Wirtschaftspolitik war in diesem Jahr vor allem Krisenpolitik. Am Anfang ging es darum, die Überbrückungshilfen, Selbstständigenprogramme und was es sonst noch an Unterstützung für pandemiegebeutelte Unternehmen und Kulturschaffende gab, an die Bedürftigen zu bringen. Am Ende werden es mehr als acht Milliarden Euro gewesen sein. Später drückten Lieferengpässe und der globale Materialmangel auf die anspringende Konjunktur. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) organisierte unter anderem ein „Halbleiter-Bündnis“, um wenigstens den Nachschub an dringend benötigten Mikrochips nicht ganz versiegen zu lassen. Insgesamt ist Bayerns Wirtschaft ganz ordentlich durch das zweite Corona-Jahr gekommen. Die Auftragsbücher sind voll, die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie vor Krisenbeginn. Ansonsten erwähnenswert: Die Förderung von Start-ups wurde verbessert und die Wasserstoffstrategie durch die Ansiedlung des Nationalen Wasserstoffzentrums in Niederbayern vorangetrieben.
Das alles überstrahlende Thema in der Agrarpolitik war heuer der Preisverfall auf dem Markt für Schweinefleisch. Hauptursache war, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) nun auch in Deutschland angekommen ist. Der Export in ASP-freie Länder, vor allem nach China, ist in der Folge zusammengebrochen. Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) versuchte, die Lage der betroffenen Betriebe durch Investitionshilfen zu verbessern – mit bislang mäßigem Erfolg. Besser läuft es dagegen beim Umbau der bayerischen Forsten in klimastabile Wälder. Hier wird gepflanzt, was die Baumschulen hergeben. Allerdings ist vielerorts der Wildverbiss weiter zu hoch und gefährdet die Umbauerfolge. Für Aufregung sorgte Kaniber bei den Milchbauern, als sie „den Anfang vom Ende der Anbindehaltung“ von Kühen ankündigte. Und sonst? Auf einer staatlichen Versuchsfläche in Franken ist es gelungen, Trüffel zu züchten.
Kinder und Jugendliche leiden besonders
Im Bereich Sozialpolitik beklagte auch die Staatsregierung im zweiten Pandemiejahr: Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen. Seit Ende Mai immerhin blieben die Schulen und Kitas offen. Und Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) schuf neue Stellen, unter anderem für Sozialarbeit und Familienberatung. Auch Ferien- und Tutorenprogramme wurden aufgelegt. 40 Millionen Euro stellte der Freistaat bereit für die Förderung der Jüngsten, die Söder im März sogar zur Chefsache erklärt hatte. Umso absurder ist nun, dass der Freistaat mit seiner 2G-Regelung einen großen Teil der über Zwölfjährigen im neuen Jahr von der Jugendarbeit ausschließen will. Ebenfalls wichtig war der Kita- und Ganztagsausbau. Vor allem letzterer droht in Bayern ins Stocken zu geraten. Aktuell kämpft die CSU in Berlin um eine Fristverlängerung für die Förderungen. Eine Verkürzung der Ausbildung von fünf auf vier Jahre soll indes den Erzieher*innen-Beruf attraktiver machen. Ob das den Fachkräftemangel lindern kann, muss sich zeigen.
In der Bildungspolitik stand dieses Jahr erneut die schleppende Digitalisierung der Schulen im Fokus. Trotz der Schulschließungen im ersten Halbjahr hat Bayern bisher von den 800 Millionen Euro im Rahmen des Digitalpakts Schule erst rund ein Viertel der Mittel vom Bund abgerufen. Sollte es noch mal zu Schulschließungen oder Hybridunterricht kommen, hat ein Viertel der bayerischen Schulen kein WLAN im Klassenzimmer und ein Drittel keine Leihgeräte für das Homeschooling.
Im internationalen Wettbewerb bestehen
In der Wissenschaft sorgte die geplante Hochschulreform für Diskussionen. Damit Hochschulen im internationalen Wettbewerb bestehen können, will ihnen die Staatsregierung mehr Autonomie zusprechen. Fachleute befürchten, dass dadurch der Kostendruck steigt und dies zulasten des Personals und kleinerer Fächer geht. Kritisiert wird auch, dass im Hochschulsenat die bisher einheitliche Regel für das Verhältnis zwischen Professor*innen und anderen Statusgruppen wie Studierenden aufgebrochen werden soll.
