Politik

Ein Bauer beim Ausbringen von Pestiziden. (Foto: dpa/Julian Stratenschulte)

10.05.2019

"Wir brauchen auch eine Verkehrs- und Agrarwende"

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Patrick Friedl, Sprecher des Volksbegehrens „Klimaschutz in die Verfassung“, über Hintergründe der Initiative, runde Tische und die CO2-Steuer

Klimaschutz in die Verfassung: Das war der Plan der schwarz-orangen Koalition in Bayern. Grüne und SPD waren dagegen, weshalb die nötige Zweidrittelmehrheit im Landtag nicht zustande kam. Derzeit sammelt der Würzburger Verein „Klimaschutz – Bayerns Zukunft“ Unterschriften für ein Volksbegehren, dessen Ziel es ist, den Klimaschutz, ergänzt um das Thema Energiewende, in der Verfassung festzuschreiben. Wir fragten Volksbegehrenssprecher Patrick Friedl nach Details.

BSZ: Herr Friedl, warum soll der Klimaschutz in die Verfassung?
Patrick Friedl: Die Verfassung sollte ein Abbild dessen sein, was in der Gesellschaft die wirklich wichtigen Themen sind. Die Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung soll Zeichen dafür sein, dass wir die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen endlich ernsthaft angehen wollen. So kam in den 1980er-Jahren der Umweltschutz in die Verfassung. Wir wollen das jetzt durch den Klimaschutz ergänzen, da der Klimawandel unsere natürlichen Lebensgrundlagen bedroht.

BSZ: Warum haben Sie dann mit den Grünen nicht dem entsprechenden Antrag von CSU und Freien Wählern im Landtag zugestimmt?
Friedl: Wir vom Volksbegehren wollen, dass der Klimaschutz Vorrang unter den Verfassungszielen zum Schutz von Luft, Wasser und Boden hat. Das soll mit der Einfügung der Worte „insbesondere Klimaschutz“ in die Auflistung der natürlichen Lebensgrundlagen in Artikel 141 der Bayerischen Verfassung geschehen. Das war so im Vorschlag der Koalition nicht vorgesehen. Außerdem wollen wir die wichtigste Maßnahme in die Verfassung aufnehmen, um Klimaschutz wirksam werden zu lassen: die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien. Uns ist also der Vorschlag der Staatsregierung nicht weit genug gegangen, uns haben die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung gefehlt. Deshalb haben wir uns als Grüne bei der Abstimmung enthalten.

BSZ: Sehr konkret ist Ihr Entwurf aber auch nicht. Er beinhaltet die Umstellung auf erneuerbare Energien nur als Ziel ohne Zeitvorgabe.
Friedl: Wir bewegen uns da im Verfassungsrecht. Konkrete Zeitvorgaben würden den Vorschlag wohl rechtlich angreifbar machen. Ich denke, die Signalwirkung ist groß genug, wenn das Volk den Beschluss fasst, den Klimaschutz als vorrangiges Ziel in die Verfassung aufzunehmen und dafür auf erneuerbare Energien umzusteigen. Das ist ein Handlungsauftrag an die Regierenden, das so schnell wie möglich zu erreichen. Welche Kraft ein Volksbegehren entwickeln kann, sieht man gerade beim Artenschutz, wo die Staatsregierung zusätzliche Maßnahmen auf den Volksbegehrenstext draufpackt.

BSZ: Wäre auf der Basis des Regierungsantrags zum Klimaschutz nicht auch ein Runder Tisch wie beim Artenschutz sinnvoll gewesen, um die Sache einvernehmlich voranzubringen?
Friedl: Die Staatsregierung hatte zu Gesprächen eingeladen. Es gab auch mehrere Treffen, nur wurde bei denen nichts Substanzielles auf den Tisch gelegt außer dieser Verfassungsergänzung um ein Wort. Unsere ergänzenden Anträge wurden von der Koalition abgelehnt. Das war keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Klimaschutz. Mein Eindruck ist, dass viele politisch Verantwortliche vor allem darauf aus sind, den Klimaschutz möglichst geräuschlos aus der öffentlichen Debatte zu drängen. Genau deshalb braucht es das Volksbegehren.

BSZ: Das ist aber mit dem Risiko verbunden, dass sich nicht noch einmal eine Million Bürger motivieren lassen, im Rathaus ihre Unterschrift zu leisten.
Friedl: Wir werden das Volksbegehren weiter vorantreiben. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass durch den auch bei uns immer spürbareren Klimawandel – ich erinnere nur an die heißen und trockenen Sommer – die Debatte in der Bevölkerung an Fahrt aufnimmt und damit der Handlungsdruck auf die Staatsregierung steigt. Man sieht das schon bei der „Friday for Future“-Bewegung. Womöglich führt das auch beim Klimaschutz zu Runden Tischen und der Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen. Es wäre nicht das erste Mal, dass allein die Initiative zu einem Volksbegehren politische Entscheidungen provoziert hat.

