Politik

Helfer beobachten schon verdächtige Personen, die sich Frauen in zweifelhafter Absicht genähert hätten. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

31.03.2022

Wenn geflüchtete Frauen Opfer werden

Die Gründe, warum Menschen nach Deutschland fliehen, sind vielfältig. Ganz oft wollen sie Gewalt und Krieg entkommen, so wie gerade Frauen und Kinder aus der Ukraine. Doch auch hierzulande lauern Gefahren

Sie sind nach Deutschland geflohen, vor Krieg, vor Gewalt, vor Ausbeutung. Doch auch hierzulande ist die Gefahr nicht unbedingt vorbei. Immer wieder werden Frauen im vermeintlich sicheren Deutschland zu Opfern. Besonders aktuell ist dieses Thema gerade angesichts der vielen Frauen und Kinder, die aus der Ukraine geflohen sind. Die Sorge: Menschenhändler könnten sie abfangen und zur Prostitution oder in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingen, etwa als 24-Stunden-Pflegekraft in Privathaushalten. Der Sozialausschuss des Bayerischen Landtags beschäftigt sich mit dem Thema Gewaltschutz von Frauen. Am Donnerstag sollen Experten gehört werden.

"Sowohl an Bahnhöfen als auch in Unterkünften ist die Gefahr groß, dass sie angesprochen und mit attraktiven Angeboten gelockt werden", sagt Maria Loheide vom Vorstand der Diakonie Deutschland. In der Tat beobachteten Helfer schon Menschen, die verdächtig wirken. Es seien auch Platzverweise ausgesprochen worden gegen dubiose Personen, die sich Frauen in zweifelhafter Absicht genähert hätten, berichtet Korinna Heimann von der Diakonie in Hamburg. Genaue Zahlen dazu gibt es noch nicht. Allen Hinweisen werde konsequent nachgegangen, heißt es vom Bayerischen Landeskriminalamt. Bisher bekannt gewordene Verdachtsmomente hätten sich aber letztlich nicht bestätigt.

Doch dass die Sorge nicht unbegründet ist, wissen die Helfer aus Erfahrung, etwa aus den Jahren 2015 und 2016, als viele Geflüchtete nach Deutschland strömten. Damals sei es auch passiert, dass Frauen ausgebeutet worden seien, weiß Isabel Schmidhuber, Bereichsleitung des Evangelischen Hilfswerks in München. Das Thema sei nur nicht so präsent gewesen, da vor allem Männer angekommen seien. Jetzt seien es vor allem Frauen mit Kindern, eine vulnerable Gruppe.

"Biete Zimmer, wenn du für mich putzt"

Auch im Internet deutet nach Beobachtung Schmidbauers vieles auf ungute Absichten hin. "Da kommen die ukrainischen Frauen, die können besonders gut putzen und pflegen", zitiert sie einen Kommentar. Und auch Leute, die Unterkünfte anbieten, sind bei der Kontaktanbahnung nicht zimperlich. "Da wird relativ offen darüber gesprochen: Ich kann dir ein Zimmer geben, würdest du für mich putzen?"

Loheide verwundert das nicht. "Dieses Modell osteuropäische Kräfte in Privathaushalten ist gesellschaftlich etabliert", sagt sie. Andere sähen darin die Lösung für den Pflegenotstand nach dem Motto: "Die können alle in die Pflege". Natürlich könnten Geflüchtete in der Pflege Arbeit finden, wenn sie wollen. Loheide hofft aber auch, dass Schul- und Bildungsabschlüsse rasch anerkannt werden und die oft hoch qualifizierten Frauen in ihren eigentlichen Berufen arbeiten können, sobald sie sich dazu in der Lage fühlen.

Die Hilfsorganisationen setzen indes auf Aufklärung. Nach einem teils chaotischen Beginn sieht Loheide inzwischen eine gute Entwicklung. Helfer führen Gespräche, verteilen Flyer und informieren in sozialen Medien, in mehreren Sprachen, auch auf ukrainisch. Darin wird den Frauen etwa empfohlen, ihren Ausweis zu fotografieren, Adresse und Kontaktdaten privater Vermieter an Freunde oder Verwandte zu schicken und misstrauisch zu sein, wenn jemand einen hohen Verdienst innerhalb kurzer Zeit verspricht. Zudem sollten sich alle registrieren lassen, Geflüchtete ebenso wie ehrenamtliche Helfer oder Privatleute, die Wohnungen anbieten.

Auch in der Unterkunft sind Frauen nicht immer sicher

Doch auch in einer Unterkunft sind Frauen nicht immer sicher, wie Simone Eiler vom Bayerischen Flüchtlingsrat berichtet. Geflüchtete seien verstärkt von sexualisierter oder geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Eiler spricht von gewaltfördernden Strukturen in manchen Flüchtlingsunterkünften und fehlenden Schutzräumen.

Zahra S. aus dem Iran etwa leidet unter den ständigen Blicken der Männer in ihrer Unterkunft, kommt nicht zur Ruhe und denkt sogar über Selbstmord nach. Und bei Kidst T. aus Äthiopien stand plötzlich ihr Ex-Mann vor ihrem Zimmer. Er hatte sie gefunden, weil er ein Foto von ihr herumgezeigt hatte. Der Typ, vor dessen Gewaltübergriffen sie geflohen war, der ihr nun mit dem Tod drohte und der offenbar einfach in die Unterkunft marschiert war. "Er wurde nicht aufgehalten", sagt sie erschüttert. Sie konnte zwar umziehen, doch beruhigt ist sie nicht: "Ich habe Angst, dass er mich wieder findet".

Angst hat auch Gulnar A.. Sie floh vor ihrem gewalttätigen Mann aus Aserbaidschan. In Deutschland wurde im September ihr Sohn geboren. Nun wohnen Mutter und Baby unter vielen alleinstehenden Männern. Die Duschen sind nah beieinander, die Toiletten eng. "Ich muss mein Kind mitnehmen im Autositz und kann dann nicht zusperren", erzählt sie. "Ich fühle mich immer unter Beobachtung." Auch wenn sie kochen wolle, kämen immer wieder Männer und starrten sie an. Neulich habe einer ein Stück Fisch so in eine Pfanne geworfen, dass das heiße Öl in alle Richtungen gespritzt sei, auch auf ihren Sohn. "Wir brauchen einen geschützten Raum für unser Leben", erklärt Gulnar. "Ich ziehe ein Kind groß, ich möchte, dass es in gewissen Umständen aufwächst."
(Cordula Dieckmann, dpa)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll das Gesetz für mehr Barrierefreiheit gelockert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.