Politik

Minsiterin Michaela Kaniber bei Spargelbauern in Schrobenhausen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

08.04.2020

"Wer kann, soll anpacken"

Sonniges und warmes Wetter: Diese Tage sind optimal für die Spargelernte. Doch in diesem Jahr treiben die Bauern andere Sorgen um als das Wetter. Sie haben Not, die Stangen aus dem Boden zu bekommen - und das ist nicht alles

Seit ein paar Tagen sind die Helfer da: Studenten, Maurer, eine Köchin, ein Automonteur. In der Corona-Krise springen sie auf dem Feld von Spargelbauer Jakob Koppold in Gachenbach im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ein. Die Saisonkräfte aus Rumänien konnten nicht einreisen. Die Zeit drängt. Der Spargel spitzt aus der Erde. Die Ernte lässt sich nicht verschieben wie ein Fußballspiel.

Ein bis zwei Wochen brauchen neue Helfer zum Einlernen. Koppold ist zufrieden: "Es wird immer besser." Spargelstechen will gelernt sein. Wird etwa die Pflanze verletzt, droht Pilzbefall. "Da brauchst du Leute, die ein bisschen Fachwissen habe."

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hat deshalb rasch eine erste Idee verworfen, beim Spargel wie bei Erdbeeren die Menschen zum Selberstechen auf die Felder zu lassen. Zum offiziellen Saisonauftakt am Mittwoch auf Koppolds Hof sticht die Ministerin selbst ein paar Stangen - "mir könnte das Spaß machen".

Der Arbeitseinsatz der Ministerin auf dem Feld bleibt zeitlich begrenzt. Aber sie ruft Studenten, Kurzarbeiter und Rentner auf: "Wer kann, soll mit anpacken." Einheimische Helfer könnten die fehlenden osteuropäischen Kräfte nicht ganz ersetzen, aber sie könnten helfen, Ernteausfälle zu verhindern. Die Ministerin mahnt zu Solidarität - und zum Kauf regionaler Produkte zur Unterstützung der Landwirte.

Die Saisonarbeiter fehlen nicht nur auf den Spargelfeldern. Auch Feldsalate, Gurken, Hopfen, Erdbeeren und andere Kulturen müssen angebaut und geerntet werden. Schon jetzt sei die Hilfsbereitschaft groß, sagt Kaniber. Mindestens 50 000 Menschen hätten sich über die Stellenbörse "Das Land hilft" eingetragen. Über die Initiative "Arbeiten für die Ernte" will sie noch mehr Kräfte mobilisieren und die Informationen dazu bündeln.

Die 41-jährige Nimet Urun steht seit einigen Tagen auf Koppolds Spargelfeld. Den Hof hat sie über Facebook gefunden. Vor einem Jahr hatte die Köchin Spargel noch in der Küche verarbeitet. Jetzt ist sie in Kurzarbeit und sticht mit ihrem 19-jährigen Sohn erstmals selbst. "Ich helfe hier gern. Das ist auch für mich gut." Besser als untätig zu Hause zu sitzen - auch wenn sie es im Rücken spürt. Die anstrengende Arbeit habe ihre Sicht verändert - nicht zuletzt auf den Preis. "Ich schätze es viel mehr." Eine Spargelreihe weiter schwitzt der Elektroniker Maximilian Kobler, er ist ebenfalls in Kurzarbeit. "Ich wollte helfen", sagt auch er.

"Wir brauchen auch die Verbraucher"

Die Unterstützung auf dem Feld sind nur ein Part. "Wir brauchen auch die Verbraucher", sagt Koppold. Es nutze nichts, den Spargel zu stechen, wenn ihn niemand kaufe. Die Krise macht auch die Vermarktung schwierig. Gastronomiebetriebe sind geschlossen. Viele private Kunden trauten sich wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht zum Hof. Dabei hätten die Menschen jetzt Zeit, um Rezepte durchzuprobieren, meint Koppold. Er hofft, "dass wir die Saison einigermaßen rumkriegen". Nur die Hälfte seiner Anbaufläche von rund sieben Hektar hat er bestellt.

Ähnlich geht es vielen seiner Kollegen. Die Ernte in der Schrobenhausener Region, mit rund 600 Hektar Anbaufläche eine der bekanntesten bundesweit, wird wohl geringer ausfallen. Das könnte sich auch im Preis niederschlagen.

Dabei wird laut Koppold schon jetzt und trotz der Krise beim Handel an der Preisschraube gedreht. "Wir kämpfen um jeden Cent." Zumindest gebe es wieder mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft. Teils habe es schon so gewirkt, als ob sogar "die Brezn aus China" komme.

"Unsere Landwirte schaffen wertvolles", lobt auch Kaniber. Sie begrüßt die Entscheidung aus Berlin, für dringende Feldarbeiten unter strengen Bedingungen im April und Mai je 40 000 ausländische Saisonarbeiter nach Deutschland zu lassen. Ob das reicht, ist offen. Rund 40 000 Helfer werden alljährlich über die gesamte Anbauperiode bis in den Herbst nur in Bayern gebraucht.

Bei Spargel liegt der Selbstversorgungsgrad laut Kaniber bei rund 84 Prozent. Bei Gemüse decken inländische Produkte nur etwa 40 Prozent des Bedarfs, noch weniger ist es bei Obst. Deshalb sei es wichtig, dass Lieferketten funktionierten. "Es kann natürlich zu Engpässen kommen, und natürlich kann es auch dazu kommen, dass die Preise dann ein Stück weit ansteigen." Umso mehr wirbt Kaniber für den Einkauf mit Augenmaß, um nichts wegwerfen zu müssen. "Da bitte ich darum: Sich ganz bewusst zu entscheiden, nicht zu viel einzukaufen."
(Sabine Dobel, dpa)

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