"Wenn keine Veränderungen kommen, wird sie die Bevölkerung auf den Weg bringen müssen"

BSZ: Das heißt, es steht für Sie noch gar nicht fest, ob Sie offiziell in das Volksbegehrensverfahren einsteigen wollen?
Friedl: Klar zielt unser Volksbegehren auf Einreichung ab. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass man aus der Opposition heraus die Vorschläge unseres Volksbegehrens in ein Gesetzes- und Antragsbündel packt und in die parlamentarische Beratung bringt. Die Regierungskoalition wäre dann frei, sich dem anzuschließen oder zumindest in ernsthafte Beratungen einzusteigen. Bewegt sich nichts, werden wir als Initiatoren zügig eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen müssen. Der Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz und Energiewende ist jedenfalls riesig. Wenn keine Veränderungen kommen, wird sie die Bevölkerung auf den Weg bringen müssen.

BSZ: Was müsste denn in einem ergänzenden Klimaschutzgesetz stehen?
Friedl: Das muss alle Bereiche betreffen, in denen in irgendeiner Form Energie genutzt wird. Das heißt, wir brauchen neben der Energiewende mit Wärmewende auch eine Verkehrs- und eine Agrarwende. Dazu gehört der Schutz und der klimagerechte Umbau unserer Wälder. Kurz gesagt: Wir müssen unseren CO2-Ausstoß drastisch reduzieren und unsere CO2-Speicher ausbauen.

BSZ: Was halten Sie von einer CO2-Steuer?
Friedl: Wir müssen endlich dazu kommen, dass Substanzen, die unserem Klima und unserer Umwelt schaden, in Produktpreisen enthalten sind. Heute finden zumeist nur die reinen Rohstoff- und Herstellungskosten Eingang in die Kalkulation. Das greift zu kurz. Es muss in alle Produkte das eingepreist sein, was sie uns wirklich kosten.

"Geringverdiener könnten von einer CO2-Steuer besonders profitieren"

BSZ: Wie kann man das sozial abfedern, wenn alles im Grundsatz teurer wird?
Friedl: Die Schweiz hat vorgemacht, wie das funktionieren kann. Man könnte eine Art „Energiegeld“ einführen, das die Bürger aus einer CO2-Besteuerung zurückbekommen. Ein Teil des Steuerertrags könnte dafür aufgewendet werden, der andere für die Beseitigung von Umweltschäden. Gerade Geringverdiener könnten davon besonders profitieren. Und natürlich all jene, die sich CO2-bewusst verhalten.

BSZ: Wie soll das bei Pendlern auf dem Land funktionieren, die mangels ÖPNV auf das Auto angewiesen sind?
Friedl: Deshalb muss die Umstellung schrittweise erfolgen. Es wäre falsch, gleich am Anfang die am stärksten zu belasten, die auch am stärksten betroffen sind. Für Pendler kann die Belastung erst dann spürbar höher werden, wenn der Nahverkehr deutlich besser ausgebaut und eine echte Alternative zum Auto ist. Ja, wir stehen da vor riesigen Herausforderungen. Aber die werden nicht dadurch weniger, dass wir das Handeln Jahr für Jahr hinausschieben.

BSZ: Die CSU setzt auf Anreizsysteme zur CO2-Einsparung statt auf „Be-
strafung“ des CO2-Ausstoßes. Ist das keine Alternative?

Friedl: Man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Ich bin gerne dabei, ökologisch sinnvolles Verhalten zu belohnen. Heute ist es aber genau umgekehrt. Wer sich ökologisch verhält, muss ein Idealist sein, weil er in der Regel draufzahlt und auf bestimmte Dinge verzichten muss. Außerdem geht es ganz ohne Gebote und staatliche Eingriffe auch nicht. Ohne das Verbot der Glühbirne zum Beispiel hätte es die rasante technologische Entwicklung bei stromsparenden und umweltschonenden LED-Lampen nicht gegeben.

BSZ:  Wie optimistisch sind Sie, dass sich im aktuellen gesellschaftlichen Umfeld klimafreundliches Verhalten und Wirtschaften durchsetzen lässt?
Friedl: Vor ein paar Jahren wäre ich sehr pessimistisch gewesen. Da haben Themen der Ökologie und Nachhaltigkeit in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle gespielt. Mittlerweile überwiegt wieder der Optimismus, weil gerade die junge Generation die Politik mit hohem Engagement in ökologischen Fragen herausfordert. Das kann und wird nicht ohne Folgen bleiben.
(Interview: Jürgen Umlauft)

Foto (Stefan M. Prager): Patrick Friedl ist Grünen-Abgeordneter aus Würzburg und 1. Sprecher des Volksbegehrens „Klimaschutz in die Verfassung“.   

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