Die größte Veränderung in der Umweltpolitik in Bayern war 2021 das im November reformierte Klimaschutzgesetz. Es sieht vor, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren. Bis 2040 will der Freistaat klimaneutral sein. Wie das genau erreicht werden soll, ist unklar. Als konkrete Maßnahme wurde lediglich eine Solarpflicht auf neuen Gewerbe- und Industriehallen eingeführt. An der umstrittenen 10H-Regel für Windräder hält die Staatsregierung fest. Nur in Staatswäldern soll ein Mindestabstand von 1000 Metern ausreichend sein. Der Klimawandel stresst auch den Wald in Bayern. Nur noch 20,7 Prozent der Bäume haben laut Waldzustandserhebung 2021 keine Schäden. Zugenommen hat im Vergleich zum Vorjahr der Flächenfraß auf zuletzt 11,6 Hektar pro Tag – mehr als doppelt so viel wie von CSU und Freien Wählern im Landesentwicklungsprogramm vereinbart. Keine großen Fortschritte gab es trotz erneuter Skandale in diesem Jahr bei der Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung.
Kulturschaffende besonders hart getroffen
Im Bereich Kulturpolitik traf es Bayerns Kunstschaffende besonders hart. Theater und andere Musentempel waren monatelang geschlossen. Bereits im März legte die Initiative Aufstehen für die Kunst, der unter anderem Anne-Sophie Mutter oder Christian Gerhaher angehören, Popularklage gegen die Restriktionen beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Das Urteil steht noch aus. Ansonsten trat Serge Dorny, davor Chef der Lyoner Oper, sein Amt als Intendant der Staatsoper an. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte es, ungeimpfte freie Ensemblemitglieder zu feuern, während die fest angestellten unter 3G-Bedingungen bleiben durften. Für Aufsehen sorgte Markus Söders Engagement für die Zweigstelle des Deutschen Museums in Nürnberg. Der Vorwurf der Opposition, Söder habe die Mietverträge völlig überteuert und auf Teufel komm raus durchgedrückt, steht auch nach der Eröffnung des Museums im September im Raum.
Im Fokus der Innenpolitik stand neben diversen Delikten rund um die Pandemie – vor allem Impfpassfälschung – das novellierte Polizeiaufgabengesetz. Zwar wurde der höchst umstrittene Passus über Polizeirechte bei „drohender Gefahr“ präzisiert. Der Opposition ist die Regelung jedoch noch immer zu schwammig, die SPD hat Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof angekündigt. Zu den für viele Bürger*innen erfreulichen Entwicklungen zählt die angekündigte Rückzahlung der Straßenausbaubeiträge (Strabs). Ende November wurde bekannt, dass rund 14.500 Betroffene im ersten Quartal 2022 Bescheide über eine Rückerstattung früher gezahlter Strabs erhalten werden, insgesamt 50 Millionen Euro. Seit 2018 werden in Bayern keine Strabs von Grundstückseignern mehr erhoben. Wer in den vier Jahren zuvor solche Beiträge gezahlt hat, konnte einen Antrag auf Rückerstattung stellen, sofern eine besondere Härte vorlag. Initiiert wurde die Kostenbefreiung von den Freien Wählern.
In der Gesundheitspolitik drehte sich naturgemäß fast alles um die Pandemie. Der von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wiederholt beschworene Impfturbo stotterte indes mächtig, auch aktuell bremst der Mangel an Impfstoffen in vielen bayerischen Regionen Impfwillige aus. Eingeschossen hat sich die Politik vor allem auf die Impfunwilligen, die sie mit Maßnahmen wie 3G, 2G und 2Gplus in Impfzentren und Praxen treiben will. Auch bei der Debatte um eine Impfpflicht preschte Bayern voran. Das Thema BoosterImpfungen dagegen wurde lange verschlafen. Die Corona-Pandemie hat die grundlegenden Baustellen im Gesundheitssystem so deutlich wie nie aufgezeigt. Insbesondere der bereits lange akute Pflegenotstand bringt die Intensivstationen ans Limit.
(A. Kahl, D. Lohmann, W. Taschner, J. Umlauft)
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