fiedler plädiert dafür, dass jede Familie die Betreuung so handhaben können soll, wie es für sie am besten passt. Wobei es Kinder gibt, denen es in der Kita objektiv betrachtet besser gehe als daheim: „Da sie zu Hause beispielsweise Gewalt erfahren oder vernachlässigt werden.“ Ein sehr sensibles Kind wiederum, das gezwungen ist, in eine schlechte Krippe zu gehen, weil die Mutter arbeiten muss, könne hierdurch seelisch beschädigt werden.

Daheim erziehen? Da staunte der Freundeskreis

Marlies Gebrande aus München beschloss, in den ersten drei Jahren bei ihrem Sohn zu sein. Der Bub ist nun ein gutes Jahr alt. Bis Ende April hatte sie ihn allein zu Hause betreut. Ab Mai will die Heilpädagogin wieder einen Tag pro Woche arbeiten gehen: „Dann ist mein Sohn bei meinen Eltern.“ Den Jungen in die Krippe zu geben, lehnt die 29-Jährige ab. Zum einen möchte sie das Aufwachsen ihres Kindes so intensiv wie möglich miterleben. Zum anderen weiß sie, da sie vom Fach ist, wie es in Kitas gerade ausschaut: „Der Personalmangel ist riesig, die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen arbeiten sich ab, es ist einfach nur traurig.“

In ihrem Bekanntenkreis, gibt die Münchnerin zu, stößt ihre Entscheidung auf Erstaunen. Wirklich negative Reaktionen habe es bis jetzt zwar noch nicht gegeben: „Aber ich bin mir manchmal sicher, dass gedacht wird, eine emanzipierte Frau könne doch nicht drei Jahre zu Hause bleiben.“ Emanzipation bedeutet für Marlies Gebrande allerdings, frei zu entscheiden. Das hat sie getan. Zum Tag der Kinderbetreuung wünscht auch sie sich echte Wahlfreiheit. Und vor allem bessere Bedingungen in der Kita. (Pat Christ)

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